Interview mit Brian Keene

Es ist immer wieder schön, mit einem Autor Kontakt aufzunehmen und ihm Fragen zu stellen. Auf diese Weise lernt man mehr über den Mann oder die Frau, die hinter dem Buch steckt. Und manchmal gelingt es und man lernt die entsprechenden Personen etwas besser kennen. So auch bei Brian Keene.
Gleichzeitig ein großes Dankeschön an Michael Krug, der die Übersetzung vorgenommen hat. Nicht nur für das Buch, sondern auch für das E-mail-Interview.

Ein Beitrag von Erik Schreiber
(weitere Rezensionen von Erik Schreiber auf fictionfantasy findet man hier)

Erik Schreiber:
Hallo Brian, es freut mich, dass du die Zeit findest, ein paar Fragen von mir zu beantworten. Ist dir das nicht lästig, immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu müssen?
Brian Keene:
Ist mir ein Vergnügen, Erik. Was immer gleiche Fragen angeht, es stört mich nicht, sie für meine deutschen Leser zu beantworten. Schließlich ist ein Großteil davon für sie noch neu.
Erik Schreiber:
In den beiden Romanen THE RISING und CITY OF DEAD, die in Deutschland als ein Buch erschienen, befindet sich Jim auf der Suche nach seinem Sohn. Ein wenig erinnert mich dieses Szenario an das Buch DAMNATION ALLEY (Deutsch: Straße der Verdammnis) von Roger Zelazny. Siehst du Verbindungen zwischen beiden Werken?
Brian Keene:
Möglich, obwohl ich denke, dass sich solche Suchen in den meisten postapokalyptischen Büchern finden - in Stephen Kings THE STAND, Robert R. McCammons NACH DEM ENDE DER WELT, David Brins POSTMAN und sogar zu einem gewissen Grad in Mathesons I AM LEGEND. In einem solchen Umfeld muss man den Charakteren einen Grund geben weiterzumachen. Wenn die Welt am Ende ist, warum sollten sie sonst weiterkämpfen und weitersuchen? Sie brauchen einen Grund. Im Fall von DAS REICH DER SIQQUSIM ist der Grund des Vaters zuerst die Suche nach seinem Sohn und dann der Versuch, Unheil von seinem Sohn abzuwenden. Sonst hätte es keinen Grund für ihn gegeben, je seinen Bunker zu verlassen, und es wäre ein ziemlich langweiliges Buch geworden (lacht).
Erik Schreiber:
Die Geschichte ist, reduziert auf das Wesentliche, eine Erzählung die auf der Beziehnung Vater - Sohn aufbaut. War das Absicht?
Brian Keene:
Auf jeden Fall. Ich bin selbst Vater. Als ich das Buch schrieb, hatte ich erst kürzlich eine Scheidung durchgemacht und war von meinem Sohn getrennt (er und seine Mutter zogen in einen anderen Teil des Landes). Ich konnte mich also definitiv mit der Verzweiflung der Hauptfigur identifizieren. Tatsächlich kam mir die Idee zu dem Buch an einem Wochenende, an dem ich unterwegs war, um meinen Sohn zu besuchen. Es war eine lange Fahrt, und es tobte ein schlimmer Schneesturm. Wegen all des Schneefalls wurden die Autobahnen gesperrt. Trotzdem bin ich weitergefahren, habe mich geweigert anzuhalten. Ich fragte mich, welche Situation mich dazu bewegen könnte, umzukehren und aufzugeben, und mir fiel keine ein. Ich fing an, mir verschiedene Szenarien zu überlegen. Irgendwann kam ich dabei auf Zombies und dachte: "Hey, das könnte ein lustiges Buch abgeben!"
Erik Schreiber:
Hat dich der Erfolg deiner Bücher überrascht?
Brian Keene:
Hat er (genau wie der Erfolg der nachfolgenden Bücher). Ich bin schon mein ganzes Leben lang ein Fan des Genres, und hätte mir jemand als Kind gesagt, dass ich eines Tages meinen Lebensunterhalt darin verdienen und den Menschen dieselbe Art Bücher bieten würde, die ich genoss, hätte ich es nie geglaubt.
Erik Schreiber:
Erhältst du Nachrichten von deinen Lesern, und was meinen sie?
Brian Keene:
Oh, sicher. Hier in den USA wurde DAS REICH DER SIQQUSIM in zwei Einzelbänden veröffentlicht, und das Ende von AUFERSTEHUNG hat zu einer Menge wütenden E-Mails von Leuten geführt, die nicht glauben konnten, dass das Buch mit etwas endete, das sie als Cliffhanger empfanden. Auch auf das Ende des zweiten Bands gab es starke Reaktionen. Aber zum größten Teil scheinen die Leute Freude daran zu haben, und das macht mich glücklich.
Erik Schreiber:
Besuchst du Conventions? Wenn ja, was gefällt dir daran?
Brian Keene:
Ja. Ich liebe Fan-Conventions. Ich liebe es, meine Leser kennen zu lernen und mit ihnen zu reden, meine Helden und Kollegen zu treffen, Geld für cooles Zeug auszugeben - Filme, Comics und Bücher. Wie gesagt, ich war schon lange ein Fan, bevor ich zu schreiben anfing, und im Herzen bin ich immer noch ein Fan.
Erik Schreiber:
In wie vielen Ländern erscheinen deine Bücher bzw. in wie viele Sprachen wurden deine Bücher inzwischen übersetzt?
Brian Keene:
Englisch (natürlich) sowie Deutsch, Spanisch und eine Geschichte ins Rumänische.
Erik Schreiber:
Erhältst du auch Rückmeldungen aus dem Ausland von deinen Lesern?
Brian Keene:
Ja, wenngleich nicht so viel wie von Lesern in den USA und Großbritannien. Ich würde nur allzu gern mehr Rückmeldungen von meinen deutschen Lesern bekommen, aber ich leide an der Sprachbarriere. In der Highschool hatte ich zwar ein Semester Deutsch, und als ich bei der Navy war, habe ich Kiel besucht, aber alles, woran ich mich erinnere, ist, wie man "Guten Tag" sagt (lacht). Ich hoffe, vielleicht 2009 zu einigen Signierstunden nach Deutschland zu kommen; ich schätze also, davor werde ich noch lernen müssen, ein paar Dinge mehr zu sagen.
Erik Schreiber:
Bist du Fan von George Romero oder John Carpenter?
Brian Keene:
Ich bin ein großer Fan von beiden und hatte schon das Glück, George kennen zu lernen und mit ihm über Zombies zu plaudern.. ZOMBIE und Carpenters DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT sind wahrscheinlich die beiden Filme, die im Jugendalter zusammen mit Don Coscarellis DAS BÖSE den größten Einfluss auf mich hatten.
Erik Schreiber:
Was gefällt dir besonders an ihren Filmen?
Brian Keene:
Nun, bei den dreien, die ich erwähnt habe, denke ich, dass sie auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Als ich jung war, mochte ich sie rein wegen ihres Unterhaltungswerts. Als ich älter wurde, mochte ich sie wegen des deutlichen Einflusses, den sie auf mich hatten. Und jetzt, da ich noch älter bin, mag ich sie wegen des Einflusses, den sie auf das ganze Genre hatten. Sowohl ZOMBIE als auch DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT enthalten wunderbare soziale Aussagen, die mir entgangen sind, als ich jünger war. Aber als Erwachsener fallen sie mir auf, und ich schätze diese unterschwelligen Themen.
Erik Schreiber:
Aber eigentlich will ich darauf hinaus, hast du die beiden oder einen als Vorbild?
Brian Keene:
Sicher. Ich denke, das kann man so ohne weiteres sagen. Ich glaube, jeder meines Alters, der aktuell im Genre arbeitet, betrachtet sie wahrscheinlich (zusammen mit den Werken Stephen Kings) als Vorbilder. Ich wüsste nicht, wie es anders sein könnte. Sie haben uns beeinflusst. Und ich bin sicher, Stephen King und George Romero würden dasselbe über Richard Matheson und H.P. Lovecraft sagen.
Erik Schreiber:
Kennst Du J. T. McIntosh und sein Buch THE FITTEST von 1955? Es bestehen durchaus Ähnlichkeiten zu deinen Büchern. Brian Keene:
Nein, damit bin ich nicht vertraut. Ist es noch lieferbar? Wenn ja, muss ich mir das mal ansehen.
Erik Schreiber:
Woher kommt der Begriff Siqqusim?
Brian Keene:
Es ist ein biblisches Wort. Die alten Hebräer, Babylonier und Sumerer glaubten alle an eine Rasse von Geistern, die Besitz von den Körpern Toter ergreifen und aus den Mündern der Leichen wahrsagen konnten. Angeblich nisteten sich diese Geister in die Köpfe der Toten ein. Ich habe diesen Mythos für die Bücher für meine Zwecke adaptiert.
Erik Schreiber:
Siehst du die Welt tatsächlich so düster, wie du sie mit der Endzeitstimmung beschreibst?
Brian Keene:
Nein, ich versuche, das nicht zu tun. Aber die Dinge haben sich verschlechtert, vor allem hier in den USA. Viele Amerikaner finden, dass unsere Regierung außer Kontrolle geraten ist und uns mit Riesenschritten der Zerstörung zuscheucht. Hier bei uns leben wir in einer sehr düsteren Zeit. Vielleicht habe ich unterbewusst etwas davon angezapft. Aber dann spiele ich mit meinem Hund, verbringe Zeit mit meiner Familie oder gehe draußen spazieren, und plötzlich erscheint mir alles nicht mehr so schlimm.
Erik Schreiber:
Glaubst du, dass die Welt so düster enden wird, wie du sie beschreibst?
Brian Keene:
Wahrscheinlich nicht. Aber sie wird früher oder später enden, wenn die Sonne in einer Supernova untergeht. Ich glaube, das soll in sieben Milliarden Jahren passieren, oder? Also, darauf können wir uns noch freuen (lacht).
Erik Schreiber:
Der letzte Mensch auf Erden als Geschichte ist ja nicht neu. Aktuell gerade die Verfilmung I AM LEGEND im Kino. Wärest du gern der letzte Mensch auf Erden?
Brian Keene:
Eigentlich nicht, denn ich schreibe geradezu zwanghaft, und ich würde immer noch jeden Tag schreiben, nur würde es niemanden mehr geben, der meine Bücher liest. Andererseits muss man auf der positiven Seite sagen, dass ich als letzter Mensch auf Erden eine Menge mehr Schlaf abbekommen würde.
Erik Schreiber:
Könntest du dir vorstellen, deine Erzählungen als Comic zu sehen, und wen würdest du als Zeichner bevorzugen?
Brian Keene:
Klar. Drei meiner Kurzgeschichten wurden bereits zu einem Comicroman namens BRIAN KEENE'S FEAR adaptiert. Die Geschichten wurden von Nate Southard adaptiert und von verschiedenen Künstlern illustriert. Aber ich denke, wenn ich mir beliebige Künstler auf diesem Planeten aussuchen könnte, würde ich mich für Steve Dillon (PREACHER, HELLBLAZER, PUNISHER) oder Jacen Burrows (der eine Menge für Avatar macht) entscheiden.
Erik Schreiber:
Was fasziniert dich am Horror? Was ist das Beste und was das Schlechteste am Horror?
Brian Keene:
Ich weiß ehrlich nicht, was mich an diesem Genre so anzieht. Ich weiß nur, dass es (zusammen mit Science Fiction und Fantasy) meine Lieblingsform von Geschichten ist, seit ich klein war. Das Beste? Sind Werke, die Pionierarbeit leisten oder alte Ideen aufgreifen und in frischer, neuer Form präsentieren. Das Schlechteste? Werke, die das nicht tun. Werke, die bloß wiederholen, was andere vorgemacht haben, ohne das Genre in neue Richtungen zu führen.
Erik Schreiber:
Hast Du Vorbilder in der Literatur?
Brian Keene:
Viele, aber um Platz zu sparen, nenne ich mal nur die Top 5 meiner Liste: Stephen King (logisch), Richard Laymon, Hunter S. Thompson, Edward Lee und HP Lovecraft.
Erik Schreiber:
Wie kamst Du auf die Idee zu DER LANGE WEG NACH HAUSE?
Brian Keene:
Zu dem Zeitpunkt war Belletristik, die auf der biblischen `Entrückung' basiert, sehr populär, aber die Geschichten wurden alle aus einer christlich-evangelikalen Perspektive erzählt. Ich dachte, es könnte interessant sein, die Geschichte aus weltlicher Sicht zu erzählen.
Erik Schreiber:
Man findet hier in diesem Buch Anklänge an biblische Schriften. Hast Du darin vorher gelesen?
Brian Keene:
Habe ich. Ich bin in einer religiösen Familie aufgewachsen, deshalb kenne ich die Bibel ziemlich gut. Und als junger Mann habe ich zudem die meisten anderen großen Religionen studiert.
Erik Schreiber:
Wie kamst du auf die 144.000 Auserwählten der Trübsal?
Brian Keene:
Laut den Leuten, die glauben, dass ein Ereignis wie die Entrückung tatsächlich eintreten wird, sollen angeblich 144.000 Menschen zurückbleiben - eine Art Armee Gottes, wenn man so will -, die gegen den Antichrist kämpfen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil jenes Mythos; deshalb fand ich, dass ich ihn in meine eigene Version davon einbauen sollte.
Erik Schreiber:
Wie schreibst du? Im stillen Kämmerlein, mit inspirierender Musik oder nur als Hintergrundmusik?
Brian Keene:
Ich schreibe jeden Morgen ab 07:00 Uhr, mache mittags eine Pause zum Essen, setze mich um 13:00 Uhr wieder an die Arbeit und schreibe weiter bis 17:00 Uhr. Ich habe auf meinem Grundstück ein Büro, aber ohne Anschluss ans Haus, also ist es sehr abgeschieden. Für gewöhnlich laufen im Hintergrund Musik oder der Fernseher, meist ein Nachrichtensender oder etwas in der Art. Aber das hält sich alles im Hintergrund.
Erik Schreiber:
Was bedeuten Auszeichnungen für dich?
Brian Keene:
Sie sind nett. Es fühlt sich gut an, von Kollegen und der Branche insgesamt anerkannt zu werden. Aber letzten Endes ist die schönste Belohnung eine Nachricht von einem Leser, der meine Bücher mag. Das würde ich weiteren Auszeichnungen vorziehen.
Erik Schreiber:
Liest du die Buchbesprechungen, die zu deinen Werken geschrieben werden und wenn ja, wie gehst du damit um?
Brian Keene:
Früher habe ich das getan, jetzt nicht mehr so sehr, aber das liegt daran, dass mir schlicht die Zeit dafür fehlt. Mittlerweile kursieren wesentlich mehr Buchbesprechungen als früher, und ich habe keine Zeit, sie alle zu lesen. Generell denke ich, dass Rezensionen die Meinung einer Person widerspiegeln. Ich habe kein Problem mit kritischen Rezensionen, solange sie mit ihrer Kritik aufschlussreich sind. "Dieses Buch ist scheiße" ist nicht hilfreich. "Dieses Buch ist scheiße, weil das Grundgerüst unmöglich ist und die Charaktere zweidimensional sind" hingegen ist sehr hilfreich. Hilfreiche Kritik dieser Art greife ich auf und berücksichtige sie bei meinem nächsten Buch. Ich denke, bis zu einem gewissen Grad sollten das alle Schriftsteller tun. Es hilft, sich zu verbessern.
Erik Schreiber:
Kennst du die Übersetzungen?
Brian Keene:
Nein, ich kann weder Spanisch noch Deutsch lesen. Aber nach allem, was ich höre, leistet Michael Krug großartige Arbeit, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es großartig ist, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich mag ihn und respektiere ihn sehr. Ich bin also sicher, dass er tolle Arbeit leistet und meine Zombies nicht in Schoßhündchen oder so etwas verwandelt (lacht).
Erik Schreiber:
Was meinen die ausländischen Fans? Sind sie im Großen und Ganzen der Meinung wie deine Landsleute oder gibt es Unterschiede in den Reaktionen?
Brian Keene:
Ich würde sagen, die Reaktionen sind so ziemlich dieselben. Die Fans scheinen unabhängig von ihrer Nationalität denselben Geschmack zu haben.
Erik Schreiber:
Was machst du, um zu entspannen? In Warenhäuser gehen und Menschen erschrecken?
Brian Keene:
Ja! (Lacht.) Ich lese gern. In meinem Büro habe ich eine ziemlich große Bibliothek. Ich sammle Comics. Abends genieße ich gern eine gute Zigarre und ein Glas Bourbon. Wir leben auf dem Land, und ich spaziere gern durch den Wald oder angle auf meinem Hinterhof (durch unser Grundstück fließt ein Bach mit Forellen). Ich bin gern mit meinen Freunden zusammen, um uns gemeinsam Horrorfilme anzusehen oder einfach ein paar Bier zu trinken und uns über das zu unterhalten, was uns gerade in den Köpfen herumgeht.
Erik Schreiber:
Vielen Dank für deine Antworten Ich wünsche dir noch viel Erfolg und dass Michael noch viele Bücher von dir übersetzen kann.
Brian Keene:
Auch ich bedanke mich, Erik! Ich weiß die Unterstützung sehr zu schätzen.

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