Serie/ Zyklus: ~ Titel: Ismael Originaltitel: Ismael (1991) Autor: Daniel Quinn Übersetzung: Wolfram Ströbele Verlag: Goldmann Verlag (1992) Besprechung / Rezension von Holger M. Pohl |
Kann Philosophie phantastisch sein? Sie kann es!
Ismael und sein Schüler streiten sich über den Zustand der Welt. Dabei wird die Menschheitsgeschichte in einem völlig anderen Licht betrachtet, als das bisher der Fall war - und als es bisher vielleicht möglich war.
Jeder sieht die Welt ein wenig anders, weil er unterschiedliche Blickwinkel hat. Ismael vermittelt seinem Schüler eine völlig andere Sicht der Dinge.
Er teilt die Welt in Nehmer und Lasser und das ist seit Anbeginn der menschlichen Geschichte so. Die einen nehmen, die anderen lassen zu, dass ihnen genommen wird. Heute sind die Nehmer die Industriestaaten der zivilisierten Welt und die Lasser die sogenannten Entwicklungsländer.
Immer wieder kommt es zu streitartigen Gesprächen, weil der Schüler einfach nicht einsehen will und kann, dass Ismael recht hat. Doch Ismael führt zahllose Beispiele an und geht zurück bis in die Zeit, als der Mensch sich zur Krone der Schöpfung machte.
Doch die Krone der Schöpfung hat die Erde in eine Hölle verwandelt und wird sich am Ende selbst vernichten, wenn die Erde unbewohnbar geworden ist.
Daniel Quinns Roman spiegelt eine andere Sicht der Dinge wider. Er ist sehr unterhaltsam und oft mit einem Augenzwinkern geschrieben. Obwohl er ohne Einschränkung als das bezeichnet werden kann, was man in aller Regel unter dem Begriff "Literatur" zusammenfasst, so kann man ihn doch zu keinem Zeitpunkt als unverständlich oder zu abgehoben bezeichnen. Oft schmunzelt man sogar vor sich hin.
Was aber ist daran phantastisch? Es ist die Tatsache, dass er zu keiner Zeit real ist oder sein kann. Auch wenn man sich das manchmal wünscht. Er ist fiktiv und das im besten aller Sinne. Es ist eine andere Art von Phantastik, aber nichtsdestotrotz ist es Phantastik. Vielleicht geht es eher in Richtung Utopie. Vielleicht würde man ihn heute auch als "Social Fantasy" bezeichnen, was immer man darunter verstehen mag. Vielleicht. Ganz sicher ist es kein Unterhaltungsroman, den man einfach zum Zeitvertreib liest. Und er ist sehr philosophisch. Phantastische Philosophie oder philosophische Phantastik sozusagen.
Ich habe diesen Roman mehrmals gelesen, denn man entdeckt immer wieder neue Aspekte, die man beim ersten Lesen nicht oder nicht deutlich genug wahrgenommen hat. Er reizt zum Nachdenken, manchmal zum Widerspruch, doch oft auch zur Zustimmung.
Ich gebe dem Roman 9 von 10 Punkten.
Ach, übrigens: Ismael ist ein Gorilla ...