Titel: Innswich Horror
Eine Rezension von Sebastian Hallmann |
Inhaltszusammenfassung:
Im Juli 1939 nimmt der Antiquitätensammler und von H.P. Lovecraft faszinierte Foster Morley an einer Busreise durch die Wildnis des nördlichen Massachusetts teil. Er möchte die Orte besuchen, an denen sich Lovecraft aufgehalten hat, und sehen, was dieser erblicken durfte, um den einflussreichsten Horrorautoren der Geschichte besser verstehen zu können. Als er in die seltsame abgelegene Hafenpräfektur Innswich Point gelangt die auf keiner Karte zu finden ist , geht er anfänglich davon aus, dass deren Namen reiner Zufall ist nur um im Verlauf der nächsten vierundzwanzig Stunden festzustellen, dass er sich in dieser Hinsicht drastisch getäuscht hat. Immer tiefer und tiefer dringt Morley in die dunklen Geheimnisse der merkwürdigen Stadt vor. Spielt ihm seine Fantasie einen Streich, oder gibt es wirklich derart viele Übereinstimmungen zwischen diesem entlegenen kleinen Fischerdorf und der erfundenen Stadt aus Lovecrafts Meisterwerk Schatten über Innsmouth ? Hat Lovecraft diesen Ort vor seinem Tod im Jahre 1937 vielleicht tatsächlich besucht? Schon bald muss Morley feststellen, dass er beobachtet wird, doch sein Verfolger ist genau der Mann, nach dem er sucht: ein einheimischer Zuhälter und Heroinsüchtiger, der angeblich das unaussprechlichste Geheimnis der Stadt kennt. Weiß er vielleicht auch, welches Mysterium bewirkt hat, dass ungewöhnlich viele Frauen der Stadt gleichzeitig schwanger sind? Morley wird von unnatürlichen Dingen heimgesucht, und als dieser malerische Zufluchtsort in ein Chaos aus Andersartigkeit, Perversion und dem lauernden, ungezügelten Bösen stürzt, trifft er endlich die Frau, die im Verborgenen Lovecrafts Kind zur Welt gebracht hat, nur um noch tiefer in einem unterirdischen Sumpf und einer Nacht voller verkörperter Schrecken zu versinken. Denn das schlimmste Geheimnis von allen, das unter den vermodernden Landungsstegen und hinter den verwitterten Fassaden des heruntergekommenen Dörfchens Innswich Point lauert, wurde noch lange nicht enthüllt …
Kritik:
Für viele dürfte Edward Lee vor allem durch seine sehr extrem ausgefallenen im Festa-Verlag erschienenen Romane ein Begriff sein. Provokation, eine sehr explizite Mischung aus drastischem Sex und noch drastischerer Gewalt… nun, es mag überraschen, aber Lee kann auch anders, wie ich es in meiner Rezi zu “Bighead” ja schon vermutet habe. Das der Beweis nun ausgerechnet bei der Konkurrenz erschienen ist, erscheint dabei schon irgendwie bezeichnend.
Der Beweis nennt sich “Innswich Horror” und ist, wie der Titel schon vermuten lässt, sehr dicht an die Geschichten des legendären H. P. Lovecraft angelehnt. Hierbei beweist Edward Lee ein erstaunliches Geschick dafür, diese Atmosphäre, für die Lovecraft heute so bekannt ist sehr gut einzufangen. Das Buch ist über die komplette Lesezeit sehr düster ausgefallen, sehr beklemmend und wirkt durch und durch mysteriös und böse. Das passt natürlich zur Vorlage wie die Faust auf’s Auge. Lee vergißt dabei auch nicht, einen beachtlichen Spannungsbogen zu zeichnen, der zwar zu Beginn recht gemächlich nach oben geht, dafür aber ab der Hälfte der Geschichte steil nach oben steigt. Das Buch entwickelt sich somit schnell zu einem echten Pageturner.
Die Figuren sind dabei natürlich ebenfalls sehr an Lovecraft orientiert, anders wäre es bei dieser Geschichte auch nicht möglich. Dabei sind sie aber, soweit es möglich ist, zumeist glaubwürdig und vor allem sehr interessant beschrieben. Zwar kann ich nicht sagen, dass Morley übermäßig sympathisch auf mich wirkte, auch war mir seine philantropische Ader etwas zu ausgeprägt, das störte den Lesefluss und den Spaß an der Story aber nur bedingt. Die anderen Charaktere fallen ebenfalls gelungen aus, hier möchte ich aber nicht zu sehr ins Detail gehen, da es echt schwierig sein dürfte, ohne große Spoiler auf sie einzugehen.
Stilistisch war “Innswich Horror” für mich eine waschechte Überraschung. Ich kannte bis dato nur die extremen Auswüchse von Lees Phantasie und muss offen gestehen, dass sie meinen Nerv absolut nicht getroffen haben. Hier jedoch haben wir es mit einer Geschichte zu tun, die zwar schon die eine oder andere Gewaltspitze beinhaltet, dabei aber fast gänzlich auf die obzöne und pornografische Ader verzichtet, die der Autor in seinen anderen mir bekannten Werken an den Tag gelegt hat. Prinzipiell fand ich die auf alt getrimmte Schreibweise, welche wunderbar zur Handlung in den 30er Jahren passte, sehr gelungen. Nicht verschweigen sollte man jedoch, dass es hier und da ein paar Sätze gab, die mir dann aber doch eindeutig zu modern daher kamen – ob man das nun auf Lee selbst oder die Übersetzung schieben kann, möchte ich an dieser Stelle nicht beurteilen.
Fazit:
“Innswich Horror” präsentiert einen gelinde gesagt “etwas anderen” Edward Lee. Er zeigt hier, dass er nicht nur durch seine provokanten Werke auf sich aufmerksam machen kann, sondern dass er unbestritten Talent hat. Der Roman ist eine tolle Hommage an H. P. Lovecraft und erzählt seine Geschichte auf eine wunderbare, sehr gruselige Art und Weise, die quasi direkt der alten Schule entsprungen zu sein scheint und nicht sonderlich viel mit den anderen Werken des Autoren gemein hat. Gerade dieser Punk ist es aber, der “Innswich Horror” für mich besonders lesenswert gemacht hat. Also, nicht vom Namen abschrecken oder blenden lassen: das hier ist kein typischer Edward Lee-Roman, sondern etwas völlig anderes.