Titel: Heyne Science Fiction Jahresband 1998 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Das Titelbild von Bob Layzell zeigt eine flugzeugähnliche Rakete in den vorherrschenden Farben blau und rot. Durch den großen Schriftzug und den blauen Block unten auf der Seite wirken die aufgelisteten Autoren eher nebensächlich.
Die fünf Übersetzerinnen und Übersetzer sind zum Teil bekannte Leute. Ulrich Fröschle, Michael K. Iwoleit und Alfons Winkelmann übersetzten aus dem Englischen bzw. aus dem Amerikanischen. Aus dem Polnischen übersetzte Hanna Rottensteiner "Der Kopf der Kassandra" und die Geschichte aus dem Russischen, von den Brüdern Strugatzki, übernahm Roberto Kohlstedt.
Die Illustrationen stammen von Manfred Lafrentz, Jobst H. Teltschik und Ingo Wiegand. Die Karten zu "Der grüne Mars" zeichnete Erhard Ringer. Letzterer ist der Haus- und Kartenzeichner bei Heyne und macht seine Sache immer wieder gut.
Thomas Ziegler - "Eine Kleinigkeit für uns Reinkarnauten"
Die vorliegende Erzählung von Thomas Ziegler muss man genauer betrachten. Neben einer sehr detaillierten Beschreibung einer möglichen Zukunft entwickelt er einen sehr leicht zu manipulierenden Charakter. Valentin, der Protagonist der Erzählung, wird manipuliert und lässt sich manipulieren, von so vielen Seiten, dass er nachher selbst nicht mehr weiß, ist es nun freier Wille oder Manipulation, was ihn zu seinen Taten treibt.
Die Reinkarnauten sorgen dafür, dass bestimmte Menschen der Vergangenheit in die Zukunft transferiert werden, um dort zum Wohle der Menschheit zu wirken. Diese Arbeit nimmt die Scouts sehr stark in Anspruch, macht sie aber zu begehrten Opfern von Geheimdiensten seien das nun der Mossad, der Deutsche Nachrichten Dienst oder die Palästinenser. So gerät Valentin, in Abhängigkeit von seiner Frau, in ziemliche Schwierigkeiten. Was er nicht wusste: Seine Frau arbeitet für den DND, für eine deutsch-zionistische Verschwörung.
Eine sehr interessante Handlung, die treffsicher eine pointierte Beschreibung der Zukunft zeigt.
Kim Stanley Robinson - "Der grüne Mars"
Zu diesem Romanauszug ist nun wirklich nichts mehr zu sagen, denn die Trilogie ist bei Heyne komplett erschienen. Für jemanden, der mal kurz reinschnuppern will, aber ganz interessant.
Arkadi und Boris Strugatzki - "Stalker"
Die zwei russischen Brüder Arkadi und Borsi Strugatzki gelten als bestes Autorengespann und die besten Science-Fiction-Autoren Russlands. Arkadi, der ältere der beiden, war Offizier der sowjetischen Armee, war von Beruf her Linguist, Orientalist und Übersetzer. Boris studierte Astronomie und war Astronom in Pulkowo. Bis 1964 arbeiteten beide als freiberufliche Autoren und wurden ab diesem Zeitpunkt hauptberufliche Schriftsteller. Bis zu Arkadis Tod publizierten sie gemeinsam zahlreiche bedeutende Werke.
Thematisch sprengten sie bald den engen Rahmen, den ihnen die sowjetische Science Fiction vorgab. Die ersten Erzählungen des Autorengespanns waren auch nicht anders als die Science-Fiction-Autoren der sogenannten westlichen Welt. Lediglich der Hintergrund war ein anderer. So ist hier die Erde immer kommunistisch. Eines der bekanntesten Werke ist Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein. Diese Erzählung von 1964 wurde verfilmt und damit einem größeren Publikum bekannt. "Stalker" wurde in der Romanversion Picknick am Wegesrand zu einem Klassiker der Science Fiction und ebenfalls verfilmt. Hier in diesem Sammelband befindet sich nun eine ältere Version.
Stalker ist ein ziemlich heruntergekommener Mensch, der immer wieder angeheuert wird, um in eine bestimmte Zone zu fahren. Diese ist von der UN gesperrt als Sonderzone für außerirdische Lebensformen. Stalker nun führt einen Wissenschaftler in die Zone, in Begleitung eines Schriftstellers. Bereits einmal saß er im Gefängnis wegen illegalen Betretens der Zone. Doch diesmal ist einiges ganz anders.
Marek Baraniecki - "Der Kopf der Kassandra"
Der Kopf der Kassandra ist eine riesige Rakete, die irgendwo in einem Raketensilo steht und den Rest der Bevölkerung bedroht.
Nicht nur, dass es einen großen Krieg gab, die Erde hat auch ihr Magnetfeld umgepolt. Aus Norden ist Süden, aus Süden Norden geworden. Die Natur der Erde orientiert sich neu. Mittendrin ist der Held der Geschichte. Theodor Hornics lebt auf einem Flecken Erde mit Flugplatz und Flugzeughangar. Ab und zu wird er von noch existierenden Staaten oder von anderen Lebensgemeinschaften engagiert, um Raketensilos zu entschärfen. Denn immer noch starten mehr durch Zufall Raketen und zerstören unmotiviert die Welt. Manches Mal treffen sie auf unbewohntes Gebiet und dann wieder auf die Restzivilisation. Und irgendwann geht das Gerücht um, eine Rakete, die ganz alleine in der Lage ist, die restliche Welt zu vernichten, existiere. Kassandra wird zum Wahn des Theodor Hornics.
Die Erzählung von Marek Baraniecki ist sehr anspruchsvoll. Unter dem Deckmantel der Science Fiction wird mit der Psychologie gespielt. Sehr einfallsreich wird der Leser und die Leserin in eine Nachkriegswelt eingeführt. Erst scheint es um eine Abenteuergeschichte zu gehen, doch sehr schnell wird daraus eine jener Geschichten des Inner Space. Hornics steht, als er die Rakete findet, vor der Entscheidung, ob die Menshheit ausgelöscht werden soll oder ob er ihr noch eine Chance gibt. Die Welt lastet auf zwei alten Schultern.