Titel: Die Insel der besonderen Kinder Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Jacob bekommt von seinem Großvater Abraham Portman die unglaublichsten Geschichten über gruselige Monster, wilde Abenteuerreisen, exotische Länder und andere phantastische Dinge erzählt, die man gar nicht glauben kann. So ist es nicht verwunderlich, wenn alle Erwachsenen seinen Großvater als Spinner abstempeln. Doch Jacob glaubt an Großvaters Geschichten über eine Art Waisenhaus auf einer einsamen Insel in Wales. Hier leben Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten. Der Opa würde ihn doch nicht anlügen, zeigte er ihm doch unglaubliche Bilder. Jacob hatte eine Zeit lang geglaubt, die Bilder seien Fälschungen, die er eines Tages werde entlarven können - und die Trickaufnahmen vielleicht sogar nachstellen. Der Großvater musste als Kind vor den Nazis aus Polen flüchten. Zuerst nach Wales, wo er in Miss Peregrines Heim Zuflucht fand, und im weiteren Verlauf in die USA. Jacobs Opa hatte sich immer mehr von den Menschen zurückgezogen und erzählte seine Geschichten schließlich auch nicht mehr. Jacob selbst hatte mit der Einschulung kein Interesse mehr daran, denn wenn er die Geschichten erzählte, wurde er von den Mitschülern gehänselt. Wie dem auch sei, man hält den alten Mann für einen verrückten Waffennarren oder jemanden mit einem Trauma, der regelmäßig seine Pillen nehmen muss. Daher gilt er auch als nicht ganz normal.
Jacob, gerade mal 15 Jahre alt, erhält von seinem Großvater einen Anruf. Als er mit seinem Vater spricht, wird er aufgefordert, zum Opa zu fahren und nach dem Rechten zu sehen. Allerdings findet er ihn nur noch tot auf. Hätte er den gesuchten Schlüssel zum Waffenschrank gefunden, um dessentwillen er extra anrief, dann würde er wahrscheinlich noch leben. Jacob macht sich Vorwürfe, und als er erzählt, er habe ein seltsames Geschöpf, das grausam verunstaltet ist, gesehen, will ihm das keiner glauben. Im Gegenteil. Seine Familie hält ihn jetzt auch für leicht verrückt, eben wie den Großvater.
Der geschockte Jugendliche wird zu einem Psychiater geschickt und man erklärt ihm, wilde Hunde hätten den alten Herrn zerfleischt. Seine Eltern wie auch der Psychiater erklären ihn für seelisch belastet. Jacob will mehr über die Person und die alten Geschichten erfahren. Der Psychiater gibt Jacobs Vater den Rat, nach Wales zu reisen, um dort die einsame Insel zu besuchen und so Großvaters Erzählung als falsch bloßzustellen. Die Spur führt Jakob zu einer walisischen Insel und zu Frau Peregrines Heim für besondere Kinder. Jacob erfährt, dass das Haus wirklich existiert hatte und bei einem Bombenangriff der Deutschen am 3. September 1940 zerstört wurde. Angeblich wurden alle Bewohner - außer Jacobs Großvater - getötet. In der noch immer stehenden Ruine findet Jacob einige weitere Bilder der damaligen Bewohner. Dabei entdeckt er ein gut gehütetes Geheimnis: Die Kinder und Miss Peregrine wurden nicht alle getötet. Er findet also heraus, dass die Geschichten seines Großvaters mehr als nur einen wahren Kern besitzen. Sie sind Wirklichkeit, wie auch die Kinder, die auf der Insel in Miss Peregrines Heim lebten. Die besaßen alle etwas Besonderes - unterschiedliche Gaben wie etwa das In-die-Zukunft-sehen. Jetzt werden die Kinder von Ungeheuern bedroht, die ihnen nach dem Leben trachten. Jacob stellt fest, dass er eigentlich auch zu ihnen gehört, denn er kann die monströsen Wesen sehen, während Menschen nur ihre Schatten erkennen.
Ein wenig irritierend war, das Yacob zuerst mit Y, dann mit J geschrieben wurde. Wird wohl an der Übersetzung liegen. Einen Grund dafür fand ich nicht, oder ich habe ihn überlesen. Die Geschichte wird aus Jacobs Sicht erzählt, so dass die Leser sich recht schnell in seinen Ansichten und seinem Leben zurechtfinden. Ein bemerkenswerter Erstlingsroman, geheimnisvoll, liebenswert, fesselnd. Wichtig ist jedoch, dass die Fotos, die Ransom Riggs verwendet, um seine Geschichte auch mit Bildern zu unterstützen, echte Fotos sind, die passend zur Geschichte verfälscht wurden. Durch diese Kombination aus Bildern und Erzählung fällt der Roman aus dem Rahmen des Üblichen. Er wirkt gerade zu Beginn der wirklich unheimlichen Geschichte besonders eindringlich. Die interessanten Handlungsträger und die spannende Handlung, die ohne Bruch des Spannungsbogens durchgehend flüssig zu lesen ist, tragen ebenfalls sehr zur Faszination des Buches bei. Man gelangt schnell in einen Sog von Spannung und Grusel, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Ransom Riggs besitzt einen packenden und zugleich faszinierenden Schreibstil. Ein wunderbares Buch und ich wünsche mir, dass viele zugreifen und sich auf ein phänomenales Abenteuer einlassen werden.
Ein einziger Nachteil der Erzählung ist allerdings der große, böse Gegner. Das Gut-gegen-Böse-Klischee wird arg strapaziert. Dabei hielt lange Zeit der Eindruck an, die brillanten Einfälle des Autors würden dies nicht notwendig machen.
Die Insel der besonderen Kinder - die Rezension von Sandy Härtling