Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Kaum eine andere Literaturgattung hat im deutschsprachigen Raum unter schlimmeren Ressentiments zu leiden als die Phantastik. Ob Science Fiction, Fantasy, Dark Fantasy, Splatter; ob "hard Science Fiction", "soft Science Fiction", Utopien, Dystopien, Space Operas, Social Fiction - all dies firmiert in Deutschland und Österreich unter der Bezeichnung Phantastik und wird von vielen ad hoc gleichgesetzt mit "Star Wars", "Star Trek", "Stephen King" und "Terminator".
Dass die Bandbreite dieser jüngsten aller großen Literaturgattungen sich über quasi alle Genres und Subgenres erstreckt, wird dabei geflissentlich außer acht gelassen. Wozu auch sich beschäftigen mit solchem "Schund"? Geformt wird die vernichtende Arroganz gegenüber der Phantastik durch die Medien. An Schulen oder Universitäten ist "dieses Weltraumzeugs" ohnedies verpönt.
Ein Blick zu unseren Nachbarländern zeigt, dass dort die Phantastik längst einen unbestrittenen Stellenwert besitzt und sogar entsprechend gefördert wird. In den USA werden an den Universitäten phantastische Romane ernst genommen und ist in den Lehrplänen enthalten.
So ist es kein Wunder, dass deutschsprachige Autoren dieses Genres ob der Situation frustriert sind. Einen der größeren Verlage für ein Phantastik-Projekt eines deutschen Autors zu begeistern ist fast unmöglich.
Aber es gibt aufrechte Kämpfer um die Anerkennung der Phantastik, die sogar auf zahlreiche Publikationen verweisen können. Einer dieser (meiner Meinung nach leider auf verlorenem Posten stehenden) wackeren Schreiber ist der Deutsche Axel Kruse, der nach einer Reihe Veröffentlichungen in angesehen Fanzines und Anthologien mit der Anfang 2000 bei G. Meyer ´s Taschenbuch erschienen Kurzgeschichtensammlung eines der seltenen Beispiele eines Autoren ist, der sich den Traum eines eigenen Buches abseits dubioser "Duckkostenzuschussverlage" erfüllte.
Hält man sein erstes Buch "Iteration" in Händen fällt einem zweierlei auf: Es ist etwas schmalbrüstig geraten. Auf gerade mal 74 - eng bedruckten - Seiten erstrecken sich neun SF-Geschichten. Weiß man um Axels Produktivität verwundert dies - ein paar Storys mehr hätte der Band locker vertragen!
Ins Auge sticht aber das Cover. Wie auch bei Lebensmitteln, Filmplakaten oder CDs sollte das Cover ein "Aufmacher" sein, der den potenziellen Kunden zum genaueren Hinsehen lockt. Selten aber habe ich ein dermaßen abstoßend hässliches, billiges Cover gesehen, das den Verdacht nahe legt, dass es mit einem uralten Nadeldrucker ausgedruckt wurde.
Diesen Vorwurf muss sich der Verlag gefallen lassen - völlig unverständlich auch der Umschlagtext: Nichtssagend, teilweise sachlich sogar falsche Informationen über die Geschichten.
Ärgerlich, wie hier Kunden auf manigfaltige Weise im Vorhinein "verschreckt" werden, denn der Inhalt ist mehr als nur einen Blick wert! Erstaunlich reif erweisen sich die Geschichten, die Lichtjahre entfernt von billigem Schund oder Nacherzählung altbekannter Plots entfernt sind.
Einzig die Geschichte Intelligent essen orientiert sich etwas zu sehr an "Pointengeschichten", also Geschichten, die einzig und allein auf eine mehr oder weniger originelle Pointe ausgelegt sind.
Highlight des Bandes ist mit Sicherheit die titelgebende Story Iteration . Wie der Autor sich des scheinbar seit Jahrzehnten zerkauten Themas Zeitreise annimmt verdient Respekt! Man kann vor allem angesichts einer solch herausragenden Geschichte nicht verstehen, weshalb einem Autor wie dem hier vorgestellten bei den größeren Verlagen keine Chance eingeräumt wird. Ohne weiteres könnte diese Geschichte in einer Anthologie berühmterer SF-Autoren stehen.
Der Rest der Geschichten schwankt zwischen Mittelmaß und gehobenem Niveau.
Einzig der Stil ist Kruses Schwäche. Zwar bereitet das Lesen keine Mühe, man muss nicht Sätze zweimal lesen um sie zu verstehen und an keiner Stelle wirkt der Stil abgehackt oder extrem trivial - doch ein wesentlicher Bestandteil des Lesens besteht darin, sich an schönen Sätzen, Metaphern oder stilistischen Feinheiten zu ergötzen. Wenn dem Autor ein dringender Rat zu geben ist dann der, an seinem Stil zu feilen.
Vielleicht kann ich mit dieser Rezension dem einen oder anderen Phantastik-Interessierten den "Mund wässrig machen". Es würde mich freuen, wenn ihr statt dem neuen Roman eines Gibson dem Nachwuchs eine Chance geben könntet. Er ist es wert!