Titel: Herrscher von Lyonesse / Die grüne Perle / Madouc Originaltitel: Lyonesse (1983), The Green Pearl (1985) & Madouc (1990) Autor: Jack Vance Titelbild: Vladimir Bondar Übersetzung: Joachim Pente Verlag: Area Verlag 6/2006, ISBN: 978-3-89996-397-7 & ISBN: 978-3-89996-398-4 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Trilogie Lyonesse handelt vom Kampf um die Vorherrschaft über ein versunkenes Inselreich, das vor der europäischen Küste Bestand hatte. Lyonesse ist ein Königreich auf den älteren Inseln, die etwa vor der Biskaya lagen und vor König Arthur existierte. Damit trifft Jack Vance gleich zwei Entscheidungen: zum einen die räumliche mit den Inseln, die es nie gegeben hat, und zum anderen die zeitliche, indem er sagt 'vor der Zeit von König Arthur'. Diese Angabe ist genauso vage wie die erste Angabe. Zudem verlegt er die Erzählung in ein Mythenreich, da man mit König Arthur gleichzeitig den Bereich der Fantasy betritt.
Die älteren Inseln sind die Heimat zehn untereinander zerstrittener Königreiche und ihrer Regenten. Es ist gleichzeitig die Heimat der barbarischen Ska, von Hexen und Zauberern, Helden und Zauberwesen wie Ogern und Elfen. Jeder der zehn Herrscher hat die machtgierige Anwandlung, Alleinherrscher über ganz Lyonesse werden zu wollen. Ihnen allen voran steht König Casimir von Lyonesse, der seinen Gegenspieler Aillas von Süd-Ulfland bekämpft, wo es nur geht - ob politisch, wirtschaftlich, militärisch oder magisch. Jedes Mittel scheint in diesem Machtkampf erlaubt zu sein. Zur gleichen Zeit werden die Inseln aber von den Ska bedroht, die als Barbaren auftreten, aber voller Stolz sind und alle anderen Länder und Menschen als minderwertig ansehen und entsprechend behandeln. Im Mittelpunkt steht jedoch König Casimir. Der skrupellose Monarch will die Krone des Inselreiches alleine tragen. Seine militärische Kraft reicht allerdings nicht aus, die Macht an sich zu reißen. Aus diesem Grund ist er auf Verbündete angewiesen, die sich nicht sehr einfach finden lassen. Denn jeder andere Herrscher hat die gleichen Vorstellungen wie er. Im Moment herrscht ein Gleichstand in den Kräftezusammenstellungen; so will sich niemand (auch die Magier nicht) auf Casimirs Seite schlagen. Weil die Magier unter sich zerstritten sind, könnte es Casimir vielleicht gelingen, einen oder mehrere auf seine Seite zu ziehen.
Ein weiterer Handlungsstrang entwickelt sich mit der Tochter Casimirs. Suldrun lehnt sich gegen ihren Vater auf. Sie weigert sich, den Mann zu ehelichen, den ihr Vater als Verlobten aussuchte. König Casimir sperrt seine Tochter daraufhin in einen alten Garten ein. Eines Tages wird an die Gestade des Gartens der fast leblose Körper eines Prinzen angeschwemmt, in den sich die Prinzessin haltlos verliebt. Mit ihm zusammen plant sie die Flucht.
In der Fortsetzung geht es, wie der Titels bereits andeutet, um eine grüne Perle. Diese Perle macht Männer wie Frauen willenlos. Sie macht jeden, der sie in seinem Besitz wähnt zum Mörder, stürzt jeden ins Unglück und ist damit die Gefahr für die Menschheit schlechthin. Eines Tages gelangt diese Perle in die Hand von König Aillas. Unmerklich langsam bemächtigt sie sich des Willens ihres Trägers. Sie verändert den König zusehends, aber unmerklich. Als es eines Tages zwischen Casimir und Aillas zum Duell kommt, wird von der Heftigkeit des Kampfes und der dahinterstehenden Macht sogar die Welt der Götter in Aufruhr gebracht.
In Madouc findet der Leser sehr schnell heraus, dass das Enkelkind König Casimirs ein Wechselbalg ist. Aufgewachsen als Enkelin des großen Casimir, lernt sie sehr früh die Magie der Zauberer und Elfen kennen. Mit der Suche nach ihren Eltern setzt Vance einen lesenswerten Abschluss in Szene. Madouc findet heraus, die Tochter einer Fee zu sein. Damit hat sie aber nur einen Elternteil; wer ihr Vater ist, ist immer noch ungeklärt. Aber auch der Machtkampf um Lyonesse geht weiter. In absehbarer Zeit scheint es keinen Sieger zu geben, wie es auch keinen Verlierer gibt. Es sei denn, man bezeichnet alle Nicht-Sieger als Verlierer.
Dem Schriftsteller Jack Vance ist mit dieser Trilogie der ganz große Wurf gelungen. Die Leser sind einfach gefangen vom Zauber einer fremd anmutenden Welt und einer anderen Zeit, einer Welt voller Magie und phantastischer Gestalten, aber auch hilfsbereiter und mächtiger Zauberer. Auf den ersten 100 bis 150 Seiten hat der erste Band der Trilogie einige Schwächen, wie im Übrigen der dritte Band auch. Er zieht sich ein wenig, wird mit der Zeit jedoch schneller und besser. Auch seine eingesetzten Personen werden immer vertrauter und damit gleichzeitig lebendiger. Vor allem in seinen Dialogen zeigt Jack Vance, was in ihm steckt. Da werden Beleidigungen so formuliert, dass man den Eindruck eines Lobes erhält, oder Drohungen werden in der Form eines Scherzes an den Mann gebracht. Mit solchen einfachen literarischen Kniffen werden die Rededuellanten noch lebendiger. Jack Vance ist in der Lage, diese Personen überzeugend zu beschreiben. Er bringt den Leser zur Einsicht, es mit liebenswerten Charakteren und mit Bösewichtern zu tun zu haben. Manche der Hauptdarsteller sind kluge und weise Persönlichkeiten, die dem Leser schnell ans Herz wachsen. Andere wiederum sind so überzeugend mies und fies, dass man sie am liebsten gleich aus dem Buch verbannen möchte. Dabei werden die Handlungsträger gar nicht anders beschrieben als Menschen wie du und ich. Sie gehen so natürlich ihren Interessen nach, als ob sie von lebenden Personen abgeschrieben wären. Seine Helden führen kein leichtes Leben. Die üblichen Fantasy-Eigenschaften werden so weit möglich gemieden manche von ihnen ironisch überspitzt dargestellt oder schlicht durch den Kakao gezogen. Stellenweise sind die Handlungen und Ereignisse vorhersehbar. Dies stört aber nicht weiter, weil man genau diese Handlungen auch erwartet. Jack Vance überrascht immer mal wieder mit seiner Unvorhersehbarkeit - in diesem Fall jedoch nicht. Herr Vance machte sich, vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Zukunftserzählung, einen guten Namen. Seine herausstechendsten Stilmerkmale sind eindeutig die Ironie in Sprache, Handlungsverlauf und Figurenbeschreibung. In seinen Science-Fiction-Erzählungen wurde Herr Vance selbst zu einem Weltenerfinder. Er erfand exotische Kulturen mit ulkigen Bräuchen und Sitten, wie in Die Mondmotte, wo Musik als Verständigungsmittel diente. Er wurde zu einem Schöpfer farbenprächtiger Welten mit exotischen Kulturen und fremdartigen Lebewesen. Dabei wurde er nie zu einem Schriftsteller, der in `Richtung Technik’ tendierte, sondern mehr Wert auf eine stimmige Schilderung entwicklungsgeschichtlicher und menschlicher Gegebenheiten Wert legte. Dabei schilderte der Autor seine Welten so, als ob man selbst dort sei. Er schrieb nicht nur, er war ein Historiker erfundener Welten, verlor sich manchmal in den Einzelheiten und schweifte aus. Mit seiner Namensgebung verwirrte er manchmal die Leser, da die Namen ähnlich klangen, aber doch unterschiedliche Hauptdarsteller meinten. Er war eindeutig ein Sprachkünstler, an den noch niemand heranreicht. Er gilt immer noch als eine Art Geheimtipp. Man kennt ihn vielleicht, aber aus dem Stehgreif wird selten jemand seine Romane oder Kurzgeschichten nennen können.
Dem Area Verlag ist es nun gelungen, die Trilogie in einer guten Aufmachung dem Leser komplett anzubieten. Die dicken, gebundenen Bücher haben eine hervorragende Reihen-Aufmachung, die auf Qualität aus ist. In diesem Fall ist Made in Germany wieder ein aussagefähiges Qualitätsmerkmal. Um den Preis günstig zu halten, wurde zwar günstiges Papier benutzt, das Produkt wirkt aber im Ganzen gesehen nicht billig. Mit den Preisen von 12,95 und 9,95 Euro pro Buch entspricht es dem heute durchaus gängigen Preis von Taschenbüchern. Vom Aussehen gefällt mir die Reihe mit Fantasy-Nachdrucken jedenfalls sehr gut. Wer immer dafür verantwortlich ist: Er oder sie versteht sein / ihr Handwerk.