Serie: Vergessene Reiche - Die Saga vom Dunkelelf Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Als R. A. Salvatore die Figur des Drizzt Do’Urden erschuf war nicht abzusehen, dass dieser Charakter in der folgenden Zeit bei “Sword & Sorcery“- und (A)D&D-Fans nicht nur in den USA zu einem der beliebtesten überhaupt avancieren sollte. In nunmehr fast 20 Jahren ist eine stattliche Anzahl von Romanen entstanden, die entweder von Drizzt selbst handeln, oder aber von anderen Charakteren in und um Menzoberranzan, der berüchtigsten Stadt der Drow. Zudem ist die Figur des chaotisch-guten Dunkelelfen zu einem so festen Bestandteil des “Vergessene Reiche“-Hintergrunds geworden, dass er Aufnahme in diverse Supplemente des D&D-Spiels fand, als Erzähler in Quellenband “Das Unterreich“ fungierte und z.B. auch im PC-Spiel “Baldurs Gate“ seinen Auftritt hatte. Lediglich ein Drizzt-Comic ließ lange auf sich warten. Im Jahre 2005 war es dann soweit: in den USA erschien bei Devil’s Due Publishing mit “Homeland“ die dreibändige Comic-Adaption des gleichnamigen ersten Romans der “Dark Elf Trilogy“, welcher in Deutschland bei Goldmann unter den Titeln “Der dritte Sohn“ und “Im Reich der Spinne“ verlegt wurde. Die deutsche Veröffentlichung des Comics erfolgt im Rahmen der neuen Produktlinie hochwertiger Graphic Novels des Panini-Verlags, in welcher bisher “Die Legende von Huma“, “Tarot - Hexenkrieg“ und “Silent Hill - Drei blutige Erzählungen“ erschienen sind.
Die Story ist rasch erzählt: In der matriarchalischen Gesellschaft der chaotisch-bösen Drow ist das Leben von Dunkelelfen-Männern kaum mehr Wert als Leben eines Sklaven. Drizzt wird in Zeiten eines Krieges gegen das Haus DeVir als dritter Sohn des Hauses Do’Urden geboren und ist daher als Opfer für die bösartige Spinnengöttin Lolth vorgesehen. Durch einen glücklichen Zufall entgeht er jedoch diesem Schicksal und wird in die Obhut seiner Schwester Vierna überstellt, damit sie das Kind mit den eigentümlich violetten Augen erzöge.
Nachdem er alle ihm auferlegten Prüfungen überlebt hat, steht um seinen sechzehnten Geburtstag herum die Entscheidung über seinen weiteren Lebensweg an. Obwohl die Matriarchin des Hauses Do’Urden den Jungen auf der Schule Sorcere zu einem Magier ausbilden lassen will, kann sie der berühmteste Schwertmeister Menzoberranzans, Zaknafein, davon überzeugen, ihm Drizzt zur Ausbildung zu überlassen. Der junge Drow, der sich als talentierter Schüler erweist, entwickelt sich rasch zu einem der gefürchtetsten Kämpfer der Stadt, wobei allerdings sein reines Wesen den anderen Drow zunehmend ein Dorn im Auge ist. Um seinen Willen zu brechen und ihn mit dem Hass auf alles Leben zu korrumpieren, schicken die Frauen ihn schließlich auf die Akademie der Kämpfer, nach Melee-Magthere. Das Einzige jedoch, was dort erwacht und in ihm wächst, ist Drizzts Verachtung für den dunklen Weg, dem seine Rasse folgt.
Doch nicht nur wegen seines guten Charakters schwebt der junge Dunkelelf in ständiger Gefahr. In all den Jahren -seit Drizzts Geburt- arbeitet der letzte überlebende DeVir auf den Untergang des Hauses Do’Urden hin, spinnt mit Hilfe von Verbündeten im Verborgenen seine Intrigen. Nun hält er die Zeit der Abrechnung für gekommen.
Kommen wir zur kritischen Würdigung: storytechnisch überzeugt “Heimatland“ durch die sehr werknahe Umsetzung. Das heißt, die großen Handlungszusammenhänge sind treffend, unverzerrt abgebildet und zentrale Dialoge fast wörtlich aus den Romanen übernommen. Die Zerrissenheit Drizzts oder Zaknafeins wird ebenso anschaulich und differenziert rübergebracht wie die Bösartigkeit und das intrigante Wesen der restlichen Drow-Gesellschaft, wobei dieses nicht nur durch die Texte sondern auch durch die in den Zeichnungen dargestellte Mimik und Gestik der Protagonisten transportiert wird. Kleinere Ungenauigkeiten in der Übersetzung -so lautet bspw. der Plural von Svirfnebli nach offizieller D&D-Diktion Svirfnebli und nicht Svirfneblis; DeVir wird im Comic zu Devir und Drinnen zu Drinden- sollen zwar der Vollständigkeit halber erwähnt werden, spielen aber angesichts des positiven Gesamteindrucks keine signifikante Rolle
In künstlerischer Hinsicht kann “Heimatland“ nicht ganz das halten, was Salvatores Story verspricht. Die Aufteilung der Seiten folgt mit ihren fünf bzw. sechs gegeneinander abgrenzten Panels einer “klassischen“ Comic-Erzählweise, wobei jedoch an wenigen Stellen dieses starre Schema zurückhaltend durchbrochen wird.
Figuren wie Hintergründe sind relativ flächig, detailarm und mit klaren Konturen ausgearbeitet. Ihre Tiefe erhalten sie eher aus der Farbgebung heraus, denn durch eine zeichnerische Strukturierung (bspw. durch Schraffuren). Insgesamt wohnt vielen Bildern auf Grund der Betonung der Haare, den ausdrucksstarken Gesichtern und nicht zuletzt dem Posing der Charaktere ein verhalten mangahafter Anklang inne.
Weitgehend misslungen ist die Darstellung der dunkelelfischen und elfischen Kinder. Grundsätzlich gerät das Zeichnen von Kindern für viele Comic-Künstler auf Grund ungewohnter Proportionen und weicher Gesichtszüge zur Schwerstarbeit. Das darf jedoch keine Entschuldigung dafür sein, ihnen -wie hier geschehen- durch Ballonköpfe und Riesenaugen ein bizarr mutantenhaftes Äußeres zu verleihen, zumal die Erwachsenen durchaus wohlproportioniert entworfen sind.
Bei der Farbgebung bedienen sich die Künstler entsprechend dem unterirdischen Handlungsort gedeckter Töne, wobei Blau und Farben mit deutlichem Blauanteil die Bilder dominieren. Vor diesem dunklen, fast schon monochromen Hintergrund werden insbesondere die magischen Effekte durch helle und kräftige Buntfarben sehr schön in Szene gesetzt.
Alles in allem muss man aber konstatieren, dass das Artwork an keiner Stelle über Mainstream-Niveau hinausgeht und damit künstlerische Unverwechselbarkeit kein Merkmal dieses Comics ist.
Um zu einem Ende zu kommen: An der exzellenten Aufmachung -dem Papier, dem beschichteten Cover, der Qualität des Drucks und der Leimung- gibt es einmal mehr nicht das Geringste auszusetzen.
Fazit: Eine großartige Story, der bedauerlicherweise die qualitativ durchschnittlichen Zeichnungen nicht voll gerecht werden. Dennoch kann man “Heimatland“ allen Fantasy-Fans bedenkenlos empfehlen. Und auch jene Leser, die schon die zugrunde liegenden Romane kennen, werden Freude daran haben, ihren Helden “leibhaftig“ kämpfend vor sich zu sehen.