Land: USA, 1996 Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Im Jahre 1994 begab sich bei einer routinemäßigen Sitzung der Chefetage der 20th Century Fox folgender Gesprächsverlauf (die Namen der Teilnehmer werden aus rechtlichen Gründen nicht genannt):
"Genossen, ich weiß nicht ob euch überhaupt bewusst ist, in welcher tiefen Krise unser Unternehmen, Verteidiger des Erbes der Brüder Lumiere, steckt. Die Filme unserer Konkurrenten waren in letzter Zeit stets erfolgreicher als unsere eigenen Produktionen, und als wäre dem nicht genug, verlangt das zahlende Volk nach gut erzählten Geschichten und glaubwürdigen Charakteren. Wie gedenkt ihr dieser bedenklichen Entwicklung entgegenzusteuern?"
"Chairman, oh my chairman, wie recht Ihr doch mit eurer Kritik habt. Ich habe unser aller Ansehen beschmutzt und bin mir dessen bewusst - gestattet mir bitte einen ehrenvollen Tod durch Seppuku. Man reiche mir einen blutgestählten Dolch."
"Sie übertreiben maßlos! Ich bitte um konstruktive Vorschläge, um unsere Vormachtstellung zurückzuerobern!"
"Mein lieber Junge, warum würdigen du und deinesgleichen nicht die Verdienste eurer Väter? Macht doch endlich Filme über den zweiten Weltkrieg, als wir die ganze Welt von der faschistischen Unterdrückung erretteten. Wir, wir Amerikaner alleine, die Gralshüter wahrer Ehre, wahrer Überzeugung, wahren Gottesglaubens."
"Ein interessanter Vorschlag, den Ihr Vater da macht, Chairman!"
"Quatsch! Wen interessiert denn heutzutage noch die Landung in der Normandie oder der Kampf gegen die Japaner (Anmerkung: Später sollte sich diese Ansicht als falsch erweisen!)? Das Proletariat dürstet nach modernen Helden, nicht klischeehaften GIs, die böse Krauts abschießen."
"Mein Sohn, die Landung in der Normandie war eine herausragende Tat in..."
"Dad, bitte! Jeder weiß doch, dass du überall rumerzählt hast, du wärst schwul und würdest es unter diesen hübschen jungen Männern nicht aushalten, nur, um nicht an der Landung teilnehmen zu müssen."
"Und das erfüllt mich mit Stolz!"
"Wer hat dich eigentlich hier reingelassen? Du solltest doch im Altersheim sein? Waren Sie das David? David? Herrgott nochmal, David, würden Sie bitte nur einmal an einem unserer Meetings teilnehmen, anstatt Ihre Nase in ein blödes Buch zu vergraben? Was lesen Sie da überhaupt?"
"Äh... 'Der Krieg der Welten'"
"Ach herrje! Ein Buch über den Zweiten Weltkrieg?"
"Nein, es geht um Marsmenschen, die in England einfallen und die gesamte Menschheit bedrohen"
"Hm...Davon habe ich ja noch nie was gehört! Wann soll das passiert sein?"
"Es handelt sich um eine Fiktion"
"Aha. Wer hat es geschrieben?"
"H. G. Wells"
"Michael, bitte nehmen Sie Kontakt mit diesem Herrn auf."
"Aber Sir, H. G. Wells ist seit 50 Jahren tot!"
"Umso besser, da werden wohl keine Plagiatsklagen zu erwarten sein. Wann hat er diesen Roman geschrieben?"
"Vor etwa 100 Jahren. Ich fürchte, der Plot ist etwas angestaubt."
"Nochmal zum Mitschreiben, Marsmenschen fallen in England ein?"
"Ja, sie landen mit ihren Raumschiffen, die anfangs für Meteore gehalten werden..."
"Also Ufos. Das ist gut, das kennt jeder!"
"... und beginnen ihr Werk der Zerstörung..."
"Zerstörung? Unsere Leute von der Effekteabteilung könnten sich da Länge mal Breite austoben!"
"... mit Waffen, die den unserigen weit überlegen sind..."
"Hm...Wir verpassen den UFOs Schutzschilder, das macht sich immer gut."
"London wird zerstört..."
"Na, das würde wohl keinen hierzulande kratzen. Machen wir lieber New York daraus."
"...endlose Flüchtlingsschlangen..."
"Ich sehe schon riesige Staubwolken, aufgewühlt von den Rädern der Caravans."
"...alle Versuche zurückzuschlagen scheitern..."
"Natürlich, sonst kommt ja keine Spannung auf!"
"...doch letztendlich sterben die Invasoren - Viren, gegen die sie nicht immun sind, machen ihnen den Garaus."
"Zu einfach, wir brauchen irgendwas kompliziertes, hochtechnologisches."
"Wie wär ´s mit einem Computervirus?"
"Welch ´ glänzende Idee! Sie sind ein Genie! Mein Freund, hiermit werden Sie befördert! Wer sind Sie eigentlich? Ich habe Sie hier noch nie gesehen."
"Adam Krysztowski, Sir, ich putze Ihr Büro."
"Ein Mann Ihres Kalibers? Oh nein, ab morgen schrubben Sie die Toiletten der Vorstandsmitglieder."
"Ich weiß nicht wie ich Ihnen danken soll."
"Hätten Sie eine Ahnung, wen wir als Regisseur engagieren sollten?"
"Vielleicht diesen Deutschen? Roland Emmerich, der hat gerade mit ´Stargate ´ riesigen Erfolg. Dummer Film, relativ geringes Budget, gigantischer Erfolg."
"Jämmerlich, aha, diesen Namen werde ich mir merken müssen. Genossen, ich sehe unserer Zukunft höchst optimistisch entgegen! Man bringe Champagner! David, organisieren Sie das! Michael, bringen Sie meinen Dad zurück ins Altersheim. Adam, bringen Sie meine Toilette auf Vordermann, alleine die Vorstellung an diesen Film lässt meine Gedärme rebellieren."
Eine ernsthafte Kritik zu diesem Film erübrigt sich meines Erachtens. Wie ihr seht, bin ich damit kläglich gescheitert. Dabei wäre die Prämisse des Filmes durchaus spannend gewesen: Wie würde sich eine außerirdische Invasion auf unsere Existenzen auswirken? Würden die Menschen ihre Feindseligkeiten vorübergehend beilegen, um sich gemeinsam dem Feind entgegenzustellen? Wären die "Anderen" lediglich eine Masse gesichtsloser Bösewichter, erbarmungslos, unmoralisch? Wie könnte ein solcher Konflikt ablaufen? Doch nichts dergleichen wird in diesem absurd miesen Spektakel auch nur angeschnitten. Eisern konservativ wird nach Schema F die Geschichte vom Kampf Gut gegen Böse abgespult.
Lobend erwähnt sollen die Effekte sein - den Rest kann man sich schenken. Alles schon mal da gewesen, noch dazu ungleich besser. Was ebenfalls sauer aufstößt, ist das dreiste, patriotische USA-Gejohle: Der vierte Juli, der Tag der am. Unabhängigkeit, soll der Tag der Freiheit der gesamten Welt sein! Jubel! Hm... Hätten Sie ´s nicht eine Nummer kleiner, Sir?
Auf die logischen Fehler bzw. Plotlöcher brauche ich wohl gar nicht erst im Detail eingehen. Hier nur ein paar besonders krasse:
• Wieso benötigen die Aliens unsere Satelliten, um den Angriffsbefehl zu koordinieren? Haben die keine eigenen Kommunikationsinstrumente?
• Niemand könnte einer derart gigantischen Feuerwand entkommen, wie es Jada Pinkett gelingt.
• Die Basis mit dem 1947 geborgenen UFO befindet sich mehrere Stockwerke unter dem Wüstenboden. Doch als Will Smith es aus der Basis rausmanövriert, öffnet sich eine Kuppel und die Basis liegt allem Anschein nach wie ein gewöhnlicher Hangar ebenerdig.
• Wozu benötigen die Aliens Bodentruppen (der Fairneß halber muss man erwähnen, dass in diesem Punkte auch "Starship Troopers" höchst unlogisch ist)?
• Was fangen die Aliens eigentlich mit ihren gigantischen Raumschiffen an? Sie sind praktisch völlig leer! Aufgrund der Größe würde man riesige Städte erwarten, anstatt dieser Leere.
• Legendär: Wie schleust man einen Computervirus in ein außerirdisches Computersystem ein?
Unnötig zu erwähnen, dass ID4 weltweit die Kassen klingeln ließ und nach wie vor unter den zehn erfolgreichsten Filmen aller Zeiten rangiert. Der geneigte Leser mag sich nun denken: "Hey, wieso regt der Typ sich eigentlich gerade über diesen Film so auf?". Antwort: Weil ID4 meines Erachtens nach den schlechten Ruf des SF-Genres im Kino zementiert hat. Was soll man als vernunftbegabter Mensch auch von so einem Mist halten?
Wenn ich einen SF-Film anschaue, dann in der Erwartung, eine halbwegs akzeptable Story aufgetischt zu bekommen. Natürlich sind auch Filme wie Terminator oder Blade Runner nüchtern betrachtet Unsinn, aber sie bieten Unterhaltung auf hohem Niveau, was man von Filmen wie ID4 einfach nicht behaupten kann.
Man kann nur hoffen, dass dieses üble Machwerk in Vergessenheit geraten und von wahren Geniestreichen überschattet werden wird.