Titel: Hollow Man Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Der Wunsch sich unsichtbar machen zu können, ist einer der wohl ältesten Menschheitsträume. Waren es in der Steinzeit vermutlich unangenehme Situationen, wie die Begegnung mit einem Säbelzahntiger, und das ausgerechnet an jenem Tag, wo man seinen schönen Knüppel zuhause vergessen hat, so hat sicher jeder schon mindestens einmal den dringenden Wunsch verspürt, angesichts eines ungeheuer peinlichen Momentes möge sich der Erdboden auftun, einen verschlucken und ein paar Kilometer entfernt wieder ausspucken.
1897 schließlich veröffentlichte der geniale Pionier der SF H. G. Wells seinen Roman Der Unsichtbare , bestimmt nicht ahnend, dass er hiermit eines der klassischsten Motive der Phantastik überhaupt erschaffen hatte, nebst der Zeitmaschine und der Invasion außerirdischer Aggressoren. Dieser kleine Blick zurück soll hierzu dienen, die Verdienste des vor rund hundert Jahren meistgelesenen Autors der englischsprachigen Welt zu würdigen, welcher leider zunehmend in Vergessenheit zu geraten droht.
Nun gut, doch widmen wir uns jenem Film, der die bislang letzte Variante des unsichtbaren Mannes darstellt. Der genial-verschrobene Wissenschafter Sebastian Caine (Kevin Bacon) entwickelt mit seinem Forschungsteam im Auftrag der Regierung ein Serum, welches unsichtbar macht. Probleme gibt es nur dabei, die Wirkung des Serums wieder aufzuheben, sprich, die Sichtbarkeit zurückzugewinnen.
Nach einem erfolgreichen Test an einem Gorilla entschließt sich Caine, selber die Rolle des Versuchskaninchens zu übernehmen - einer muss es ja tun! Was vielfach die letzten Worte eines mutigen Menschen waren, aber das nur nebenher bemerkt. Es gelingt, Caine unsichtbar zu machen - leider scheint es unmöglich, den Vorgang umzukehren, was den ohnedies labilen Caine in den Wahnsinn treibt.
Als er auch noch erkennen muss, dass seine Mitarbeiterin und Ex-Freundin Linda McKay (Elisabeth Shue, die immerhin Oscar-Preisträgerin ist und dennoch hart entschlossen ist, in schlechten Filmen mitzuspielen) mit seinem Freund und ebenfalls Forschungskollegen Matthew Kensington (Josh Brolin) ein Verhältnis hat und das gesamte Projekt vor dem finanziellen Aus steht, dreht Caine durch und beschließt, jeden Widersacher zu töten, was angesichts seiner Unsichtbarkeit erheblich erleichtert wird. Im unterirdischen Forschungslabor kommt es endlich zum Showdown...
Es ist ein Jammer: Da gewährt man dem in Hollywood tätigen Holländer Paul Verhoeven ein Riesenbudget von knapp 100 Mio. $ für die x-te Verfilmung eines unsichtbaren Menschen, und wie dankt es dieser? Mit einem Mainstream-Ungeheuer par excellence, sieht man von ein paar typischen Verhoeven-Versatzstücken ab, auf die ich gleich zu sprechen komme und die neben des Spezialeffekten das einzig positive an diesem Film darstellen. Das Grundmotiv des Filmes - Wissenschafter entdeckt, wie man sich unsichtbar machen, jedoch nicht, wie man sich wieder sichtbar machen kann - war schon 1933 im am. Film The Invisible Man vorhanden, welchen ich gesehen zu haben noch sehr schwach in Erinnerung trage. Verhoeven ist bekannt für seine oft zynischen und extrem gewaltverliebten Filme. Dass sie provokant sind, versteht sich wohl von selbst. Egal, wie immer man auch zu seinen Machwerken stehen mag - sie regen meist zum Nachdenken an und hinterlassen oft einen bitteren Nachgeschmack: Robocop war ein knallharter, ironischer SF-Reißer, der eher dadurch von sich Reden machte, dass er zumindest im deutschsprachigen Raum solange zusammengeschnitten wurde, bis man ihn getrost auch ins Vorabendprogramm stecken könnte.
Bei Total Recall - mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle - stand die Frage "Was ist Wirklichkeit?" im Mittelpunkt. Endlich hatte jemand Philip K. Dick, meiner bescheidenen Ansicht nach der beste SF-Autor überhaupt, gelesen und verstanden. Welch einmaliger Glücksfall!
Zweifelhaften Ruhm erntete Verhoeven mit Basic Instinct , einem strunzlangweiligen Softsex-Filmchen das wirklich nur prüdeste Amerikaner zu entsetzen vermag, die beim Gedanken an Kopulation zwischen zwei Vertretern des selben Geschlechts das jüngste Gericht herbeisehnen und beim F-Wörtchen ohnmächtig zusammenbrechen. Zu Showgirls kann ich noch wenig sagen, da ich mir diesen aufgrund der einnehmend vernichtenden Kritiken nicht ansah.
Einen weiteren Skandal verursachte er schließlich mit der Verfilmung des ohnedies heftigst umstrittenen Robert Heinlein-Romans Starship Troopers . Dem mit den Mitteln gediegener Nazi-Propaganda operierenden Film wurde Verherrlichung faschistischer Ideen vorgeworfen, was übrigens auch der belletristischen Vorlage nicht erspart blieb. Hätten sich besagte Kritiker den Film - wenn überhaupt! - genauer angeschaut, sie hätten vielleicht gemerkt, wie ironisch und den Faschismus verhöhnend Starship Troopers doch ist. Nun ja, vielleicht war Verhoeven einfach nur fällig, medial hingerichtet zu werden. Wie dem auch sei, mit Hollow Man gelang ihm zumindest finanziell ein beachtliches Comeback, nachdem Showgirls und Starship Troopers an den Kinokassen völlig abstürzten (wenngleich zumindest zweiterer auf Video sehr erfolgreich läuft). Leider entpuppt sich Hollow Man als Rohrkrepierer, selbst bei oberflächlicher Betrachtung. Die Story ist völlig vorhersehbar und bietet keine Überraschungen.
Kein Wunder: Immerhin stehen die Spezialeffekte im Vordergrund und da muss sich einem meist doch geschriebenen Hollywood-Gesetz folgend die Geschichte - und auch der gesunde Menschenverstand - hinten anstellen. Es ist natürlich ganz hübsch anzusehen, wie Kevin Bacon gewissermaßen "Schicht für Schicht" unsichbar wird, wie er von Wasser benetzt nur spärlich zu erahnen ist, wie ein Gorilla wieder sichtbar wird. Aber ein paar vorzügliche technische Gustostückchen können eine ordentlich erzählte Geschichte einfach nicht ersetzen. Die Technik sollte die Geschichte glaubwürdiger machen, aber nicht plattwalzen. Genau dies muss man dem Film jedoch vorwerfen: Alle Forscher sind relativ jung und knackig, der geniale Wissenschafter ist völlig verrückt, Gewaltexzesse passieren mit Ansage und erwartungsgemäß.
An Verhoevens beste Filme erinnern nur wenige Szenen, etwa, als Kevin Bacon einen jungen süßen Hund tötet. Passenderweise sind beide Akteure unsichtbar, sonst wäre die Szene wohl nie dem Film erhalten geblieben! Die angedeutete Vergewaltigung einer Nachbarin (Rhona Mitra, die als Modell für Lara Croft bekannt wurde und in diesem Film ihre schauspielerischen Fähigkeiten voll ausschöpft: Sie muss nur hübsch aussehen und spricht kein Wort) und weitere für einen am. Film sehr freizügige Szenen wären in fast jedem anderen Hollywood-Streifen wohl undenkbar.
Und dann war da noch jene Sequenz, in welcher eine bedrängte Forscherin Blutkonserven am Fußboden entleert, um so den Unsichtbaren zu sichtbaren Fußabdrücken zu zwingen. Damit hat es sich jedoch mit "Gegen-den-Strich-gestriegelt" und der überwiegende Teil des Filmes könnte genausogut von Spielberg und Konsorten stammen. Zum Schluss hätte ich noch eine Frage: Kennt jemand von euch einen Film, in welchem ein Bösewicht tot liegen bleibt, nachdem er unumstößlich tot sein müsste? Warum kann sich selbst ein eloquenter Regisseur wie Verhoeven nicht dem hirnrissigen Dogma entziehen, dass der Widerling des Filmes nicht sofort tot sein darf? Im vorliegenden Falle steht Caine nach einer Attacke mit einem improvisierten Flammenwerfer gänzlich in Flammen, danach wird ihm mit einer Eisenstange der Kopf zertrümmert, wenig später wird er elektrokutiert, anschließend überlebt er eine gewaltige Explosion und wird dabei erneut völlig verbrannt. Aus alledem nimmt er anscheinend kaum Schaden und behelligt die "Guten" weiterhin. Ich erwarte ja wirklich nicht viel Realismus in so einem Film, aber wenn dermaßen übertrieben wird raubt einem das doch etwas das Vergnügen an dem Film, oder liege ich da falsch?
Sollte jemand meine Frage vernünftig beantworten können, werde ich die Antwort an dieser Stelle veröffentlichen.