Interview mit dem Autor Stefan Radoi auf der Buchmesse 2010 in Frankfurt am Main.
Das Interview führte Jürgen Eglseer
Jürgen Eglseer
Vielen Dank, dass du dich zu einem Interview bereit erklärt hast. Erzähle doch dem Leser etwas über dich selber.
Stefan Radoi
Ich bin 32 Jahre alt, arbeite als Einzelhandelskaufmann, bin jedoch nicht so ganz mit der derzeitigen Arbeitssituation zufrieden und arbeite deswegen schon seit mehreren Jahren nebenher an verschiedenen Skripten. Die Schreiberei habe ich in der Schulzeit entdeckt, dort die ersten Fantasien niedergeschrieben. Seit es leichter ist, seine eigenen Werke zu veröffentlichen, wie beispielsweise über Books on Demand, habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt - 2006 erschien „Meine Verbrechen“ und jetzt 2010 eben „Susannah – Die Highland-Königin“.
Jürgen Eglseer
Was ist deine Motivation zu schreiben?
Stefan Radoi
Ich rede gerne (lacht), der Freundeskreis und die Familie kann es bald nicht mehr hören ... Ich habe wahnsinnig viel Fantasie und es befriedigt nicht, sie nur mit einer Person zu teilen. Als Kind habe ich begonnen, Rezensionen zu Filmen zu schreiben – nur für mich, das war noch nichts für eine Veröffentlichung. In der Schule schrieb ich dann sehr gerne Aufsätze. Ich bin kein großer Dialog-Verfasser, mein Ding ist es eben, Geschichten zu erzählen.
Jürgen Eglseer
Ist es ein Ziel, das Schreiben zu einem Beruf werden zu lassen, davon leben zu können?
Stefan Radoi
Definitiv ja, aber nicht um des Geldes Willen, sondern um unabhängig zu sein von Vorgesetzten oder den Meinungen anderer. Zu machen, wonach mir ist, worauf ich Lust habe. Es ist ja nicht nur das Schreiben selbst, es kommt ja alles mögliche Kreative dazu: Malen zum Beispiel. Das Cover von „Susannah“ stammt beispielsweise auch von mir. Gerade habe ich meine erste Postkarten-Edition herausgebracht mit „Stefan dem Wollschaf“, einer Comic-Figur aus meiner Feder. Natürlich gibt es diesen Traum, davon leben zu können, aber ich rechne nicht damit, gleich Millionär zu werden ...
Jürgen Eglseer
... der Weg zum Hohlbein ist noch weit ...
Stefan Radoi
... ja genau. Aber dass es diese Gelegenheit überhaupt gibt, dass man als Unbekannter schreiben und veröffentlichen kann, das ist als Hobby ganz witzig. Wenn von anderen Leuten, die sonst wo in der Welt wohnen, über Facebook zum Beispiel eine Kritik, ein Feedback zurückkommt, dann ist das ... Ja, wow!
Dass das, was ich mache, erstmal wahrgenommen und gewürdigt wird, ist schon mal ein guter Anfang.
Jürgen Eglseer
Ist es nicht auch ein Risiko, beispielsweise über Books on Demand ein Buch zu veröffentlichen und dabei selbst viel privates Geld in das Projekt hineinzustecken?
Stefan Radoi
Im Laufe der Jahre sind die Einstiegspreise bei Books on Demand ja reduziert worden. Für das erste Buch habe ich noch 450 Euro gezahlt, das hat sich natürlich nie gerechnet. Aber mir war wichtig, das Projekt „Meine Verbrechen“ abzuschließen. Primär, um auch für mich selbst zu sehen, dass ich etwas von Anfang bis Ende durchziehen kann. Das Geld war da und ich habe es eben statt für etwas anderes für dieses Buch verwendet. Und mittlerweile kostet die günstigste Veröffentlichung bei BoD 40 Euro.
Ich bin in der glücklichen Lage, in der Verwandtschaft eine Grafikerin zu haben, die mir bei der Gestaltung des Covers und beim Layout geholfen hat. Wenn ich eine Idee habe, kann sie sie sehr gut umsetzen, das passt hervorragend. Die Nachteile einer Veröffentlichung auf eigene Faust sieht man jetzt so nach und nach. Beispielsweise ist das Platzieren von Werbung oder Buchbesprechungen im Internet oder in Printmedien nicht so einfach, wie man sich das vorstellt.
Das finanzielle Risiko einer Veröffentlichung an sich ist also gering, wobei man bei BoD immer Inhaber sämtlicher Rechte bleibt, selbst bestimmt, was und wie es gedruckt wird.
Der Wunsch, mit einem großen Verlag zusammenzuarbeiten, ist trotzdem vorhanden, schließlich hat ein solcher ganz andere Möglichkeiten, nicht nur in Bezug auf Marketing-Strategien. Die bisherigen Bücher sehe ich als Wegbereiter, als Türöffner. Ich denke mir, dass ein Verlag einem wirklich Unbekannten ablehnender gegenübersteht als jemandem, der schon etwas vorweisen kann.
Jürgen Eglseer
Hast du Vorbilder im Bereich der Autoren?
Stefan Radoi
Natürlich, Stephen King zum Beispiel. Es ist schon faszinierend, wie man mit teilweise ganz schön kranken Fantasien großen Erfolg haben kann.
Oder Will Elliot aus Australien. Er ist so alt wie ich und hat vor zwei Jahren dieses Hammerbuch „Hölle“ („The Pilo Family Circus“) [meinst du das hier???] herausgebracht und Unmengen Awards gewonnen. Natürlich ist ein wenig Neid dabei, aber es ist nur cool zu sehen – andere schaffen es auch!
Alex Kava, meine Lieblingsautorin. Die Figuren in ihren Geschichten sind so lebendig, die Plots ihrer Thriller so fesselnd, ich verschlinge jedes neue Buch noch am Tag des Kaufs. Dank Facebook stehen wir sogar in lockerem, aber persönlichen Kontakt. Durch sie bin ich an eine andere Autorin gekommen, Patricia Bremmer, die „nur“ Mutter ist und nebenbei schreibt, mittlerweile acht Romane veröffentlicht hat und sehr erfolgreich ist.
Alles ist also möglich. Irgendwann wird es klappen, davon bin ich überzeugt. Wenn nicht mit „Susannah“, dann mit dem nächsten oder dem übernächsten Buch.
Jürgen Eglseer
Du hast in deiner Vorstellung im Buch geschrieben: „Die Zeit des Wehrdienstes war eine äußerst kreative Phase“. Wie soll man das denn verstehen?
Stefan Radoi
Die ersten zwei Monate Grundausbildung waren es natürlich nicht, da hatte ich mit mir selbst zu tun – mit Sport, mit Überleben (lacht). Ich bin dann zu den Sanitätern gewechselt und ich weiß noch, die Kurzgeschichten um „Henry“ sind im Krankenwagen auf einer Übung entstanden, da wir vor lauter Langeweile nicht wussten, was wir machen sollten. Plötzlich war ein Goldfisch Protagonist und innerhalb kurzer Zeit waren zwei, drei Geschichten fertig.
Jürgen Eglseer
Tiergeschichten scheinen ein Trend zu sein, es gibt Schafe, die Kriminalgeschichten und Katzen, die Fantasyabenteuer erleben, nun auch Goldfische ....
Stefan Radoi
„Henry“ entstand ja schon früher, also 1996. Es sollen aber zukünftig auch neue Kurzgeschichten in der Art von „Mein Verbrechen“ zum Thema „Tiere“ entstehen, mal sehen, was Meerschweinchen alles anstellen können ...
Jürgen Eglseer
Zum Buch selber – du hast angedeutet, dass du einige Zeit damit beschäftigt warst. Wie lange denn?
Stefan Radoi
Oh ja, insgesamt 11 Jahre. Ich begann damals im Verwaltungsstudium mit den ersten englischen Reimen – wieder viel Zeit vor lauter Langeweile ... Dann folgten Jahre des Liegenlassens, der Unterbrechungen. Erst die letzten zwei Jahre arbeitete ich intensiv daran.
Susannah ist eine meiner besten Freundinnen, die auch wirklich in Schottland wohnt. Jeder Charakter, der in diesem Buch vorkommt, ist irgendwo mit ihrem Leben verwoben. Ich habe das Buch zuerst in englischer Sprache geschrieben und dann ins Deutsche rückübersetzt, was manchmal etwas hölzern klingt, obwohl ich als Deutscher eigentlich am besten hätte wissen müssen, was genau ich ausdrücken wollte.
Jürgen Eglseer
Das ist mir auch aufgefallen, dass das Englische ausgereifter klingt als die deutsche Version.
Stefan Radoi
Ja, das Deutsche klingt sehr nach „reim dich oder ich fress dich“, das gebe ich zu. Eigentlich sollte das Buch nur auf Englisch erscheinen, aber das liest in Deutschland dann wieder keiner und deshalb habe ich es eben so umgesetzt.
Jürgen Eglseer
Es fällt auf, dass einige englische Passagen gar nicht ins Deutsche übernommen werden, der englische Text ist ausführlicher ...
Stefan Radoi
Ja, ich wusste, dieses und jenes wollte ich ausdrücken und konnte es nicht ins Deutsche übersetzen. Es hat einfach nicht gepasst. Heutzutage kann eigentlich jeder auch Englisch und so kann sich jeder Leser sowohl der einen als auch der anderen Version widmen, je nach Belieben.
Jürgen Eglseer
Wäre es durch die Zweisprachigkeit eine passende Schullektüre?
Stefan Radoi
Ich habe demnächst die Möglichkeit, in einer 9. Klasse zu lesen. Aber es war keine Absicht, das Buch als Schullektüre zu veröffentlichen. Dass es jetzt so kommt, finde ich dennoch toll!
Jürgen Eglseer
Was mir bei der deutschen Version aufgefallen ist – du bleibst nie bei einem Versmaß.
Stefan Radoi
Ich weiß - ich weiß aber nicht, warum. Ich hab das irgendwie nie rausbekommen. Im Englischen ging das alles einfacher. Es hat auch nichts mit dem Inhalt zu tun, es ist einfach so reingerutscht. Ich habe noch versucht, das mit den Versanfängen etwas abzurunden, aber na ja ...
Jürgen Eglseer
Warum malst du gesichtslos?
Stefan Radoi
Weil ich keine Gesichter zeichnen kann. Die Bilder, die ich nebenbei male und verkaufe, sind alle ohne Gesichter. Ich weiß, wie die Person aussieht oder auszusehen hat und wenn ich da ein Gesicht reinmale, ist es diese Person nicht mehr. Außerdem soll jeder für sich selbst die Gelegenheit haben, das Gesicht, das er sich vorstellt, dort reinzuprojizieren.
Jürgen Eglseer
Was kommt als nächstes von dir?
Stefan Radoi
Zunächst ist ein Kindermalbuch geplant. Ich kann mit kleinen Kindern zwar nicht so gut umgehen, aber ich möchte dazu beitragen, dass sie mehr von ihrer Umwelt wahrnehmen. Die Bücher, es werden mehrere werden, sind so konzipiert, das die Eltern zusammen mit ihren Kindern den Inhalt erarbeiten müssen. Ich will die Eltern dazu bringen, sich wieder mehr mit ihren Kindern zu beschäftigen und letztere von verschiedenen seltsamen Dingen – wie zum Beispiel: die Kuh ist lila – abzubringen. Wenn ein Kind sagt, dass es nicht weiß, wie eine Karotte aussieht, dann ist das nur furchtbar.
Jürgen Eglseer
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für deine Zukunft!
Hier geht es zur Rezension von Stefan Radois Roman "Susannah: The Highland Queen / Die Highland-Königin"
Stefan Radoi und Jürgen Eglseer beim Interview auf der Buchmesse 2010 auf kalter Steinmauer
Copyright der Fotos: Jan-Gerrit Appel