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James P. Blaylock ist zwar nicht gerade unbekannt, steht aber dennoch irgendwie im Schatten seiner beiden Freunde Tim Powers und K. W. Jeter. Alle drei jedoch gehören zu den Begründern des Subgenres Steampunk, das sich Mitte der 80er Jahre herauskristallisierte. Mit dem Begriff Steampunk sind in der Regel phantastische Geschichten gemeint, deren Handlungszeit vorwiegend im 19. Jahrhundert, also im Zeitalter der Dampfmaschine, angesiedelt sind. Ende der 90er huldigte auch Hollywood dieser Literaturgattung in Form des Filmes Wild Wild West, landete damit aber einen Riesenflop.
Trotzdem Blaylock von seinen beiden Freunden und Kollegen etwas überragt wird, erhielt er einmal den Philip K. Dick Award (Homunculus) und einmal - für seine Kurzgeschichte "Paper Dragons" - den World Fantasy Award. Bei seinem Schaffen orientiert sich Blaylock stark an klassischen Autoren wie Robert Louis Stevenson, von dem er auch in der Regel Zitate an den Anfang seiner Romane setzt, sowie H.G. Wells. So auch in Homunculus, dessen Handlung im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt.
Ganz London ist in heller Aufregung. Denn ein Luftschiff wird nach einer jahrzehntelangen Odyssee zurückerwartet - mit einem Skelett als Piloten. Zur selben Zeit verkündet ein Verrückter das Ende der Welt. Gräber werden geschändet und ihr jeweiliger Inhalt geraubt. Auch der Erfinder Langdon St. Ives erfährt von diesen seltsamen Geschehnissen. Der Bau seines Raumschiffes wird durch wiedererweckte Tote, Alchemisten und andere "Spinner" gefährdet. Auf der Suche nach Erklärungen für diese mysteriösen Vorkommnisse gerät St. Ives auf die Spur eines gewissen Dr. Narbondo, der nach dem Elixier des Lebens sucht...
Blaylock liefert dem Leser in seinem Roman nicht das Bild eines historisch verbuchten Londons, sondern vielmehr ein London, wie wir es aus den unheimlichen und phantastischen Geschichten der viktorianischen Zeit kennen ("a Victorian London that never quite existed"): düstere Straßen, Nebel und Matsch ohne Ende. Doch liefert Blaylock keinen düsteren Thriller, sondern vielmehr eine ironische, recht humorvolle Geschichte über wahnsinnige Wissenschaftler und naive Weltverbesserer. Viele Kritiker sind der Meinung, dass Blaylocks Figuren zu oberflächlich und entweder nur gut oder nur böse seien. Dies kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Denn in Homunculus erscheinen die einzelnen Charaktere recht lebendig und vielseitig.
Die Abenteuer von Langdon St. Ives sowie die Untaten von Dr. Narbondo fanden ihre Fortsetzung in dem Roman Lord Kelvin's Machine, der leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Auch der Roman The Digging Leviathan, in dem Narbondo wiederum auftaucht, fand seinen Weg nicht mehr nach Deutschland. Eigentlich schade, denn die späteren Bücher von Blaylock sind genau so unterhaltsam wie Homunculus. Mit The Adventures of Langdon St. Ives kehrt Blaylocks Held Ende dieses Jahres wieder zurück. Vielleicht ja auch wieder einmal in Deutschland.
Themenbereich "Parallel Welten"
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