Titel: Messias Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
In der Kirche bereitet sich der örtliche katholische Pfarrer am Gründonnerstag auf das Osterfest vor. Er ist über einhundert Jahre alt, aber noch rüstig. Vielleicht liegt das daran, dass man Aidan O'Ryan Wunderheilungen nachsagte. Wie der Leser im Prolog erfährt, stimmt das sogar, denn er wurde zur Strafe von einem Engel zu 100 Wundern verdonnert.
Dies mag sich jetzt echt spannend anhören, ist aber nicht der Grund dieser Geschichte. Die Geschichte beginnt zwar in der Kirche einer alten Zisterzienserabtei, doch nur deshalb, weil ein Blitz die Kirche erhellt, das Kreuz sich ohne Jesus in der Kirche wiederfindet und auf dem Kirchenboden ein nackter Mann liegt. Der Mann nennt sich Jeschua und spricht nur Hebräisch. Jeschua - bedeutet auf gut Deutsch Jesus - trägt auf seinem Kopf eine Dornenkrone und blutet aus den altbekannten Stigmata. Der Priester ist sichtlich überrascht. Steht für ihn eine neue Prüfung an, oder ist Jesus tatsächlich auf die Erde zurückgekehrt, um das letzte Gericht einzufordern?
Schon bald wird weltweit vom Wunder von Graiguenamanagh gesprochen. Hinzu kommt, dass der Mann vom Kreuz unangenehme Wahrheiten verkündet. Dies findet die katholische Kirche, die sich das Monopol für religiöse Wahrheiten durch Selbstvergabe sicherte, natürlich nicht in Ordnung. Die Aussagen des Mannes könnte man ja noch verkraften, würden die Menschen ihm nicht nur zuhören, ja sogar weltweit zu ihm pilgern. Die Kongregation des Vatikans entsendet also ihren besten Mann, Bruder Hester McAteer. Hester McAteer untersucht seit mehr als drei Jahrzehnten auftretende Wunder und entlarvt sie im Auftrag des Vatikans. Immer, so will es die Kirche. Hester ist aber auch deswegen gut geeignet, diesen Fall zu untersuchen, weil er hier zu Hause ist. Oder besser gesagt: war. Denn seine Familie lebt hier, ebenso die Frau, die er für die Kirche sitzen ließ.
Hester McAteer wirkt auf den Leser sehr sympathisch, versucht er doch nicht nur, den Auftrag der Kirche auf die Reihe zu bekommen, sondern auch sein eigenes Leben, das von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Die fesselnde Geschichte über seine alte Liebe und die unheimlichen Begebenheiten sorgen für eine abwechselnde Handlung. Allerdings greift der Autor Ralf Isau auch zu ganz modernen Problematiken, die in der katholischen Kirche immer wieder eine große Rolle spielen. Die lange ungeklärte Frage, die sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht, ist doch: Was wäre, wenn ... es den Heiland und seine Auferstehung wirklich gäbe? Wie reagiert der Mensch - in diesem Fall der Leser - auf das letzte Gericht? Andererseits: Wie reagiert der Leser auf etwa das Thema Homosexualität, wenn Herr Brannock, Medienmogul, sich zu seiner Homosexualität und der Liebe zum Priester Joe bekennt? Brannock hasst die Kirche, weil sie ihm Joe nahm und dieser lieber als Priester und ohne Joe leben wollte. Wenn Brennock sagt: "Ich wollte der Welt zeigen, wie hohl und verlogen die Kirche ist" (Seite 415), ist das eine sehr kritische Haltung.
Eine andere Frage stellt sich dem Zielpublikum: Ist dies ein Jugendbuch? Dann ist es vielleicht ein wenig zu heftig in den Aussagen und manchmal unverständlich. Ist es ein Buch für Erwachsene, dann ist es in meinen Augen manchmal etwas naiv. Ein Thriller trifft sicher nicht ganz zu. Doch ist es ein Spannungsroman, den ich gern gelesen habe.