Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Andy Gage führt ein Leben, das alles andere als einfach ist. Seit seiner Kindheit leidet er an Persönlichkeitsspaltung. Seit damals hat sich dieser Prozess verselbständig - immer wieder haben sich erneute Persönlichkeiten entwickelt und Andy hat selbst keinen Überblick mehr, wer nun alles in seinem Kopf lebt. Schlimmer noch: Die ursprüngliche Persönlichkeit existiert nicht mehr. Das führende Bewußtsein von Andy ist nun Andrew, eine Persönlichkeit, die im Zuge einer Therapie entstanden ist und nun den Körper steuert.
Um all die "Seelen" in Andys Kopf zu kontrollieren hat er in seinem Geiste eine Art Haus gebaut, das jeder Persönlichkeit einen eigenen Raum bietet und so ein "Zusammenleben" ermöglicht.
Über seinen Arbeitgeber Julie Sivik, mit der ihn eine tiefe Freundschaft und Liebe verbindet, lernt Andrew Penny Driver kennen, die ebenso wie er an Bewußtseinsspaltung leidet, aber noch keine Therapie durchlebt hat. Ihr Leben ist das blanke Chaos, denn ihre Grundpersönlichkeit wird immer wieder verdrängt. Die sogenannten Black Outs können Stunden oder sogar Tage dauern. Dann findet sie meist Zettel, in denen steht, was sie als nächstes zu tun hat. Julie bittet nur Andrew, Penny zu helfen und dieser willigt letztendlich widerwillig ein.
Im Zuge der Gespräche mit Penny wird Andrew selbst an seine Grenzen geführt und es zeigt sich, dass seine Therapie keineswegs vollendet war und dunkle Geheimnisse in ihm Ruhen. Sein Haus beginnt zu wanken.
Es fällt schwer, dieses Buch in Worten zu beschreiben. Vielleicht gelingt es mit dem Orginaltitel Set this House in Order. Das trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf: Schaffe Ordnung in diesem Haus! Matt Ruff versteht es meisterlich, die innere und äußere Welt aufs Papier zu bringen. Zu keinem Zeitpunkt ist sein Roman verwirrend oder unverständlich, was eigentlich überraschend ist, da in der zweiten Hälfte des Buchs die einzelne multiblen Persönlichkeiten von Andrew und Penny sich quasi die Türklinke in die Hand geben. Als Beispiel sei die Szene aufgeführt, in der Penny und Andrew auf dem Freeway von einer Polizeikontrolle aufgehalten werden. Der Geruch einer zuvor zerschlagenen Vodka Flasche bringt den Polizist auf den Gedanken, dass Penny alkoholisiert gefahren sein könnte. Der Stress bewirkt, dass sie einen Black Out hatte und auch Andrew verliert den Überblick. Der Leser erfährt genau wie Penny und Andrew nur soviel, als dass alles gut gegangen ist und der Polizist sie nach dem Ausstellen eines Strafzettels hat weiterfahren lassen. Solch eine Art zu schreiben führt den Leser ganz nahe an die Protagonisten heran.
Aber Matt Ruff gelingt noch mehr. Er füllt den Roman mit einem trockenen Humor, der aus dem doch eher schweren Stoff ein leichtes Vergnügen macht. Wie ihm das gelungen ist, kann man kaum nachvollziehen, aber es ist eine Tatsache, dass sich dieser Roman sehr zügig und angenehm liest. Mehr noch: Es fesselt, Zeit mit Penny und Andrew und ihren anderen Persönlichkeiten zu verbringen. Matt Ruff hält überdies einige Überraschungen bereit und bis am Ende alle Fragen geklärt sind, erlebt der Leser eine Achterbahnfahrt durch die Tiefen der menschlichen Psyche.
Dieser Roman ist ein meisterliches Stück höchster Schreibkunst. Ich hätte nie geglaubt, dass mir so ein Roman gefällt, aber ich habe ihn genossen. Allerdings handelt es sich nicht um Science Fiction, wie der Roman oft im Internethandel angepriesen wird. Selbst als Phantastik kann man den Roman nur im weitesten Sinne bezeichnen. Aber dennoch wird er Genrefans gefallen. 9 von 10 Punkten.
Ich und die anderen - Rezension von Jürgen Veith
Besprechung im Literaturzirkel des SF-Netzwerk Forums - Teil 1 |
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