Serie/Zyklus: Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Auch wenn der Titel Irrgarten des Todes (1970) es vermuten lässt, es ist nicht der dreizehnte sondern der zwölfte Band der großen Philip K. Dick-Edition im Münchner Heyne Verlag. Seltsam und realitätszerstörend geht es dennoch zu. Es sind typische Dick-Charaktere, mit denen der Roman aufwartet. Alle haben Schwächen, sei es nun Tablettensucht, Hypochondrie, übertriebene Religiosität oder Nymphomanie. Vierzehn Menschen haben sich freiwillig gemeldet, um den Planeten Delmak-O zu besiedeln. Doch kaum angekommen, ereignet sich Rätselhaftes: Ein riesiges Gebäude, das ständig seinen Standort wechselt, ein Fluss, der aus dem Nichts auftaucht, mechanische Insekten, die mit winzigen Insekten ausgestattet sind... Sind die Kolonisten Teil eines bizarren Experiments? Ist Delmak-O überhaupt Realität? (Klappenumschlag).
Zunächst scheint die Gelegenheit per Einwegkapsel nach Delmak-O zu gelangen und dort die neue Stelle anzutreten für Ben Tallchief, Seth Morley und für die anderen Kolonisten günstig. Doch alles geht schief. Auf Delmak-O erhalten sie keine Instruktionen über das weitere Vorgehen, sind auf sich selbst gestellt und vermuten sehr schnell, dass sie Bestandteil eines (militärischen) Experiments sind. Eine Flucht ist ausgeschlossen, weil die Einwegkapseln keinen Treibstoff mehr haben.
Nach und nach werden die Kolonisten getötet und Morley gelingt es aller Widrigkeiten zum Trotz auf die Erde zu gelangen, in ein verfallenes London, das genauso am Ende ist wie Delmak-O. Dort stirbt Morley im Säureregen, um nur an Bord eines Raumschiffs aufzuwachen. War Delmak-O also nur eine Illusion? Doch für die Schiffbrüchigen sind die Computersimulationen der Realität vorzuziehen. Besser als mit dem Bewusstsein zu leben, ewig im All zu treiben ohne Hoffnung auf Rettung. Deshalb ziehen die Raumfahrer ihre Scheinwelten vor, egal wie gut oder schlecht sie sein mögen. Und so musste ihnen ein Spielzeug, das auf Interstellarflügen allgemein gebräuchlich war, eine Scheinwelt nach der anderen schaffen, damit sie nicht den Verstand verloren.
Beeindruckend ist der Moment als auf Delmak-O das umherwandernde Gebäude gefunden wird, weil jeder etwas anderes darin sieht: eine Vinothek, Sophothek, ein Thanatorium, Hexorium, eine Menagerie, Mekkiserie. Bereits im Vorwort erklärt Philip K. Dick: "Die erzählerische Herangehensweise in Irrgarten des Todes ist voll und ganz subjektiv. Damit meine ich, dass die Wirklichkeit nicht direkt beschrieben wird, sondern indirekt, aus dem Blickwinkel der Charaktere."
Der Hintergrund den Dick seine Figuren für das virtuelle Delmak-O erschaffen lässt, ist stark religiös, zusammengesetzt aus allen Weltreligionen und deren Ausrichtungen. Das geht so weit, dass Gebete (zumindest in der Simulation) tatsächlich erhört werden. Und Dick wäre nicht Dick, wenn er die Grenzen zwischen Realität und erschaffener Illusion einreißen würde: Morley wird von einer göttlichen Inkarnation, dem Mittler, aus dem Raumschiff herausgeholt.
Philip K. Dicks Irrgarten des Todes ist ein außergewöhnlicher Roman, der seine (bisherigen) Schaffensphasen mit der Suche und Frage nach Realität und mit der (zukünftig verstärkten) Auseinandersetzung von Glauben und Religion vereint. Angenehm lesbar, mit einigen Überraschungsmomenten, ein guter Dick eben.