Titel / Originaltitel: IMAGON (2002) Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Poul Silis hasst die Kälte und somit jedes Land, das nördlich des sechzigsten Breitengrads liegt. So ist es nicht verwunderlich, dass Silis lange überlegt, ob er an einer Expedition nach Grönland teilnehmen soll. Letztendlich jedoch überwiegt die Neugier: Ein gewaltiger Meteor soll in den Eiswüsten niedergegangen sein.
Der Krater ist gewaltig, doch das Ganze ergibt keinen Sinn: Um den Krater herum fehlt der Auswurfwall und außerdem haben die Seismologen auf der Erde kein durch einen solchen Aufschlag hervorgerufenes Erdbeben feststellen können. Dies allein reicht schon aus, um den Geophysiker nach Grönland zu locken, doch hinter der Sache steckt noch mehr, viel mehr. Unter dem Siegel der Geheimhaltung erfährt Silis, dass man im Krater uralte Ruinen entdeckt hat, deren Existenz nicht in das geschichtliche Weltbild passen. Am Einschlagskrater angekommen, erkennt Poul Silis schnell, dass die Theorie eines Meteoriteneinschlags nicht haltbar ist und unter der Eisschicht des Kraterbodens etwas lauert , das den Schauermärchen uralter Legenden entsprungen zu sein scheint.
Michael Marraks Roman bewegt sich ziemlich exakt an der Grenze zwischen SF und Horror. Die Wissenschaftselemente, die Technik und einige Subplots der Geschichte, die unerwähnt bleiben, weil Spoiler vermieden werden sollen, zeigen in Richtung SF. Die Grundgeschichte allerdings und uralte Schrecken zeigen in Richtung Horror. Dabei orientiert sich der Autor an H. P. Lovecraft und seine Cthulhu-Mythologie. Doch Michael Marrak schrieb einen modernen Roman und vermeidet einen zu großen mythologischen Einschlag in seinem Werk. Das war gut so, denn dies hätte dem Roman sicherlich nicht gut getan und das Werk überfrachtet. So kam ein abwechslungsreicher Roman heraus, der nach ein paar Längen zu Beginn an Fahrt gewinnt und zu überraschen versteht. Auch wenn das Ende absehbar ist, hält der Spannungsbogen bis zum Ende und lässt den Leser den fast 600 Seiten umfassenden Roman schnell durchlesen.
Allerdings ist die Grundgeschichte für meinen Geschmack zu abgedroschen: Das Ding aus einer anderen Welt, Fräulein Smillas Gespür für Schnee und letztendlich auch Akte X haben vergleichbare Themen behandelt und die Liste lässt sich sicherlich noch fortführen. Also ist Imagon nichts weiter als ein Roman, der das arktische Monster mit der Mythologie von Lovecraft verbindet? Nein, zum Glück nicht. Michael Marrak ergänzt die Story um weitere Aspekte, die die Geschichte interessant machen und dem Ganzen den rechten Schwung geben, der die Handlung aus den Mittelmaß herausreißt.
Fazit: Der Roman ist solide verfasst und zeugt von schriftstellerischem Können. Ich selbst kann mich nicht als Freund der Horrorliteratur beschreiben, aber die Geschichte hat mich wohl mitgerissen und dafür, dass angesichts Temperaturen von 30 Grad und mehr nicht das rechte Arktic Feeling aufkommen möchte, kann der Autor nichts. Ich empfehle deshalb, den Roman während der kalten Wintermonate zu lesen. Das dürfte den Lesegenuss nochmals steigern. Also 7 von 10 Punkten - in kalten Winterabenden reicht es vielleicht sogar für 8 Punkte.
IMAGON - Rezension von Andreas Nordiek
H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens
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