Interview mit Michael Preissl
Carmen Weinand und Thomas Backus interviewten den Gründer des VoodooPress-Verlags.
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Thomas: Also, Michael, erzähle doch ein bisschen was über Dich, Deine Beziehung zu Horror- und Deinen Verlag!
Michael: Hi, ich bin 35 Jahre alt, wohne in Österreich, ausserhalb von Wien und führe mittlerweile seit 3 Jahren den Verlag Voodoo Press, der durch die Leidenschaft zur Phantastik entstanden ist.
Thomas: Was hast Du vorher gemacht? Betreibst Du Deinen Verlag hauptberuflich?
Michael: Ich bin freiberuflich als IT Consultant, Verleger und Übersetzer tätig.
Thomas: Was übersetzt Du denn so, und für wen?
Michael: Anfangs meist für Voodoo Press, danach kamen Anfragen von Kleinverlagen und aktuell arbeite ich an einer Übersetzung für ein größeres Verlagshaus.
Carmen: Musst Du auch andere Genres übersetzen?
Michael: Bis jetzt ist es mir gelungen, der Phantastik treu zu bleiben. Darunter zähle ich Horror, Bizarro Fiction, SF und Phantastische Thriller.
Thomas: Du sagtest, Dein Verlag sei das Ergebnis Deiner Phantastik-Leidenschaft. Wie hat denn diese Leidenschaft begonnen? Wo liegen Deine Wurzeln?
Michael: Angefangen hat es mit Old School Horror Büchern verschiedenster Autoren. Danach las ich altbekannte Autoren wie Poe, Lovecraft, Kafka. Außerdem bin ich ein großer Film und Serienfan.
Thomas: Welche Old School Autoren denn? Und gibt es vielleicht jemanden, der Dich da heran geführt hat?
Michael: Ich zähle mal Stephen King als Old School Horror Autor oder Dean Koontz, Peter Straub, Clive Barker. Das erste Buch, das ich damals als Teenager in den Händen hielt, war "ES". Das steht heute noch bei mir im Regal :-)
Ich habe es mir damals von meinem Taschengeld gekauft und war total fasziniert davon.
Carmen: Welcher Autor ist heute Dein Favorit, Michael?
Michael: Favoriten habe ich keine. Das liegt vielleicht auch daran, dass es bei mir sehr stimmungsabhängig ist.
Thomas: Warst Du immer nur Konsument, oder auch Kreativer? Hast Du vor dem Verlegen geschrieben oder Illustriert? Hast Du evtl. Fandomerfahrung?
Michael: Ich habe mich mal in Kurzgeschichten versucht, aber es dann gelassen. Diese Art der Kreativität überlasse ich den Autoren :-)
Thomas: Okay, und wie wurdest Du dann zum Verleger? Wie kamst Du auf die Idee, einen Verlag zu Gründen?
Michael: Der Gedanke kam mir, als ich meine erste Anthologie in Angriff nahm. "Rose Noire" wollte ich selbst vertreiben und nach reichlichen Überlegungen gründete ich Voodoo Press. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Manuskripte. Darunter "Das Tal des Grauens" von Michael Knoke.
Thomas: Kannst Du auf diese Anthologie etwas näher eingehen?
Michael: Mein Ziel war es, eine auf 100 Exemplare limitierte Anthologie zu veröffentlichen. Ich habe sie damals absichtlich auf kein Thema beschränkt, da ich sehen wollte, was den Autoren zu dunkler Phantastik einfällt.
Thomas: Hast Du das Projekt zuerst woanders eingereicht oder gleich den eigenen Verlag gegründet?
Michael: Ich hatte darüber nachgedacht, ob ich es wo einreichen sollte, mich aber dazu entschlossen, es selbst zu probieren.
Thomas: Hast Du Dir vorher Ratschläge geholt, oder bist Du gleich ins kalte Wasser gesprungen?
Michael: So ganz ins kalte Wasser bin ich nicht gesprungen. Ich habe mich zuvor mit ein paar Leuten darüber unterhalten und mir auch wertvolle Tipps geholt.
Thomas: Und das hat gleich geklappt?
Michael: Natürlich nicht. Es gab jede Menge Hürden. Aber daraus habe ich - mittlerweile wir - viel gelernt. Meine Frau hat mich stets unterstützt und mich angetrieben weiter zu machen.
Thomas: Das ist erfreulich.
Immerhin hat es Dich ja nicht abgeschreckt, das Programm zu erweitern.
Michael: So schnell schreckt mich nichts ab :-) Außerdem muss man sich ständig weiterentwickeln und darf nicht stehen bleiben.
Thomas: Ein laufender Prozess, oder?
Michael: Klar.
Thomas: Wie wichtig ist Dir denn der Kontakt zu den Lesern?
Michael: Uns ist der Kontakt sehr wichtig. Wir freuen uns immer, wenn wir Lesermeinungen erhalten, oder einfach irgendwelche Rückmeldungen.
Thomas: Welchen Stellenwert nimmt Dein eigener Geschmack beim Verlagsprogramm ein, und wieweit holst Du Dir Anregungen von den Lesern?
Michael: Das Voodoo Press Programm besteht hauptsächlich aus unseren Vorlieben. Wir stehen hinter jeder Story die wir herausgeben. Gesellschaftskritische Untertöne, gerne auch Horror mit humorvollen Episoden, durchgeknallte neue Ideen usw. Natürlich freuen wir uns über Anregungen von unseren Lesern, würden aber nichts publizieren was gar nicht zu uns passt.
Thomas: Eines Deiner neuen Veröffentlichungen ist von Edward Lee "Innswich Horror". Wie kamst Du denn auf diesen Titel?
Michael: Ich bin immer auf der Suche nach Autoren und lese mich gerne durch den englischen Markt. Wenn mir dann ein Buch besonders gut gefällt, schaue ich ob es eine Möglichkeit zur deutschen Veröffentlichung gibt.
"Innswich Horror" war mein vierter englischer Roman von Edward Lee und der Roman, der mir am meisten gefallen hat.
Thomas: Als Leser?
Michael: Als Leser. Ich lese die Bücher und entscheide dann, ob ich sie ins Programm aufnehme oder nicht. Und die Meinung über ein Buch versuche ich mir immer als Leser selbst zu bilden.
Thomas: Ich meine das technisch. Als erstes gefällt Dir das Buch, und dann? Rechte kaufen? Gibt es da eine Agentur, oder geht man direkt an den Autor?
Michael: Kontakt aufnehmen, Agentur oder direkt. Danach wird verhandelt, Verträge geschlossen, das Projekt in Angriff genommen.
Thomas: Also in dem Fall mit Edward Lee? Und der hat sich bestimmt gefreut, sein Buch in Deutsch verlegt zu bekommen?
Michael: Bei Edward Lee war es direkt möglich. Er ist ein total netter und sympathischer Kerl. Ein solcher Kontakt ist oftmals über eine Agentur nicht möglich.
Ja, Edward Lee hat sich sehr gefreut. Von Lee sind ja schon Jahre zuvor Bücher auf Deutsch erschienen, warum das allerdings nicht weiterverfolgt wurde weiß ich nicht.
Thomas: Als Lovecraft-Fan hat mir die Übersetzung sehr gefallen! Okay, Du hast dann also die Rechte. Wie geht es weiter? Selbst übersetzt hast Du das Buch ja nicht...
Ob ich es selbst übersetze oder übersetzen lasse, hängt von meiner Zeit ab. Wir haben ein sehr straffes Programm und alles alleine zu übersetzen ginge nicht. Darum suche ich dann geeignete Übersetzer.
Zuerst lasse ich mir Probeübersetzungen anfertigen die ich dann anhand des Originals durchsehe. Dabei lege ich großen Wert auf werkgetreue und keine freien Übersetzungen.
Thomas: Lovecraft hat ja absichtlich einen veralteten Stil verwendet, Lee auch?
Michael: Ja, Lee hat auch im englischen Text einen alten Stil verwendet. Diesen Stil wiederzugeben ist natürlich jede Menge Arbeit.
Viele Lovecraft-Fans finden "Innswich Horror" klasse. Und hier muss ich mich bei der Übersetzerin, als auch unserem Lektor bedanken. Beide haben gute Arbeit geleistet.
Wir arbeiten gerne werkgetreu, da wir den Autor noch durchhören möchten, und es unfair finden würden, einen Stil einfach abzuändern. Jeder Autor hat ein Recht, so wiedergegeben zu werden, wie er es geschrieben hat. Kostet zwar mehr Zeit, ist aber dem Original näher.
Thomas: Gibt es dann noch Testleser, oder geht das Buch nach dem Lektorat gleich an die Druckerei?
Übersetzung, Lektorat, Korrektorat, Satz, dann nochmal Korrektorat mit ausgedruckter Version.
Thomas: Da ich nicht in Englisch lesen kann, muss ich mich als Leser darauf verlassen, dass das geglückt ist ... überprüfen kann ich es leider nicht.
Aber das deutsche Buch las sich gut.
Michael: Freut mich.
Thomas: Aber da Du Lovecraft auch zu Deinen Wurzeln zählst, wirst Du dieses Buch schon bewusst ausgewählt haben!
Michael: Ja klar und es wird nicht das einzige Buch bleiben, dass wir in dieser Richtung verlegen :-)
Thomas: DAS freut mich doch sehr! Ist da denn schon was spruchreif?
Michael: Noch nicht, obwohl die Verhandlungen schon abgeschlossen sind.
Thomas: Sehr gut hat mir auch das Cover gefallen - das nicht dem Original-Cover entspricht, oder?
Michael: Nein ,unser Cover entspricht keinem der beiden US Versionen. Es ist extra für die deutsche Ausgabe gezeichnet worden.
Thomas: Wird der Zeichner auch weitere Lovecraft-Ausgaben betiteln?
Michael: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das ist meist eine spontane Entscheidung. Je nachdem was uns passend erscheint.
Thomas: Das Buch ist ja erst vor Kurzem erschienen - wie ist denn die allgemeine Lesermeinung? (Und läuft es gut?)
Michael: Derzeit haben wir sehr viele und durchaus positive Lesermeinungen erhalten, was uns natürlich sehr freut. Das Buch läuft sehr gut.
Thomas: Das ist zu wünschen. Von dem limitierten 100 Exemplaren bist Du aber abgerückt, oder? Ich als Lovecraft-Fan kann das nachvollziehen - Carmen kommt von der Edward Lee-Seite.
Michael: 100 limitierte Exemplare sind für Sammler interessant, und war das erste Versuchsprojekt des Verlags. Alle Projekte danach erfreuten sich immer größerer Nachfrage.
Thomas: Gut, weil es dann vielleicht ausverkauft wäre, wenn man darauf stößt. Gute Bücher sind mit 100 Exemplaren schnell ausverkauft ;-)
Michael: Ja, ich höre oftmals von Edward Lee Lesern, dass sie nun damit anfangen Lovecraft zu lesen :-)
Thomas: Ist es für einen kleinen Verlag nicht schwierig, in die Buchhandlungen zu kommen? Verkaufst Du mehr über Amazon, oder direkt an die Leser? Oder gibt es andere Vertriebswege?
Michael: Unser Bücher sind überall erhältlich. Buchhandlungen die sie nicht lagernd haben, können sie bestellen, größere Buchketten führen unsere Titel. Der meiste Umsatz geht über Onlineshops, darunter Amazon. Viele Leser bestellen direkt über uns, was einen Kleinverlag am besten unterstützt.
Thomas: Sicher, Amazon verlangt ziemlich happige Rabatte. Du hast ja auch eBooks im Programm - die Du auch nicht ausschließlich über Amazon vertreibst...
Michael: Es sind all unsere Romane auch als eBook verfügbar und das bei fast allen gängigen Onlineshops. Das war uns sehr wichtig, denn ich wollte hier keine Leser auf irgendwelche Geräte einschränken.
Thomas: Gibt es da auch verschiedene Formate, oder hat sich epub durchgesetzt?
Michael: Da gibt es leider verschiedene Formate, was die Umwandlung natürlich etwas erschwert, aber wir testen all unsere eBooks in allen Formaten.
Thomas: Und wie entwickelt sich der eBook-Markt im Bereich Horror?
Michael: Der eBook Markt hat seit Weihnachten enorm zugelegt. Ich vermute, diese Form von Büchern wurde anfangs total unterschätzt. Es gibt immer mehr Geräte auf denen man eBooks lesen kann. Gerade der Fantasybereich profitiert enorm.
Thomas: Wenn man bedenkt, das Heyne jetzt je eine KG von Koontz und King für 1.99 auf den Markt brachte....
Michael: Wir haben vergleichsweise niedrige eBook Preise, von 2,99Euro bis 4,99 Euro.
Thomas: Okay, der Zukunftsmarkt liegt vielleicht im eBook. Und wie steht es um das gedruckte Wort? Die Deutschen lesen immer weniger, heißt es.
Ich meine, heutzutage braucht man jede Menge Idealismus, um ausgerechnet einen Verlag aufzumachen - mit anderen Geldanlagen lässt sich bestimmt mehr verdienen!"
Michael: Ob die Zukunft in den eBooks liegt kann ich nicht sagen, wird auch noch niemand sagen können, denn dazu fehlen einfach noch die Langzeiterfahrungswerte. Derzeit ist es Mode – ein schicker Reader mit unzähligen Titeln bestückt. Gedruckte Bücher gehen bei uns aber nach wie vor gut weg.
Thomas: Bei Direktvertrieb vom Verlag kann ich mir auch gut ein Abo oder eine Flat vorstellen ... das ist ja ein neues Land, das erst erobert werden will!
Dein Verlag bekennt sich ja zum Horror, hast Du dadurch eine Marktlücke gefunden?
Michael: Wie schon oben erwähnt, verlegen wir das was wir selbst lesen und lieben. Daher interessieren uns Marktlücken oder Nischen, wie sie oft genannt werden, nicht unbedingt.
Thomas: Okay, und welche Bücher in Deinem Programm würdest Du den Lesern gerne ans Herz legen? Und warum?
Michael: Dem Leser würde ich gerne all unsere Bücher ans Herz legen :-)
Thomas: Nun gut, dann mal anders. Welchen Lesern, die Voodoo Press noch nicht kennen, würden Deine Bücher wahrscheinlich gut gefallen?
Michael: Aufgeschlossene, neugierige, gesellschaftskritische, experimentierfreudige, humorvolle, rebellische, mutige, individuelle Selbstdenker. Wir bieten Horror, Zombie, als auch Endzeitfans einiges an, und auch etwas für Leser die gerne abgedrehtes, bizarr witziges Zeug lesen. Die Science Fiction Sparte wird ausgebaut. Genre-Mix. Wir haben Bücher für Leser die gerne dauergrinsen. Und wir haben Grafik Novellen für jene die mehr auf Zeichenkunst stehen.
Wir haben für Splatter Leser sowie für Old School Horror Leser etwas. Wenn ich das anhand von Filmen beispielhaft nenne, so bieten wir ein wenig HOSTEL und viel CABIN IN THE WOODS an.
Thomas: Die Insider wissen jetzt Bescheid!
Du hast mal im Chat was von Old School Horror-Projekten gesagt. Was ist denn da geplant?
Michael: Unter Old-School Horror verstehe ich Geisterhäuser, Flüche, Monster. Wir haben z.B. Bentley Little eingeplant mit einer tollen klassischen Geistergeschichte. Von Kealan Patrick Burk wird eine Reihe um einen geistersehenden Jungen erscheinen, mit Michael Laimo haben wir klassichen Ritual Horror.
Thomas: Wirst Du auch auf Cons oder Fantreffen deinen Verlag / Dein Verlagsprogramm vorstellen?
Michael: Wir sind auf vielen Messen und Cons gewesen, wie oft wir noch dazu kommen, wird sich weisen.
Carmen: Ich würde abschließend gerne ein paar der bekloppten und typischen Fragen stellen, die in keinem Interview fehlen dürfen.
1. Welche drei Dinge (nicht Personen) würdest Du im Fall einer Apokalypse retten?
Mein Apple Notebook
Mein iPhone
Mein iPad
2. Welcher der zuletzt gesehenen Filme hat Dich am meisten beeindruckt und warum?
Cabin in the Woods (Genre Mix, Humor, Sigourney Weaver J)
3. Was kann Dich auf die Palme bringen?
Engstirnigkeit, Bürokratie, Steuern, Hochnäsigkeit, Gruppenzwang
4. Was begeistert Dich?
Meine Frau und meine Kinder, Ideenreichtum, Visionäre, Vorkämpfer, Länder und Sprachen, muscle cars, Verschwörungstheorien
Fictionfantasy bedankt sich recht herzlich bei Michael für die tiefen Einbliche in das Verlagswesen!
Wer nun neugierig auf das Verlagsprogramm geworden ist, sollte unbedingt die Internetseite von VoodooPress besuchen.
VoodooPress liefert alle Bücher kostenlos nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz!