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Titel: Im tiefen Wald Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Freunde Luke, Hutch, Dom und Phil sind auf einem Trekkingausflug durch die schwedische Wildnis. Die Mittdreißiger wollen den Problemen des Alltags entfliehen und an alte Zeiten anknüpfen. Bereits in den Collegetagen waren sie gemeinsam unterwegs. Um ihre alte Freundschaft aufzufrischen, planten die Engländer die Campingtour. Sie stellen fest, mit den Jahren veränderte sich ihre Freundschaft. Wenn man den vorhandenen Rest noch so nennen könnte. Hutch, Phil und Dom sind spießbürgerliche Familienväter geworden, während Luke eher ein Lebenskünstler ist. Phil und Dom verletzen sich und sorgen dafür, dass der Trupp nicht mehr so schnell vorankommt wie erhofft. Dummerweise entpuppt sich eine Abkürzung als das genaue Gegenteil. Im fremden, düsteren, dichten Wald wird aus dem Ausflug ein Horrortrip. Ausgeweidete Tierkadaver sorgen dafür, dass ein ungutes Gefühl entsteht. Ein altes verlassenes Bauernhaus mitten im Wald, einer Ruine nicht unähnlich, scheint zunächst die Rettung zu versprechen. Alles ist verlassen, überall sind heidnische Symbole, ausgestopfte Tiere und Knochen. Das jagt den vier Wanderern bereits erste Schauer über den Rücken. Die nervliche Anspannung lässt in den Freunden die dunkelsten Seiten hervorbrechen, sorgt für einen schaudernden Horror. Dabei hat der eigentliche Alptraum - um Rituale und ein unbekanntes Biest - noch gar nicht begonnen. Das Biest, das auf der Jagd nach frischem Fleisch ist, aus welchem Grund auch immer, sorgt bald für eine der besseren Gruselgeschichten der letzten Zeit.
Altbekannte Stilmittel werden für dieses Buch ausgegraben. Ganz klar nichts Neues aus dem Horrorbereich. Altbewährtes muss aber nicht automatisch schlecht sein. Eine dunkle Atmosphäre, die durch die Wahl des Schauplatzes erst einmal ungewöhnlich wirkt. Selten sind es die schwedischen Wälder, die zum Schauplatz eines Romans werden. Dem Leser wird eine Gänsehaut beschert, wenn Adam Nevill beschreibt, wie die vier alten Freunde sich im Laufe der Jahre voneinander entfernt haben. Luke, aus dessen Sicht das Buch geschrieben ist, schlägt sich mit wenig Geld durchs Leben und scheint dadurch der Einzige zu sein, der den Ausflug und seinen gruseligen Ausgang überleben könnte.
Der Autor schafft es, ein nebliges Bild der schwedischen Landschaft, die Einsamkeit und die mulmigen Gefühle gut zu beschreiben, samt aller Unannehmlichkeiten und Unheimlichkeiten. Ein dicht bewachsener, immer unerfreulicher werdender Wald, in dem einem göttlichen Wesen aus längst vergessenen Tagen neues Leben eingehaucht wird. Leider hat die Wiederholung der Beschreibungen zu einer gewissen Eintönigkeit geführt.
Der Roman ist absolut lesenswert. Dennoch ziehe ich ein Brian Keene oder Robert Laymon Adam Nevill vor. Alles, was einen guten Horror-Roman auszeichnet, findet sich hier. Das ist keine Frage. Wünschen nach Splatter, Blut und Gewalt wird nachgegeben. Adam Nevills Handlungsträger sind gut gezeichnet und bilden eine faszinierende Gemeinschaft. Zumindest in der ersten Hälfte „Unter den Gebeinen“, denn der zweite Teil „Südlich des Himmels“ ließ qualitativ merklich nach. Ich hatte den Eindruck, einen Roman in den Händen zu halten, der über Jahre unfertig in der Schublade gelegen hatte und dann beendet wurde. Schade, denn der Anfang war viel versprechend. Dass ich mit dem Buch dennoch zufrieden bin, liegt an mehreren Punkten. Der Autor hat die Fähigkeit, ein Szenario genau zu entwerfen und in allen, aber auch allen Einzelheiten zu beschreiben. Figuren, die unter Druck ihr wahres Gesicht zeigen. Gerade die Gespräche der Personen machen viel von der Handlung aus. Ein Autor, der schriftstellerisches Können zeigt, aber sich dann selbst im Weg steht. Die Metzelorgie am Ende ist vielleicht etwas übertrieben, kam der Roman, der an einigen Stellen besser gekonnt gekürzt worden wäre, bis dahin doch ohne aus. Andererseits hat man als Horrorfan ja auch gewisse Erwartungen.