Serie/Zyklus: Thursday Next, Band 3 Titel: Im Brunnen der Manuskripte Originaltitel: The Well of Lost Plots (2003) Autor: Jasper Fforde Übersetzer: Lorenz Stern Verlag/Buchdaten: dtv-premium, Paperback, 415 Seiten, BRD: 2005 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Was tut eine unerschrockene Heldin wie Thursday Next, wenn eine verrückte Psychopathin sie töten will, die Goliath Cooperation, der größte Konzern der Welt, sie in einen dunklen Kerker sperren will und auch ihre Vorgesetzten alles dran setzten, dass ihr Name niemals mehr in der Welt auftaucht? Nun, sie zieht sich in ein Buch zurück oder, genauer gesagt, in ein Romanfragment des Brunnens der Manuskripte, der alles enthält, was es bisher noch nicht zu einer Veröffentlichung in Buchform gebracht hat. Dort lebt sie nun in einem Flug-Hausboot in direkter Nachbarschaft zu Captain Nemo und hat zwei unentwickelte Nebenfiguren als Untermieter. Und während sie versucht ihren beiden Mitbewohnern so etwas wie Kontur beizubringen, gerät sie wiederum in den Mittelpunkt des Interesses.
Thursday Next soll als Jurisfiction-Agentin ausgebildet werden, doch dies ist problembehaftet, denn sie ist einer der wenigen Menschen, die jemals hinter die Seiten der Bücher schauen konnten, und so bekommt sie direkt mit, was die Protagonisten der verschiedenen Romane machen, wenn sie mal gerade nicht gelesen werden: genau dasselbe nämlich, was jeder andere Mensch auch tut. Jurisfiction hat nun die Aufgabe, zu verhindern, dass die Protagonisten Unsinn anstellen und Bücher verändern. Doch der Fortschritt hält auch nicht hier stand: TextGrandCentral will das neue Betriebssystem für Bücher, Ultra-Word, einführen, doch etwas ist ganz entschieden falsch und ehe sie sich versieht, muss Thursday wieder um ihr Leben kämpfen.
Der dritte Thursday-Next-Roman bietet wieder die gewohnte Mischung aus verrückten Ideen, Buchzitaten und Absurditäten. Eigentlich lässt sich diese Buchreihe mit nichts vergleichen und Autor Jasper Fforde spielt für sich in seiner eigenen, ganz besonderen Liga. Man muss aber Buchliebhaber sein, um hier voll auf seine Kosten zu kommen. Jeder Roman der Reihe ist nämlich eine Hommage an die Literatur, wenn auch zumeist an die englische.
Mit dem neuen Roman gibt der Autor der Buchreihe eine ganz neue Richtung. Thursday Next ist nun keine Special-Operations-Networks-Agentin mehr, sondern vollkommen in die Bücherwelt eingetaucht. Allerdings ist sie nun wiederum für eine Behörde tätig, die überwacht. Die Sache mit Ultra-Word ist eine wunderbare Anspielung auf Microsoft und Windows. Man muss schon über das schmunzeln, was Jasper Fforde zu diesem Thema so einfällt. Und natürlich ist es hoch amüsant zu lesen, was so mancher berühmter Protagonist in seiner Freizeit macht.
Ein paar Worte sind noch für die Übersetzung angebracht. Der Grundsatz lautet ja bekanntermaßen: „Entweder schreibt man eine gute Übersetzung oder ein gutes Buch.“ Der Ausspruch zeigt den Widerspruch zwischen einer akkuraten Übersetzung und einem gelungenen Stil. Hier nun war es doppelt schwer, denn was macht man mit Anspielungen auf englische Literatur, die hierzulande kaum einer kennt? Übersetzer Joachim Stern bewies Kreativität, indem er das Wesen des Buchs gelegentlich in Passagen einfließen ließ, die sich auf die Deutsche Sprache bezogen. Es gehört schon ein gewisser Mut dazu, sich so weit vom Original zu entfernen, aber ich denke, er tat recht daran. Hier ein Beispiel über eine Passage, die das Wirken des gemeingefährlichen Mispelling Vyrus beschreibt:
Englisch:
“Rampant before Agent Johnson’s Dictionary in 1744," commented Perkins. “Lavinia-Webster and the Oxford English Dictionary keep it all in check but we have to be careful. We used to contain any outbreak and offload it in the Molesworth series where no one ever notices. These days we destroy any new vyrus with a battery of dictionaries we keep on the seventeenth floor of the Great Library. But we can’t be too careful."
Deutsch:
“Genau, der Vyrus war weit verbreitet, bis Agent Johnson1744 sein Wörterbuch vorlegte. Heute halten ihn Lavinia-Webster und der Oxford English Dictionary in Schach. In Frankreich ist er schon lange ausgestorben und sogar in Deutschland hatte der verdienstvolle Konrad Duden ihn nahezu gänzlich unter Kontrolle gebracht. Aber in letzter Zeit hat eine Clique von größenwahnsinnigen Qmiehs einen NeuSchreib-Vyrus in Umlauf gebracht, der gegen jede Vernunft resistent ist und auch schon einige literarische Werke zerstört haben soll. Die Deutschen können einem schon Leid tun. Neulich stand ein ganzes Rudel am Tor und hat nach verloren gegangenen Adverbien gesucht. Ich hab’ sie natürlich nicht reingelassen. Man konnte gleich sehen, dass sie Regelwut hatten. Man kann nie vorsichtig genug sein.“
Man sieht also: Die Übersetzung ist an manchen Stellen sehr frei. Man kann sicherlich darüber streiten, ob er Recht daran tat, nicht nur zu ergänzen, sondern auch Passagen wegzulassen. Ich sage, er hat im Sinne Jasper Ffordes gehandelt und den Roman um ein paar deutsche Anspielungen bereichert.
Fazit: wieder ein gelungenes Buch für Buchfreunde, das einen unzählige Male ob der absurden Ideen und witzigen Handlungswendungen schmunzeln lässt. Für Bücherratten eine unbedingte Empfehlung. 8 von 10 Punkten.