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Ihr seid nicht allein
Eine Rezension von Christel Scheja |
Robison Wells, der Bruder von Dan Wells, startete seine Autorenkarriere mit „Du kannst keinem trauen“, weil er mit diesem gewettet hatte, ebenfalls schreiben und veröffentlichen zu können. Nun setzt er seinen Jugendthriller mit „Ihr seid nicht allein“ fort und schließt dort an, wo er im ersten Buch aufgehört hatte. Benson Fisher ist vom Regen in die Traufe geraten. Nachdem er von einer Pflegefamilie zur anderen durchgereicht wurde und bei der letzten nur als billige Arbeitskraft gesehen wurde, hatte er gehofft, durch das Stipendium in einem Eliteinternat wirklich im Leben durchstarten zu können. Zumindest ist das Angebot verlockend, doch das Erwachen aus dem schönen Traum um so ernüchternder und brutaler. Benson findet sich nicht in einer Schule wieder, sondern in einem Gefängnis, in dem die jungen Leute mehr oder weniger darauf angewiesen sind, sich die Fähigkeiten anzueignen, die sie zum Überleben brauchen. Und er ist der Tropfen auf dem heißen Stein, der einen Aufstand auslöst und die anderen zur Flucht animiert, sind sie doch scheinbar nur die Forschungsobjekte in einem perfiden Spiel. Bei dem Ausbruch stellt sich nämlich heraus, dass nicht alle Schüler Menschen sind – sehr viele sind auch perfekt wirkende Roboter, so wie Jane, in die sich Benson zunächst verliebt hatte. Gemeinsam mit Becky einer anderen Schülerin, entdeckt er in der Nähe der Schule ein Dorf in dem vertraute Gesichter zu finden sind. Weil das Mädchen verletzt ist, ist er zunächst froh, in Fort Apache unterzukommen, aber auch dort findet Benson keine Ruhe. Er will auf Biegen und Brechen herausfinden, was hinter allem steckt, wenn er überleben will. Und das bedeutet, von nun an niemandem mehr zu trauen, denn nicht alle, denen er begegnet, meinen es auch gut mit ihm … Seine Rolle als Außenseiter und Underdog kommt Benson auch diesmal zugute, denn das perfide Spiel ist noch nicht zu Ende, scheint gerade erst angefangen zu haben, denn Fort Apache, die Siedlung im Wald ist nur eine Erweiterung der Schule, das Gefängnis für die Jungen und Mädchen, die auf dem Campus bereits durch Duplikate ersetzt wurden. Er bleibt wachsam und vorsichtig, lässt sich nur selten in die Irre führen, und wenn, dann versucht er den Fehler so schnell er kann zu korrigieren. Das macht den zweiten Band halbwegs spannend, denn gerade in der ersten Hälfte des Romans passiert nicht wirklich viel. Benson und seine Begleiterin irren erst einmal durch den Wald, sie müssen dabei herausfinden, ob sie überhaupt jemandem von ihren neuen Bekannten trauen können. So besteht die Geschichte anfangs nur aus vielen Begegnungen und Dialogen, durch die die Handlung nicht wirklich vorangetrieben wird, sieht man einmal davon ab, dass sich dadurch die paranoide Stimmung verstärkt. Trotzdem muss man schon einiges an Geduld aufbringen, um weiterzulesen, denn vieles kennen erfahrene Leser bereits aus gleichartigen Romanen. Die für das Genre typischen Klischees häufen sich bei den Figuren und Ereignissen, so dass man nur selten durch eine unerwartete Wendung überrascht wird. Und selbst die Hauptfiguren verlieren viel von dem Zauber, den sie noch im ersten Buch ausgestrahlt haben. Erst später zeichnet sich eine Linie ab, die die Spannung wieder zu steigern beginnt, weil die Helden einen Schritt weiter kommen und langsam aber sicher den Spieß umdrehen. Am Ende ist der Leser zwar wie die Helden etwas klüger, die Handlung selbst endet leider jedoch wieder mit einem Cliffhanger, so dass es unabdingbar wird, sich wohl auch den nächsten Band zu holen. Ob der Leser dazu noch Lust hat, muss er allerdings selbst entscheiden, denn die Enthüllungen auf den letzten Seiten sind eher gewöhnungsbedürftig und wirken gezwungen, so als ob nun auch die Science Fiction zum Zuge kommen sollte. Gegenüber dem ersten Band „Du kannst keinem trauen“ fällt „Ihr seid nicht allein“ deutlich ab, da die Geschichte zu langsam in die Gänge kommt, zu wenige Überraschungen bietet und wenn dann eher die üblichen Klischees bedient, als sich interessantere Wege einfallen zu lassen oder wenigstens die Figuren weiter zu entwickeln.