Serie: Silent Hill, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Dr. Troy Abernathy ist ein erfolgreicher Psychiater und Buchautor, dem zwar das Publikum zu Füßen liegt - einschließlich seiner Kollegen -, der aber im Grunde nur wenig Befriedigung daraus und aus seinem hedonistischen Lebensstil ziehen kann. Und so sucht er die Herausforderung in Person der jungen Patientin Lynn DeAngelis, welche in der Stadt Silent Hill ein tief traumatisierendes Erlebnis gehabt haben muss.
Weil der Arzt keinen Zugang zu dem gestörten, verstörten und zerstörten Mädchen findet, beschließt er, mit ihr in diese Stadt zu fahren, um sie dort mit der Ursache ihres Traumas zu konfrontieren. Doch Silent Hill ist kein gesunder Ort für Menschen, die - wie Dr. Abernathy - eine schwere Schuld mit sich tragen; und schon bald müssen Lynn und er gegen die körperlich gewordenen Geister ihrer Vergangenheit kämpfen.
Als Lynn schließlich ihre wahre Bestimmung - das Drehen eines Videos über Silent Hill während ihres ersten Besuchs und dessen Verbreitung - durch den Geist eines kleinen Mädchens, Christabella, erfährt, ist es zumindest für Troy Abernathy längst zu spät.
Eben jenes Video gelangt zufällig in die Hände der toughen Lauryn, die selbst in Silent Hill geboren wurde, jenem Ort, an dem ihre kleine Schwester Christabella auf bestialische Weise ermordet worden ist. Das Filmmaterial weckt verdrängte Erinnerungen in ihr, sodass sie sich, ausgerüstet mit einem Kodex der Dämonenbeschwörung und in Begleitung ihrer Freunde, aufmacht nach Silent Hill, um dem Geheimnis ihrer Schwester auf die Spur zu kommen. Schon bald finden sich die Neuankömmlinge in einem Strudel von Gewalt und Tod wieder, in einem Kampf unterschiedlicher dämonischer Fraktionen um die Macht in der unheimlichen Stadt, in dessen Mittelpunkt Lauryn und Christabella stehen.
Wie schon im ersten Band zeichnet auch diesmal Scott Ciencin als Autor verantwortlich. Allerdings stehen ihm mit Ben Templesmith und Aadi Salman zwei neue Künstler zur Seite, denen es - wie ihren beiden Vorgängern - grandios gelingt, eine düstere Geschichte in entsprechend düstere Bilder umzusetzen. Obgleich stilistisch unterschiedlich, ergänzen sich die Kapitel der beiden so, dass der gewollte erzählerische Bruch in der Story nach Kapitel 2 - auch dieses ist ein Novum gegenüber Band 1: “Innerlich Sterben“ ist keine Anthologie, sondern erzählt nur eine einzige Geschichte - zwar auch in der Grafik gespiegelt wird, aber das Comic dennoch ein einheitliches Erscheinungsbild bietet.
Templesmiths Bilder sind monochrom angelegt, durchbrochen nur von zurückhaltend gesetzten Farbakzenten. Seine Figuren erscheinen sehr grafisch, ohne Volumen, skizziert mit wenigen Strichen, wobei sie trotz dieser ins Kindlich-naive spielenden Reduktion einen hohen Wiedererkennungswert besitzen und äußerst ausdrucksstark daherkommen. Salmans Stil ist komplexer, insgesamt aber etwas orthodoxer. Die Farbgebung, insbesondere die der verwaschenen Hintergründe, ist expressiv und schmutzig-bunt. Bei der Darstellung der Charaktere bedient er sich sowohl zeichnerischer Elemente - allerdings nicht so reduziert wie Templesmith - als auch malerischer.
Ciencins - mit Rückblenden und Traumsequenzen - nicht-linear konstruierte Story erfordert etwas mehr Konzentration als ein Durchschnittscomic, überzeugt aber vollends in der Darstellung der psychischen Deformation der Protagonisten. Ohne ausschweifende explizite Splatter-Orgien spiegelt sich gerade in den harten, direkten Dialogen der dreckige, obszöne und gewalttätige Hintergrund des Silent-Hill-Settings stärker wider als in jedem abgeschlagenen Körperteil. Dennoch kommen auch die Anhänger fröhlichen Ausbluten-Lassens auf ihre Kosten.
Fazit: Eine interessant konstruierte Story mit starken Charakteren und ein exzellentes Artwork machen “Silent Hill - Innerlich sterben“ zu einem Muss für jeden Fan düsterer Comics.