Interview mit Bettina Schaub und Julia Röhlig / Beltz Verlag

Der Verlag und seine Geschichte
Das Kinder- und Jugendbuchprogramm Beltz & Gelberg mit den Labels Parabel und Der KinderbuchVerlag gehört zur Verlagsgruppe Beltz, unter deren Dach führende psychologische und pädagogische Fachverlage versammelt sind. Das ambitionierte Programm, dessen Anspruch es war und ist, auch für die junge Zielgruppe literarisch und künstlerisch anspruchsvolle Bilder-, Kinder- und Jugendbücher anzubieten, wird bis heute mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet.
Die Anfänge des Hauses gehen ins Jahr 1841 zurück, als Julius Beltz im thüringischen Langensalza ein Druck- und Verlagshaus errichtet. Nach der Enteignung durch die DDR wird das Unternehmen 1949 in der Bundesrepublik neu aufgebaut. 1971 gründet Verleger Dr. Manfred Beltz Rübelmann gemeinsam mit Hans-Joachim Gelberg innerhalb der Verlagsgruppe Beltz das Kinder- und Jugendbuchprogramm Beltz & Gelberg. 1986 entsteht das Taschenbuch-Programm Gulliver. 2002 erwirbt Beltz die Buchrechte der früheren Verlagsgruppe Middelhauve mit Autoren wie Leo Lionni und Helme Heine. Parabel und Der KinderbuchVerlag werden unter eigenem Label fortgeführt. 2004 entsteht die Taschenbuchreihe für Bilderbücher MINIMAX.

Programm
Im Programm des Autorenverlags ist von Anfang an vom Bilderbuch über das Kinder- und Jugendbuch bis zum Sachbuch die gesamte Bandbreite der Kinder- und Jugendliteratur vertreten. Viele Autoren und Illustratoren, die heute aus der Kinder- und Jugendliteratur nicht mehr wegzudenken sind, hat Beltz & Gelberg entdeckt: Peter Härtling, Christine Nöstlinger, Tonke Dragt, Mirjam Pressler, Klaus Kordon, Josef Guggenmos, Janosch, Nikolaus Heidelbach, Jutta Bauer, Axel Scheffler. Starke neue Namen sind in den letzten Jahren dazugekommen: Wieland Freund, Martina Wildner, Ingo Siegner und Joshua Doder, die phantastischen Titel von Kenneth Oppel und Sergej Lukianenko, die „Warrior Cats“-Reihe von Erin Hunter, die historischen Abenteuerromane von Arnulf Zitelmann und Jürgen Seidel, die mit feinem Strich erzählten Bilderbücher von Philip Waechter. Schwerpunkte im Sachbuch sind die viel gelesenen Biografien u. a. von Maren Gottschalk und Alois Prinz sowie in Kooperation mit Brockhaus, die neue Reihe „Live dabei“. Einzeltitel wie „Die Deutsche Geschichte“, erzählt von Manfred Mai, oder „Die Türkei - Politik, Religion, Kultur“ von Cem Özdemir runden das Programm ab.
Bei Beltz & Gelberg, später oft bei Gulliver als Taschenbuch erscheinen die Jugendbücher mit phantastischem Einschlag. Bei einem persönlichen Gespräch standen mir freundlicherweise Bettina Schaub (Presse) und Julia Röhlig (Lektorat Jugendbuch) Rede und Antwort.

Erik Schreiber:
Die Verlagsgruppe Beltz wurde 1841 gegründet, 1971 wurde das Programm Beltz & Gelberg vom damaligen Verleger Dr. Manfred Beltz-Rübelmann und Hans-Joachim Gelberg gestartet. Dazwischen liegen 130 Jahre. Können Sie mir etwas über diese Zeit erzählen?

Bettina Schaub:
Julius Beltz gründete als Erstes eine Buchdruckerei im thüringischen Langensalza; einige Jahre später kamen eine Buchhandlung und dann das "Verlagsgeschäft Julius Beltz" dazu, das vor allem Lehrbücher. Kurz nach der Jahrhundertwende erschien mit "Die Volksschule" die erste Zeitschrift, aus der sich rasch der Schulbuch- und Zeitschriftenverlag entwickelte. 1949 beginnt der Verlag in Weinheim neu, als Offsetdruckerei und pädagogischer Verlag. Später kommen Psychologie, Sachbücher und Ratgeber hinzu. Anfang der 70er Jahre gründen Verleger Dr. Manfred Beltz-Rübelmann und Hans-Joachim Gelberg das Kinder- und Jugendbuchprogramm Beltz & Gelberg.

Erik Schreiber:
Hans-Joachim Gelberg veränderte ab 1971 die Maßstäbe der Kinder- und Jugendliteratur. Welche Änderungen nahm er vor? Sind diese heute noch gültig oder wurden bereits weitere Veränderungen durchgeführt?

Bettina Schaub:
Hans-Joachim Gelberg hat wirklich Maßstäbe gesetzt. Er hat die Kinder- und Jugendliteratur massiv verändert. Beltz & Gelberg war einer der allerersten Verlage, der Themen, die im Kinder- und Jugendbuch bis dahin gar nicht vorkamen, zur Sprache gebracht hat: Alltag und Familienleben von Kindern, Außenseiter, Alter, Tod wurden realistisch und ungeschönt beschrieben. Wo leben Kinder, wie sieht ihre Umwelt aus und in was für einem Umfeld bewegen sie sich? Was sind die Probleme, die sie in der Schule haben, die sie in einer Gruppe oder mit den Eltern haben? Bis zu diesem Zeitpunkt waren Kinderbücher eher Heile-Welt-Geschichten und Abenteuerromane. Das hat Beltz & Gelberg verändert.

Erik Schreiber:
Da kamen also auch Themen wie erste Liebe dazu?

Bettina Schaub:
Ja, ein gutes Beispiel dafür ist "Ben liebt Anna" von Peter Härtling. Er ist einer unserer Autoren, einer der ganz großen realistischen Erzähler im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Mit "Das war der Hirbel" hat er als einer der ersten, wahrscheinlich sogar als erster überhaupt, das Thema Behinderung ins Kinderbuch gebracht.

Erik Schreiber:
Wie muss man sich die Veränderung jetzt vorstellen? Man setzt sich ja nicht hin und sagt: "So, ich schreibe jetzt ein Buch über ein Kind mit Behinderung. So ein Buch muss doch erst einmal angeboten werden."

Bettina Schaub:
Ich habe Herrn Gelberg, der vor einigen Jahren in Ruhestand gegangen ist, vor Jahren einmal kurz kennengelernt. Ich weiß nicht, wie er an die Arbeit herangegangen ist oder an das Programm. Aber so, wie ich ihn einschätze, ist er mit offenen Augen und Ohren herumgegangen, hat Kontakte geknüpft, sich Zeit genommen und Ideen, auch mit anderen, entwickelt. Und er war ein großer Entdecker junger Autoren und Illustratoren.
Er hat aber nicht nur mehr Realität ins Kinderbuch gebracht, sondern auch die andere Seite gesehen, den Spaß, den Kinder an Wortspielen, Unsinnsgeschichten, Rätseln etc. haben. Für ihn war Literatur für Kinder auch eine Spielwiese. Er hat tolle Jahrbücher herausgegeben, in denen es von all dem nur so wimmelte. Er hat Kinder ernst genommen, nicht nur ihre Probleme, sondern auch ihre Neugier, ihre Phantasie ...

Erik Schreiber:
Die Vorstellungen von Herrn Gelberg, anspruchsvolle Kinder- und Jugendbücher herauszugeben, wurden vielfach ausgezeichnet, indem die Bücher, ihre Autoren und Zeichner gewürdigt wurden. Welche Preise sind dies und welcher Preis erscheint ihnen am wichtigsten?

Bettina Schaub:
Ich arbeite seit anderthalb Jahren für Beltz. In dieser Zeit wurde u. a. "Das Schlangenschwert" von Sergej Lukianenko mit der "Corine" ausgezeichnet, Nikolaus Heidelbach erhielt den "Deutschen Jugendliteraturpreis" für "Königin Gisela", "Liebe Tracey, liebe Mandy" den "Deutschen Hörspielpreis". Zweimal haben wir den "LUCHS" bekommen, für "Wintereis" und "Paranoid Park". Das Spektrum der Preise ist breit und wir freuen uns über jeden.

Erik Schreiber:
Ich sehe die Bücher, die ausgezeichnet wurden, selten mit einem Hinweis darauf im Handel. Macht ihr keine Werbung damit? Schließlich ist eine Auszeichnung doch etwas Besonderes.

Bettina Schaub:
Wenn es machbar und angemessen ist, versehen wir die Titel natürlich mit den Auszeichnungen. Bei "Königin Gisela" z. B. haben wir das Buch erst mit der silbernen Nominierungsplakette und später mit der goldenen Preisplakate ausgezeichnet. Das gilt auch für das preisgekrönte Hörbuch "Liebe Tracey, liebe Mandy".

Erik Schreiber:
Es gibt Kritiker-Preise, vergeben von Fachleuten, und es gibt Publikums-Preise, die durch die Leser vergeben werden. Gab es schon mal Kontroversen, weil Kritiker etwas ablehnten und das Publikum das Buch lobte?

Bettina Schaub:
Natürlich gibt es immer wieder Diskussionen über die Auszeichnungswürdigkeit von Titeln und Jury-Begründungen. Manchmal fallen Kritikervotum und Publikumsgeschmack auseinander, manchmal sind sie deckungsgleich. Aber das macht es ja auch spannend. Und man darf nicht vergessen, dass Preise auch bei der Kaufentscheidung helfen können. Der "Deutsche Jugendliteraturpreis" z. B. hilft Eltern, Verwandten und Bekannten, aus der Fülle an Büchern eine Auswahl zu treffen.
Genau wie wir nehmen unsere Autoren ihre Preise ernst und freuen sich darüber. Manche mehr über Kritikerpreise, andere mehr über die Preise, die sie von Kinder- und Jugendjurys bekommen, weil sie für sie ja auch schreiben.

Erik Schreiber:
Um Maßstäbe zu setzen, muss man Regeln aufstellen, nach denen Manuskripte, aber auch Zeichnungen übernommen werden. Gibt es diese Regeln und wie sehen sie aus?

Julia Röhlig
Maßstäbe und Regeln sind starke Worte, man könnte meinen, dass es so was wie die zehn goldenen Regeln gibt, und wenn man die erfüllt, klappt es mit der Veröffentlichung. So schön einfach ist das leider nicht. Eine Grundvoraussetzung ist natürlich ein guter Ausdruck, ein gutes Sprachgefühl, Stil. Originalität ist sehr wichtig, eine Besonderheit darin, was oder wie erzählt wird. Das soll nicht heißen, dass jedes Mal das Rad neu erfunden werden muss - originell kann zum Beispiel sein, einen eigentlich klassischen Abenteuerroman komplett in der Katzenwelt spielen zu lassen wie bei den "Warrior Cats". Es kommt auch darauf an, in welchem Genre eine Geschichte angesiedelt ist und was ihre Wirkungsrichtung ist: Fantasy, spannende Krimis, realistische Alltagsgeschichten, historische Titel, Themenbücher, unterhaltsames Lesefutter, literarisch-ästhetisch komplexe Werke usw. - für all diese Beispiele gibt es z. T. ganz unterschiedliche Bewertungskriterien. Und um das Ganze noch komplizierter zu machen: Jeder Lektor hat ja nochmal individuelle Vorlieben. Ich mag z. B. keine Bücher, die mit dem pädagogischen Zeigefinger herumwedeln, und ich bin ein großer Katzenfan. Insofern gefallen mir z. B. die "Warrior Cats" extrem gut: Ganz tolle Unterhaltung und sehr originell, man wird in die Katzenwelt eingeführt und das Ganze ist ein großes Abenteuer - denn diese Katzen sind wild und leben im Wald. Eine sehr abenteuerliche und faszinierende Welt.

Erik Schreiber:
Ich hatte das Buch ja gar nicht bestellt, weil ich befürchte, dass dort den Tieren menschliche Eigenschaften aufgepfropft werden, ähnlich wie bei Fabeln, wo die Tiere nur `Transportmittel’ für eine menschliche Abenteuergeschichte sind.

Bettina Schaub:
Lesen Sie es mal. Natürlich haben die Katzen einige menschliche Eigenschaften, aber Sie werden merken, dass es da sehr viel typisch Katzenhaftes gibt. Es ist nicht nur eine Transformation von Menschen in Katzengestalt.

Julia Röhlig:
Toll ist auch, dass die Reihe Mädchen und Jungs gleichermaßen anspricht. Bei einem Katzenroman denkt man ja nicht automatisch `typische Jungslektüre’. Aber die Reihe ist sehr actionreich, da werden Katzenschlachten geschlagen, die Katzen streifen im Wald herum, jagen und vieles mehr, was Jungs gefällt. Was ich außerdem spannend finde: Es geht immer auch um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, um die Sehnsucht dazuzugehören. Das ist ja etwas ganz Menschliches. Man will kein Außenseiter sein und Feuerherz, der Held, will bei den Wildkatzen dazugehören, gibt dafür sein altes Leben als Hauskätzchen auf. Das Buch zeigt seine Entwicklung, wie er sich dem fremden Clan anschließt, wie er immer wieder gegen Vorurteile zu kämpfen hat, wie er erkennt, wie die Clans im Inneren funktionieren und sich unterscheiden.

Erik Schreiber:
Es ist ja in den letzten Jahren so, dass viel mehr Autorinnen und Autoren auf den Markt drängen, weil sie überzeugt sind, dass ihr Manuskript, ihre Idee gut ist. Wie viele Manuskripte erhalten Sie und wird von den unverlangt eingesandten Texten tatsächlich etwas übernommen?

Julia Röhlig:
Ich habe keine Statistik aufgestellt, aber ich würde sagen, ich bekomme in der Woche zwischen drei und sieben unverlangt eingesandte Manuskripte auf den Tisch. Und das ist dann nur ein kleiner Bereich, andere Angebote landen bei meinen Kollegen. Es gab schon Autoren, die auf diesem Weg zu Beltz & Gelberg kamen. Zum Beispiel Sergej Lukianenko. Die Übersetzerin ist an den Verlag herangetreten und hat sein "Schlangenschwert" empfohlen. Ohne sie wäre Beltz & Gelberg vielleicht nie auf diesen Autor aufmerksam geworden.

Erik Schreiber:
Inwieweit sind Buchbesprechungen für Sie hilfreich bei der Autorensuche? Ist ein Autor, der besprochen wurde, für Sie interessant genug, einmal seine weiteren Werke in Augenschein zu nehmen?

Julia Röhlig
Ich lese viele Buchbesprechungen und auch viele Bücher, die in anderen Verlagen erscheinen. Manchmal ergibt sich daraus etwas. Viele Autoren bleiben aber auch bei einem Verlag, da kann man nicht immer einfach so hingehen und sie für Projekte in einem anderen Verlag abwerben. Bei ausländischen Autoren ist es z. B. oft so, dass ihr deutscher Stammverlag auch die Option auf neue Bücher hat. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich einen Autor zu teilen: Lukianenkos Erwachsenenbücher erscheinen z. B. bei Heyne, seine Jugendbücher bei uns. Grundsätzlich ist es immer wichtig, die Augen offen zu halten, zu schauen: Wer macht was, wer hat neue Ideen. Und das macht auch großen Spaß.

Erik Schreiber:
Welche Rolle spielt dabei der Peter-Härtling-Preis? Wie kam es zum gleichnamigen Preis?

Bettina Schaub:
Der Preis wurde zu Peter Härtlings 50. Geburtstag ins Leben gerufen. Er wurde und wird genutzt, um jungen, unbekannten Autoren eine Chance zu geben, veröffentlicht zu werden. Die dahinter stehende Idee war, dass der Autor nicht nur einen Preis erhält, sondern sein Manuskript auch tatsächlich zum gedruckten Buch wird.

Erik Schreiber:
Sind das zum Teil nur Eintagsfliegen?

Bettina Schaub:
Einige Autoren wie etwa Reinhold Ziegler und Josef Holub sind durch den Preis richtig bekannt geworden und haben danach viele erfolgreiche Titel veröffentlicht. Und das wiederum hat dem Verlag neue Autoren zugeführt.
Der berühmte Rafik Schami gehörte zu den Autoren, für die der Peter-Härtling-Preis eine `Eintrittskarte’ zu Beltz & Gelberg bedeutete. Er beteiligte sich an der Ausschreibung. Sein Manuskript, da unvollständig, entsprach nicht den Ausschreibungsbedingungen, überzeugte Hans-Joachim Gelberg aber so sehr, dass er ihn als Autor für sein erstes Beltz & Gelberg-Buch gewann, "Eine Handvoll Sterne."
Man kann es nicht von jedem Preisträger sagen, aber viele haben weiter geschrieben und manche wurden auch von anderen Verlagen `weggeschnappt’. Wie das eben so ist.

Erik Schreiber:
Wurde bislang jeder erste Preisträger veröffentlicht und hatten Nachplatzierte auch eine Chance?

Bettina Schaub:
Von den Nachplatzierten wurde nicht jeder bei Beltz & Gelberg veröffentlicht, aber es gab einige Anthologien mit Auszügen aus ihren Manuskripten. Von diesen Autoren schreiben heute einige für andere Verlage.

Erik Schreiber:
Ihr habt die Förderung deutschsprachiger Autoren auf Eure Fahnen geschrieben. Wie sieht die Förderung aus und wo nehmt Ihr die Autoren her? Nach welchen Punkten wählt Ihr die Autoren und Zeichner aus?

Julia Röhlig:
Vom Peter-Härtling-Preis zum Beispiel. Es gibt Kontakte über unverlangt eingesandte Manuskripte, Autoren, die uns empfohlen wurden, oder solche, die bereits veröffentlichen und sich an uns wenden. Und viele andere Möglichkeiten. Zur Förderung: Der Preis ist natürlich eine solche Förderung. Man kann Förderung aber auch ganz allgemein darin sehen, dass wir versuchen, junge deutsche Autoren zu finden, die wir langfristig aufbauen. Solchen Autoren eine Plattform zu geben, bedarf oft mehr Arbeit und Engagement, als einfach zu sagen, wir kaufen uns jetzt eine schöne fertige Lizenz aus dem Ausland. Wenngleich wir das natürlich parallel auch machen.

Erik Schreiber:
Ich wollte jetzt darauf hinaus, dass Ihr ein Manuskript erhalten habt, jedoch der Meinung seid, hier muss etwas gestrafft werden, da den Stil etwas ändern etc.

Julia Röhlig:
Das findet oft statt. Das ist dann das Lektorat und gehört zu meinen Haupttätigkeiten. Wenn wir uns entschieden haben, einen Text zu veröffentlichen, wird er vom Lektor kritisch durchgesehen und korrigiert - mal mehr, mal weniger.

Erik Schreiber:
Wie messt ihr den Erfolg der Autoren und Bücher? Allein an den Verkaufszahlen?

Julia Röhlig:
Kommt auf unsere Erwartungen und unsere Einschätzung eines Titels an: Bei manchen Büchern kann es sein, dass wir eine sehr gute Presse erwarten und bei den Verkaufszahlen vergleichsweise moderate Erwartungen haben. Von anderen Büchern erwarten wir von vornherein sehr hohe Verkaufszahlen. Grundsätzlich freuen uns wir aber immer, wenn wir viel nachdrucken müssen UND gute Besprechungen kriegen.

Erik Schreiber:
Welchen Stellenwert haben die phantastische Literatur und die Fantasy bei Beltz & Gelberg?

Julia Röhlig:
Mit Sergej Lukianenko, den "Warrior Cats" oder auch Wieland Freunds "Jonas Nichts" im letzten Programm oder Kenneth Oppel haben wir Schwerpunkte gesetzt. Die Fantasy ist bei uns ein wichtiger, aber kein übermächtiger Programmbereich. Es ist auf keinen Fall so, dass sich Beltz & Gelberg jetzt als Fantasy-Verlag definieren will. Wir haben weiterhin eine ganz starke realistische Tradition, die wir mit vielen Titeln weiterführen.

Bettina Schaub:
Wir werden auch in Zukunft phantastische und Fantasy-Literatur veröffentlichen. Doch wird es keine Titelexplosion geben und der Verlag zu einem Fantasy-Verlag werden. Dazu ist uns der andere, der realistische Bereich viel zu wichtig. Es wird bei uns immer eine Vielfalt im Programm geben. Kinder und Jugendliche haben zu unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedliche Lesebedürfnisse und sie sollen sich bei uns mit ihren Interessen wiederfinden.

Erik Schreiber:
Wenn die verschiedenen Autoren immer ihre eigene Welt entwickeln und mitbringen: Haben Sie sich mal überlegt, eine eigene Welt zu entwickeln, und dann den Autoren zu sagen: Hört mal her, wir haben da etwas und möchten, dass ihr diese Welt mit Leben füllt?

Julia Röhlig
Es gibt die Fälle, dass wir ein Konzept machen und einen Autor suchen, der dazu die Geschichten erfindet. Das geht zum Beispiel gut bei Themenbüchern oder Krimis, bei Reihen um bestimmte Charaktere. Ich persönlich fände es aber zum Beispiel schwierig, ein Konzept für eine Fantasy-Welt mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und Details vorzugeben. Als Lektorin verstehe ich meinen Job auch nicht so, dass ich ganze Welten erfinde, sondern eher allgemeinere, thematische Vorgaben mache. Ein Fantasy-Autor erfindet seine Welt besser selbst, darin muss er sich zu Hause fühlen. Zum Glück gibt’s ja auch keinen Mangel an fantasievollen Vorschlägen von Autorenseite.

Erik Schreiber:
Aber das ist doch genau das, was die Autorinnen bei "Warrior Cats" gemacht haben.

Julia Röhlig:
Ja, das stimmt, das war auch eine geniale Idee. Ich glaube, eine solche Zusammenarbeit zwischen Autor und Lektor ist etwas ganz Besonderes.

Bettina Schaub:
Das Pseudonym "Erin Hunter" besteht eigentlich aus drei Autorinnen und die Ideengeberin ist tatsächlich eine Lektorin, die sich überlegt hat, Fantasy-Romane mit Katzen schreiben. Sie gibt die Storyline vor, nach der die Autorinnen die Bücher schreiben, und sie achtet darauf, dass alles zusammenpasst.

Erik Schreiber:
Wieder zurück zur Phantastik allgemein. Wie sieht das nächste Programm aus, was wird geboten werden?

Bettina Schaub:
Die Schwerpunkte im Herbstprogramm sind ganz klar die "Warrior Cats" und Lukianenko. Die Serie um die "Warrior Cats" läuft sehr gut in Amerika. Die Autorinnen schreiben dort bereits an der dritten Staffel. Bei uns in Deutschland wird ab jetzt jedes halbes Jahr ein neuer Band erscheinen.

Erik Schreiber:
Inwieweit werdet Ihr die Bücher mit anderen Produkten unterstützen? Mit Postkarten, Klebebildern und Sammelheftchen, Lesezeichen und anders mehr?

Bettina Schaub:
Wir setzen solche Werbemaßnahmen eher selten bzw. sehr gezielt ein. Zur Einführung der "Warrior Cats" erschien es uns geeigneter, auf die Medienvielfalt von Büchern, Hörbüchern, Mangas (erscheinen bei Tokyopop) und Downloads zu setzen. Es sind vier verschiedene Produktformen, die sich untereinander bestens ergänzen. Darüber hinaus gibt es aber auch Poster und Lesezeichen.

Erik Schreiber:
Zum Schluss möchte ich mich für Ihre Zeit, die sie mir opferten, bedanken und natürlich für die geduldige Beantwortung meiner Fragen. Ich wünsche Ihnen noch viel Spaß bei der weiteren Arbeit und natürlich auch den nötigen Erfolg. Vor allem mit den "Warrior Cats", die sich immer wieder auf leisen Pfoten in das Gespräch einschlichen.

Als Schlussbemerkung zu diesem Bücherbrief und dem Interview möchte ich doch eines hervorheben: Bettina Schaub und Julia Röhlig haben in dem Gespräch immer wieder UNS gesagt, wenn sie vom Verlag und dessen Programm gesprochen haben. Das zeigt mir, dass die beiden Damen viel Spaß an ihrer Arbeit haben und sich mit Verlag und Programm identifizieren. Wer so viel Enthusiasmus an den Tag legt, wird auch weiterhin ein interessantes Programm vorlegen.
Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich dafür bedanken, dass sie mir ihre Zeit geopfert haben. Wir haben uns fast zwei Stunden lang unterhalten, was in dem schriftlichen Interviewteil nicht deutlich werden kann. Ich habe versucht, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen.

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