Serie / Zyklus: Bridge-Trilogie, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Judith Gor |
Der amerikanische Rockstar Rez verliebt sich in die Idoru (japanisch für Idol) Rei Toei und setzt sich in den Kopf, die virtuelle Persönlichkeit zu heiraten. Dafür benötigt er jedoch eine nanotechnische Software - zu welcher Laney ihm verhelfen soll. Seine Aufgabe und sein Talent ist es, im Netz nach Knotenpunkten zu suchen und daraus relevante Informationen zu ziehen. Wie genau ihm das gelingt, ist ihm selbst nicht bewusst - er sieht Strukturen, wo andere nur einen unüberschaubaren Datenwust erblicken. An den Job ist Laney übrigens über Rydell gekommen, den wir aus Virtuelles Licht kennen!
Einen eher ungewöhnlichen Storyzweig bildet die Geschichte um das Mädchen Chia, die ein Riesenfan von Rez’ Band Lo/Rez ist. Durch die Gerüchte um die geplante Heirat mit der Idoru alamiert, begibt sie sich auf eine Reise nach Japan, wo sie mit Hilfe des hiesigen Fanclubs an mehr Informationen gelangen will. Unterwegs trifft sie auf eine schrille Lady, die ihr etwas unterjubelt und zu allem Übel stellt sich die japanische Lo/Rez Fanbase als wenig kooperativ heraus - der einzige, der ihr zunächst wirklich hilft, ist ein Otaku, der Verbindungen zur Ummauerten Stadt besitzt - einem virtuellen Paradies für Hacker, die sich von der Gesellschaft distanzieren.
Idoru ist wesentlich „bunter“ als Virtuelles Licht - als Leser taucht man in die Welt der Reichen ein, eine Welt voll technischer Innovation und unfassbaren Möglichkeiten. Insbesondere die Szenen, in denen Laney auf der Suche nach Knotenpunkten durch den Cyberspace treibt, sind genial zu lesen. Die Technik der Zukunft erscheint dem Leser absolut selbstverständlich, denn Gibson lässt uns die Welt von Morgen hautnah miterleben. Mit sehr vielen gekonnt eingeflochtenen Details wird der Roman zu einer sinnlichen Erfahrung, in denen der Leser beinahe ebenso das Gefühl für Realität verliert, wie die Charaktere. Die Grenzen verwischen im virtuellen Rausch.
Während in Virtuelles Licht der gesellschaftliche Aspekt mit den Bewohnern der Oakland Bridge symbolisierte wurde, ist es in Idoru die Ummauerte Stadt, die uns aufzeigt, was in der Zukunft falsch läuft. Und wieder einmal lässt uns Gibson im Dunkeln tappen, wenn es um die großen Zusammenhänge geht - auch im zweiten Teil der Bridge-Trilogie legt der Autor Wert auf die Geschichten der einzelnen Charaktere, die über Zufälligkeiten in die Hintergrundgeschichte hineinschlittern.
Gibsons Stil ist nach wie vor eine rasante, faszinierende Mischung aus technischer Metaphorik und Gossensprache. Die Charaktere sind noch weniger perfekt, als die Welt, in der sie leben - sie wirken in etwa so haltlos und losgerissen, wie der Leser, der sich auf diesen Roman einlässt. Natürlich liest sich manches etwas seltsam, der Roman ist einfach schon über zehn Jahre alt und technisch werden wir wohl nicht so schnell so weit sein - aber in etwa hundert Jahren könnte diese Geschichte denkbar sein. Natürlich nicht exakt so - aber viele Tendenzen beobachten wir schon in der Gegenwart und während man Idoru liest, beschleicht einen immer wieder das Gefühl, tatsächlich einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Fazit:
Nach wie vor bleibt es Geschmackssache, ob man als Leser mit eher spärlichen Hintergrundinfos leben kann oder nicht. Wer aufmerksam liest, wird alles erfahren, was er wissen muss - viel interessanter dagegen sind die ganz persönlichen Geschichten, wie die von Laney oder Chia. Gibson hat ein unfassbares Talent dafür, einem die Charaktere dermaßen nahe zu bringen, dass man zwischenzeitlich glaubt, mitten drin und dabei zu sein!
Idoru - die Rezension von Oliver Faulhaber