Serie/Zyklus: Hiero-Reihe - Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Lange haben die Menschen benötigt, um sich nach dem Atomkrieg zu erholen. Selbst im 8. Jahrtausend nach Christus sind die meisten Städte und Länder von barbarischen Strukturen geprägt. Im Westen Nordamerikas liegt das Reich der Metz, das eine der wenigen zivilisierten Regionen auf dem Kontinent ist. Doch die Feinde, die Unreinen genannt, bedrängen das Land und scheinen in absehbarer Zeit allein durch ihre Anzahl das Land zu überrennen. Um dem vorzubeugen, werden eine Hand voll Kundschafter losgeschickt. Ihr Auftrag: Sie sollen einen sagenumwobenen Computer bergen, der helfen soll, die Verteidigung des Landes zu koordinieren.
Einer dieser Leute ist Per Hiero, ein Kämpfer-Priester dieser neo-christlichen Kultur. Er bricht mit seinem Reittier, einem Elch, auf, um eine der versunkenen Städte aufzusuchen, und beginnt so eine Reise in eine alptraumhafte, fremde Welt. Die Folgen der Radioaktivität haben das Antlitz der Erde in den über 5000 Jahren nach der atomaren Katastrophe verändert. Gewaltige Ratten, Kröten groß wie Elefanten und fremdartige, gefährliche Pflanzen stellen eine permanente Bedrohung dar. Doch es gibt auch positive Aspekte der Mutation: Per Telepathie kann Hiero sich mit seinem Elch unterhalten, und schon zu Beginn seiner Reise schließt sich ihm ein sehr intelligenter Bär an, der zu einem treuen Gefährten wird. Hiero kann über jede Hilfe froh sein, denn recht bald sind die Unreinen auf seiner Spur und trachten nach seinem Leben.
Oft fragt man sich, ob ein Roman wie dieser eher Science Fiction oder eher Fantasy ist. In diesem Fall handelt es sich eindeutig um SF, denn es kommt keine Magie vor und alle Beschreibungen sind stets auf einer sehr wissenschaftlichen Basis - selbst die telepathischen Verbindungen, die Hiero immer wieder aufbaut, sind vollkommen entmystifiziert.
Die Stärken des Romans liegen in den Beschreibungen der postnuklearen Welt der telepathischen Verbindungen zwischen Mensch und Mensch, bzw. zwischen Mensch und Tier. Obwohl der Roman durchweg spannend verfasst ist und Sterling E. Lanier einen guten Schreibstil zeigt, muss auch Kritik angebracht werden: Der Aufbau ist zu geradlinig. Hiero bricht auf und kommt nach einigen Abenteuern an. So gesehen unterscheidet sich das Werk nicht von den Irrfahren des Odysseus, doch schon Homer erkannte das vor 3000 Jahren und erzählte seine Geschichte nicht chronologisch, sondern - sagen wir mal - sehr modern, indem er die Geschichte in der Mitte begann und die zentrale Geschichte der Irrfahrt erst nach ein paar Kapiteln im Rückblick erzählte. Hätte der Autor dies doch nur auch gemacht. So aber ist das Werk eine zu sehr geradlinige Geschichte, die obendrein zum Schluss mit einem sehr abrupten Ende fast abgewürgt wird. Schade eigentlich, denn abgesehen von diesen Schwachpunkten ist die Geschichte großartig.
Der Roman gilt als wegweisend für das Genre. Es gibt eine Hand voll weitere Werke, die das postatomare Amerika beschreiben, wie z. B. David Brins Gordons Berufung. Andere Werke kupferten noch deutlicher ab: Paul O. Williams siebenbändiger Pelbar-Zyklus könnte sogar in genau derselben Welt spielen. Doch keines dieser Werke kommt an Hieros Reise heran. Es sind vor allem die phantasievollen Beschreibungen, die dieses Werk von allen Nachahmern abheben.
Letztendlich wurde aber im Grundaufbau der Geschichte zu viel Potential verschenkt, und letzten Endes reicht es nur für 7 von 10 Punkten.