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Interview mit Robert Preis Erik Schreiber spricht mit dem Autor Robert Preis über dessen neuen historischen Roman "Das Gerücht vom Tod" sowie den Fantasyroman "Schatten über Anderswo" |
Biographie
1972 in Graz geboren, studierte er von 1992 bis 1998 Publizistik und Ethnologie in Wien. Nebenbei arbeitete er damals als freier Mitarbeiter bei Kronen Zeitung und Rennbahn Express, absolvierte Praktika bei ORF und Kurier und jobte als Kellner, Zeitungsausträger, Küchengehilfe, bei der Müllabfuhr und als Hilfsarbeiter auf einer Weinplantage in Kanada. Danach ging er nach Osijek/Kroatien und war dort Mitbegründer des Jugendmagazins Burek. Seit 2000 ist er Redakteur der Tageszeitung Kleine Zeitung. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern im Norden von Graz.
Interview
Erik Schreiber:
Vielen Dank, Robert, dass Du Dir Zeit für ein kurzes E-mail-Interview nimmst. Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
Robert Preis:
Ich habe eigentlich immer irgendwas geschrieben. Als Kind waren es klägliche Versuche, Comics zu verfassen, später Kurzgeschichten und die Zeitungsarbeit. Mein Vater war Chefredakteur einer Soldatenzeitung und ich durfte mithelfen, in der Oberstufe ließ der Deutschlehrer mich immer meine Geschichten vorlesen. Die waren zwar meist voller Rechtschreibfehler, aber sie haben ihm gefallen. Das gab mir Selbstvertrauen. Für mich kam eigentlich nie etwas anderes in Frage, als mein Leben mit Schreiben zu verbringen.
Erik Schreiber:
Du bist also durch Deinen Vater geprägt?
Robert Preis:
Wenn es so ist, ich hätte nichts dagegen. Er war ein toller Mann, der leider vor elf Jahren viel zu früh gestorben ist.
Erik Schreiber:
Welches war Dein erstes schriftstellerisches Werk?
Robert Preis:
Ich habe 1996 einen Kurzgeschichten-Sammelband unter dem Titel Im blauen Dunst veröffentlicht (Verlag der Kunst- und Kulturwerkstätte Judenburg). Ich ging mit den 200 gedruckten Büchern im Plastiksackerl von Buchhandlung zu Buchhandlung. Dabei wurden mir fast die Illusionen genommen, obwohl: Ich schaffte es sogar in eine Auslage ...
Erik Schreiber:
Was war Dein Antrieb, genau dieses Buch zu schreiben?
Robert Preis:
Wenn Du das Buch damals meinst: Das musste einfach raus. Ich wollte wissen, wie es ist, ein Buch geschrieben zu haben.
Der Antrieb für das aktuelle Buch hat mit einem Buch davor zu tun. Ich habe steirische Sagen aufgeschrieben (Dunkle Tage, raue Nächte, Verlag Styria, 2007), dabei kam mir die Sage der Schöcklhexe unter - eine düstere Geschichte über eine verwahrloste Frau, die die Stadtbewohner einst in Angst und Schrecken versetzte. Es gab nicht viel Historisches über diese Person, nur das Faktum, dass sie rund um das Jahr 1810 auftauchte. Im Jahr davor stürmten die Franzosen den Schlossberg von Graz, also stand die abenteuerliche Rahmenhandlung für den Roman rund um die „letzte Hexe von Graz“ fest. Außerdem reizte es mich, einen historischen Roman über meine Heimatstadt zu schreiben.
Erik Schreiber:
Also ist die Schöcklhexe eine wirkliche Person. Aber es gibt nicht sehr viele Hinweise auf sie?
Robert Preis:
Genauso ist es. Alles, was ich fand, ist eine Erwähnung in der Arbeit eines Sagenforschers.
Erik Schreiber:
Wie kam es, dass Du Dich für ein historisches Thema entschlossen hast?
Robert Preis:
Das historische Thema hat mich auch deshalb so gereizt, weil die Recherche, das Kramen in alten Geschichten, ungemein aufregend ist. Die wahre Geschichte hinter der Fiktion machte es in diesem Fall noch spannender für mich. Außerdem erscheint einem auch die Heimat völlig fremd und utopisch, wenn man sich diesen Ort vor 200 Jahren vorstellt. Das war eine spannende Zeitreise für mich, und das Allerschönste wäre, wenn es den Lesern dann auch so geht.
Erik Schreiber:
Was ist das für ein Gefühl, in der Vergangenheit zu graben? Hast Du dabei auch ein wenig Ahnenforschung betrieben?
Robert Preis:
Nein, eigentlich nicht. Meine Familie kommt vom Land, meine Eltern sind Anfang der siebziger Jahre nach Graz gezogen. Aber ich hatte manchmal das Gefühl, es ist so etwas wie Ahnenforschung. Jedenfalls wäre ich froh, soviel über meine eigene Familie aus jener Zeit zu wissen.
Das Graben in der Vergangenheit übte auf jeden Fall eine riesige Anziehung auf mich aus. Mir ging es dabei aber nicht nur um die historischen Fakten. Ich wollte vor allem den Protagonisten meiner Geschichte Authentizität einhauchen, sie glaubwürdig machen. Auch wenn ich keinen typisch historischen Roman schreiben wollte, diese Recherche war notwendig. Das Gefühl dabei war großartig. Ich habe im Fundus des Schauspielhauses Kleidungsstücke anprobiert, um herauszufinden, wie es sich anfühlt mit Zweispitz und Mantel. Ein Museumsdirektor hat den Bajonett-Kampf „vorgetanzt“, und ich habe mich in Büchern verloren, die ich sonst nie entdeckt hätte. Ich habe das alles als Privileg geschätzt. Es war eine tolle Zeit.
Erik Schreiber:
Graz 1809, ist das für Dich persönlich ein besonderer Ort oder eine besondere Zeit?
Robert Preis:
Dieses Buch veranlasste mich, zum ersten Mal über meine Heimatstadt nachzudenken. Es war das erste Mal, dass ich wirklich recherchiert habe, wie es hier früher ausgeschaut haben könnte, dass ich nachgefragt habe. Ja, das Jahr 1809 ist also auch für mich persönlich zu einer besonderen Zeit geworden. Ein besonderer Ort, ein Ort voller Geschichten ist diese Stadt für mich immer schon gewesen.
Erik Schreiber:
Fühlst Du Dich Deiner Heimat jetzt "zugehöriger"?
Robert Preis:
Das vielleicht nicht gerade, denn ich habe mich nie ausgeschlossen gefühlt und will nirgendwo „dazugehören“. Aber es ist schön, besser darüber Bescheid zu wissen, warum die Dinge so sind wie sie sind.
Erik Schreiber:
Woher kam die Idee für Deine Erzählung?
Robert Preis:
Ich wollte eine spannende Geschichte schreiben, ein bisschen Action, Verfolgungsjagden, Sex und Krieg und das alles vor einem möglichst detailreich wiedergegebenen historischen Hintergrund. Dass es dann ausgerechnet diese Protagonisten wurden, hat sich weitgehend von selbst ergeben. Fest stand nur, dass ich die Geschichte der Hexe mit jener einiger Grazer aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ebenen verweben wollte.
Erik Schreiber:
Hast Du keine Angst gehabt, anhand der Daten ein Geschichtsbuch zu schreiben, so wie es vielen anderen Autoren immer wieder passiert (was der Grund ist, warum ich selten historische Romane lese)?
Robert Preis:
Ja, diese Gefahr besteht. Die Geschichte wird immer drückender, die Handlung tritt in den Hintergrund. Die Urversion von DAS GERÜCHT VOM TOD hatte auch sehr viele Absätze, in denen ich doziert habe. Die wurden gestrichen. Und ich hoffe, ich habe sie wirklich alle gefunden und gelöscht.
Beim Arbeiten am Text war es so, dass einzelne Szenen sehr bald feststanden. Ich habe teilweise also versucht, der Handlung „Geschichte zu geben“. Zum Beispiel die Szene im Kapitel „Vom Sterben“, in der die Landwehrsoldaten in dem zerschossenen Gebäude verzweifelt kämpfen. Die Kleidung, die Waffen, die Art zu kämpfen, die Art der Angst. Das alles kam erst später.
Erik Schreiber:
Fiel es Dir schwer, Dich in die Zeit hineinzuversetzen?
Robert Preis:
Ich habe von „der Art der Angst“ gesprochen. Das ist ein Bereich, der gar nicht so leicht war. Die Menschen damals hatten andere Ängste als heute. Aufs offene Land hinaus zu gehen war für viele undenkbar; Unwetter, wilde Tiere, fremde Menschen lösten ganz andere Reaktionen aus. Außerdem befand sich in diesem Sommer das Land im Krieg, zu den Ängsten des Alltags kam also noch eine weitere Ungewissheit hinzu.
Aber es ist mir eigentlich nicht wirklich schwer gefallen, mich hineinzuversetzen. Viel schwerer ist es, zu vermeiden, dass man ins historisch Erklärende verfällt und krampfhaft versucht die Recherche in die Handlung zu pressen. Das wieder herauszunehmen, kostet auch Kraft und Zeit. Mir half dabei aber die tägliche Arbeit als Zeitungsjournalist, denn da wird es zur Gewohnheit, Texte zu kürzen, allzu große Wortverliebtheiten abzulegen und knallhart bei der Sache zu bleiben.
Erik Schreiber:
Warum dieser Titel? Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Titel und Buch.
Robert Preis:
Meine Idee war, zwischen den Zeilen der Geschichte zu vermitteln, dass das Gerücht vom Tod noch schlimmer als der Tod selbst ist. Ich wollte erzählen, wie sehr das bloße Gerücht, eine Hexe sei in der Nähe, die Leute in Angst und Schrecken versetzt. Sogar mitten im Gefecht. Ganz zu schweigen von den Gerüchten, die den Franzosen vorauseilten.
Schade, dass das bei Dir so nicht angekommen ist.
Erik Schreiber:
Wie gehst Du beim Schreiben und Recherchieren vor? Bist Du mehr ein intuitiver Autor, oder planst Du jedes Detail im Voraus?
Robert Preis:
Leider plane ich nicht jedes Detail im Voraus. Ich denke wochenlang an einer Idee herum, dann schreibe ich tagelang an einer Struktur. Aber ich lege die Kapitel, die Handlungsabläufe nur oberflächlich fest. Dann fange ich an und lasse die Intuition walten. Ich weiß, dass ich mich leichter täte, so lange wie möglich im Planungsstadium zu bleiben. Im aktuellen Roman passierte es mir zum Beispiel, dass ich mitten im Schreiben zurück in die Planungsphase stolperte. Tagelang zerlegte ich das bereits Vorhandene, plante den Plot aufs Neue, änderte Figuren und Handlungsabläufe. Aber ich kam wieder auf Touren. Schreiben ist nicht immer lustig.
Erik Schreiber:
Dann ist Schreiben eine Quälerei für Dich?
Robert Preis:
Manchmal schon, ja. Das ist wie beim Laufen: Manchmal muss man sich so lange quälen, bis es wieder Spaß macht.
Erik Schreiber:
Wie lange hast Du an diesem Roman gearbeitet?
Robert Preis:
Mit der Recherche habe ich im Herbst 2007 begonnen. Zu schreiben begann ich im Frühling 2008. Im Frühling 2009 lag das Ding in der Druckerei.
Erik Schreiber:
Welches ist Deine Botschaft? Willst Du überhaupt eine erzählen?
Robert Preis:
Ich will unterhalten, nicht mehr und nicht weniger. Bei Das Gerücht vom Tod war es mir aber auch ein Anliegen, die Stadt und ihre Geschichte zu präsentieren. Nicht wie ein Historiker, vielleicht eher wie ein Reiseführer. Ich wollte den Leuten sozusagen Geschichte schmackhaft machen. Ich finde es ungemein spannend, sich in eine Zeit, in eine Lage hineinzuversetzen.
Erik Schreiber:
Dann bist Du jetzt fit als Stadtführer? Kennst die alten Karten?
Robert Preis:
So weit würde ich nicht gehen. Aber ich kenne ein paar G'schichterln und könnte mir eine Stadtführung anhand meines Romans vorstellen, ja.
Erik Schreiber:
Begonnen hast Du mit Schatten über Anderswo. Wie kam es zu diesem Buch?
Robert Preis:
Diese Geschichte ist eigentlich schon viele Jahre alt. Ich habe sie dutzende Male umgeschrieben, und sie an locker 30, 40 Verlage verschickt. In unterschiedlichsten Varianten. Gekommen ist es zu dieser Geschichte, weil ich mit meinen Kindern gerne in den Wald gehe. Und speziell dort wollen sie immerzu Geschichten hören. Einzelne Figuren aus diesem Buch, etwa die Hexen Alba Simsabim und ihre Gegenspielerin Sidonia Stockzahn, oder der Waldjunge Miniwester Moos schaffen es bis heute fast jeden Abend in die „Gute Nacht-Geschichten“-Runde.
Erik Schreiber:
Also gibt es dazu noch weitere Geschichten? Wird es noch eine Kurzgeschichtensammlung mit diesen Kindergeschichten geben?
Robert Preis:
Ja, das ist ein Vorhaben, das ganz oben auf der Liste steht. Ehrlich gesagt ist es auch fast mein Lieblingsprojekt. Leider klingt es aber einfacher, als es ist, und die Verlage reagieren auch nie sehr begeistert, wenn ich die Idee anklingen lasse. Ich befürchte fast, ich muss damit noch eine Weile warten und weiter sammeln (auch wenn mittlerweile bereits zwei Bücher daraus werden könnten).
Erik Schreiber:
Du hast zwei Kinder in den Vordergrund gestellt. Also ist es ein Jugendbuch?
Robert Preis:
Zumindest liegt es in den Buchhandlungen in dieser Abteilung.
Erik Schreiber:
Dann siehst Du es selbst nicht als Jugendbuch?
Robert Preis:
Ich denke, es gehört eher in die Fantasy-Abteilung. Aber egal, da wie dort: Die Konkurrenz ist gewaltig und Leser ist Leser. Aber wenn „Schatten über Anderswo“ vorwiegend von jüngerem Publikum gelesen wird, macht mich das nur stolz.
Erik Schreiber:
Andererseits kann man Schatten über Anderswo durchaus als ein Buch betrachten, das für Erwachsene geschrieben wurde und zum Nachdenken anregen soll.
Robert Preis:
Ja eh. Ich selbst lese oft Bücher, die andere vielleicht eher als Jugendbuch einstufen würden. Zum Beispiel Harry Potter, Tintenherz oder die Ritter der 40 Inseln, und da bin ich mir manchmal auch nicht sicher, ob die Autoren das wirklich für ganz junges Publikum geschrieben haben. Ich habe Schatten über Anderswo jedenfalls nicht unter dem Vorsatz geschrieben, unbedingt etwas für Kinder schreiben zu wollen. Ich wollte nur eine Geschichte erzählen. Manche legen mir den fehlenden Fokus auf eine Zielgruppe als Schwäche aus, ich kann es aber nicht ändern. Ich bin kein Zielgruppen-Schreiber.
Erik Schreiber:
Ein fehlender Fokus hat mich noch nie gehindert, ein Buch zu lesen. Ich persönlich mag das Schubladendenken nicht. Ein Buch ist dann interessant, wenn eine breite Masse daran Spaß hat. Oder siehst Du das anders?
Robert Preis:
Nein, ich sehe das auch so. Ich will unterhalten, und wenn mir das so richtig gut gelingt, dann sollen das auch richtig viele Leute lesen.
Aber natürlich: Es hat schon Vorteile, im Vorhinein zu wissen, für wen man schreibt
Erik Schreiber:
Du greifst bei dieser Erzählung die Träume der Kinder auf und lässt sie Wirklichkeit werden. Willst Du damit etwas Besonderes erzählen? Etwas ganz Bestimmtes erreichen?
Robert Preis:
Das Faszinierende an Träumen ist deren geheimnisvolle Existenz. Wir haben sie, können ihnen aber oft keinen Sinn abgewinnen. Manche sind hässlich, manche wunderschön. Und manche werden Wirklichkeit. Sie dienen mir also als Effekt, sorgen in der Geschichte für den Gruselfaktor und - und das ist mir besonders wichtig - sie sind in einer Gegend angesiedelt, in der der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Dieser Gedanke, dass Träume eine Gegend haben, in der sie existieren können, der hat mir gefallen.
Erik Schreiber:
Haben Balduin und Sophie lebende Vorbilder?
Robert Preis:
Sie haben viel von meinen älteren Kindern Clara und Emil, ja. Irgendwann im Lauf der Geschichte haben sie aber ihre eigene Entwicklung durchgemacht, haben sich abgenabelt. Obwohl, ich glaube, ihre lebenden Vorbilder erkennen sich manchmal schon noch in ihnen wieder.
Erik Schreiber:
Und was meinen Deine Kinder oder Deine Frau zu Deinen Büchern?
Robert Preis:
Die Kinder kennen meine Bücher nicht wirklich, nur einzelne Figuren daraus und einige Passagen, die ich immer wieder umändere, wenn ich sie ihnen erzähle. Einige Sagen kennen sie auch, weil sie bei den Lesungen ein paar Mal dabei waren.
Meine Frau ist stets meine erste und deshalb wichtigste Kritikerin. Sie war bei allen Büchern Testleserin, kennt also die Urversionen und die gedruckten Ausgaben.
Ich glaube, sie liest im Grunde lieber Krimis und Thriller, da sie aber eine ganze Menge liest, waren ihre Tipps immer sehr hilfreich. Ich weiß nicht, wie viele Wendungen und Ideen ich ihr zu verdanken habe, aber es sind mittlerweile eine ganze Menge. Wann immer es geht, ist sie auch bei den Lesungen dabei, und lange bevor ich überhaupt zu schreiben beginne, kennt sie alle meine Ideen zur Geschichte.
Erik Schreiber:
Wenn Du die Kinder agieren lässt, geschieht das in einem bestimmten Rhythmus. Etwas kommt von außen auf sie zu, sie können zuerst nichts tun, dann kommt Hilfe und eine (Teil-)Lösung kommt zustande. Absicht?
Robert Preis:
Ja. Das hat mit dieser Traum-Sache in „Anderswo“ zu tun. Träume kommen und du kannst dich in der Regel nicht gegen sie wehren. Genauso wenig können Sophie und Balduin ohne Hilfe von außen auskommen.
Ich hatte in meiner Kindheit ein Schlüsselerlebnis. Ich hatte tagelang Albträume, bis ich mir eines Tages vorgenommen hatte, mich im Traum maßlos aufzuregen und den Gegner zurechtzuweisen. Es hat funktioniert. Ich hatte diesen Traum bis heute nie mehr wieder. Sophie und Balduin wehren sich auch ab einem bestimmten Punkt. Sie laufen nicht mehr davon, sie wehren sich. Mit Erfolg.
Erik Schreiber:
Ist der Junge Moos ein wirklicher Junge oder auch nur eine (Alp-)Traumgestalt?
Robert Preis:
Gute Frage. Er war anfangs als wirklicher Junge gedacht. Als einer, der den Albträumen selbst in letzter Sekunde entkommen ist. In der Endfassung ist er aber eine Traumgestalt. Ein Junge der Bande rund um Alba Simsabim.
Erik Schreiber:
Du sprichst gerade Alba Simsabim an. Wie entstand Alba? Sie ist ja nicht nur eine 08/15-Figur.
Robert Preis:
Am Anfang war da ein wirrer Gedanke von einer bösen Albtraum-Welt, in der es jedoch einen Hort des Guten gibt. Eine Zufluchtstätte, die es zu beschützen gilt. Zu retten. Dort wohnen Kinder, die von einer weisen, gutmütigen Frau geschützt werden.
Der Name Alba stammt von Tyto alba, der Bezeichnung für Schleiereule. Ich wollte ein weises Tier für diese Figur als Namenspatron. Simsabim ist eine Variante, die aus Simsalabim entstanden ist. Dass Alba so ist, wie sie ist, hat auch damit zu tun, dass ich mir zwischenzeitlich dachte, ich mache eine Geschichte nur über sie. Von allen Figuren hatte ich mit ihr am meisten Spaß. Sie ist eine im ersten Moment zeternde, nörgelnde Frau, die aber im Grunde ihres Herzens ein wunderbarer „Mensch“ ist. Und sie kann zaubern. Wie gern hätte ich sie wirklich kennen gelernt
Erik Schreiber:
Kommen wir zu Deinem aktuellen Buch, Das Gerücht vom Tod. Wie oft warst Du seitdem auf der Burg und hast Dir vorgestellt, wie Deine Figuren dort unten herumlaufen?
Robert Preis:
Seitdem es veröffentlicht ist, gar nicht mehr so oft, aber davor habe ich dort oben und drum herum häufig vor mich hingeträumt und vielleicht sogar wie ein kleiner Bub Schlachtgesänge mitgesummt. Aber es stimmt schon: „Einfach so“ auf den Hügel hinauf kann ich nicht mehr; ich werde immer von „meinen“ Helden träumen.
Erik Schreiber:
Leben die historischen Figuren nur für Dich?
Robert Preis:
Ich hoffe nicht, denn jetzt gehören sie ja nicht mehr mir. Ich hatte sie für mich allein, so lange ich an ihnen geschrieben habe. Jetzt gehören sie allen. Hoffentlich war es nicht zu früh dafür.
Erik Schreiber: Welche Figuren aus dem Roman sind belegt, welche sind erfunden?
Robert Preis:
Die Hexe ist zumindest im Ansatz belegt. Major Hackher, der Löwe von Graz, auch, ebenso der Erzherzog und die französischen Kommandeure, die im Buch vorkommen. Es gab auch einen berühmten Arzt, der Auenbrugger hieß, und die Oberin des Klosters der Elisabethinen ist Tirolerin so wie die wirkliche Oberin dieses Klosters in jenem Jahr. Die meisten Figuren sind aber mit historischen Fakten unterlegte Erfindung.
Erik Schreiber:
Die Erzählung beginnt mit dem Mann Matthäus, wechselt aber immer wieder zu anderen Personen. Sollte Matthäus die Hauptfigur werden? Für mich erscheint er etwas "leblos". Er ist gut beschrieben, aber ... da fehlt etwas, ohne dass ich es genau benennen könnte.
Robert Preis:
Ich wollte ihn und Albert Mohr dieses Abenteuer nicht allein durchstehen lassen und habe den beiden noch zwei Freunde hinzugefügt. Möglicherweise hat der eine oder andere für Dich dadurch an „Farbe“ verloren...
Erik Schreiber:
Kann Literatur die Welt verändern?
Robert Preis:
Sie kann zumindest die Interessen, die Träume und die Fantasien der Einzelnen verändern. Und damit wohl auch die ganze Welt, ja.
Erik Schreiber:
Welche Bedeutung hat Literatur für Dich?
Robert Preis:
Ich lese ständig an einem Buch, stecke immer in einer Geschichte. Nirgendwo fühle ich mich wohler und kenne mich besser aus, als in Buchhandlungen. Ganz abgesehen davon, dass ich immer an einer eigenen Geschichte tüftle. Ich schätze also, die Bedeutung ist für mich immens.
Erik Schreiber:
Was kommt von Dir als Nächstes?
Robert Preis:
Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht. Drei, vier Ideen schwirren herum, manche sind schon sehr konkret, andere weniger. Aber es geht sicher wieder um ein Abenteuer auf Leben und Tod. Und um Erlebnisse und Figuren, die unheimlich sind.
Erik Schreiber:
Vielen Dank Robert, für Deine ausführlichen Antworten. Ich wünsche Dir alles Gute für Deine weiteren Vorhaben.