Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Von Peter Straub erschien in deutscher Übersetzung zuletzt seine zweite Zusammenarbeit mit Stephen King "Das schwarze Haus", welches eher durchschnittliche Kritiken einheimste und insgesamt als schwächer beurteilt wurde wie ihre erste Zusammenarbeit "Der Talismann".
Mit "Haus der blinden Fenster" liegt nun wieder ein Kurzroman aus der Feder des amerikanischen Autoren vor, der erst im letzten Jahr in den USA erschien und für den Bram Stoker Award, den British Fantasy Award und den International Horror Guild Award nominiert wurde. Allesamt Auszeichnungen, die über einen gewissen Stellenwert in der Szene besitzen und deutlich werden lassen, dass Peter Straub einen beachtenswerten Roman verfaßt hat.
Peter Straub kehrt in diesem Roman in seine Stadt Millhaven zurück. Einen Ort, der bereits aus den Romanen Koko, Der Schlund und der Kurzgeschichte Blaue Rose bekannt ist. Eine der beiden Hauptfiguren des Romans ist Tim Underhill, der ebenfalls kein Unbekannter in Peter Straubs Werk ist. Obwohl schon einige Jahre ins Land gegangen sind, wird sich vielleicht noch der eine oder andere an die Geschichten aus Millhaven erinnern.
Die Story beginnt mit dem Tod von Nancy Underhill, Tims Schwägerin, die Zeit ihres Lebens, ebenso wie sein Bruder, nie aus Millhaven herausgekommen ist. Sie führte kein einfaches Leben, denn Tim Bruder Philip war kein einfacher Ehemann. Fixiert auf eine Karriere im Schuldienst und mit der Welt bei weitem nicht im reinen, vernachlässigte er seine Ehefrau und seinen pubertierenden Sohn Mark. Mit seinem älteren Bruder Tim, der mittlerweile der Kleinstadt Millhaven entflohen und ein bekannter Unterhaltungsschriftsteller geworden ist, verbindet ihm recht wenig. Die Besuche Tims wirken immer gezwungen und lediglich Nancy freut sich jedesmal.
Kurz nach der Beerdigung Nancys verschwindet Mark. Geht Philip erst noch davon aus, dass sein Sohn nach New York zu seinem Onkel "geflohen" ist, wird schnell deutlich, dass dem nicht so ist. Tim kehrt umgehend nach Millhaven zurück, schaltet seinen Freund Tom Pasmore, den Lesern bereits aus Der Schlund bekannt, ein und quetscht Marks besten Freund aus, der ihm nach und nach erzählt, was beide seit dem Tod von Nancy erlebt haben.
Hier kommt das "Haus der blinden Fenster" ins Spiel. Bei diesem handelt es sich um ein heruntergekommenes Haus, welches mit seiner Grundstücksrückseite an die von Marks Eltern grenzt. Nur getrennt von einem kleinen Pfad und einer hohen Mauer, die auf dem längst verlassenen und heruntergekommenen Grundstück errichtet wurde. Mark, der mit einem Male die Existenz dieses Hauses wahrnimmt, wird magisch von diesem angezogen. Eimal meint er ein kleines Mädchen in dem Haus gesehen zu haben, ein anderes Mal einen großen, massigen Mann. Obwohl sein Freund versucht ihn von dem Haus fernzuhalten, nimmt es Mark immer mehr gefangen.
Recht schnell finden die beiden heraus, welche Geschichte dieses Haus hat und das die unheimliche Ausstrahlung nicht von ungefähr kommt. Auch Tim Underhill findet einiges über das Haus heraus, entdeckt aber noch eine ganz andere Spur. Seit einigen Jahren verschwinden in jedem Sommer Jungen aus Millhaven und Umgebung. Sie tauchen nie wieder auf, bis auf einen, den man tot an einem Flußufer gefunden hat. Tim befürchtet das schlimmste.
Die Handlung des Romans wird aus zwei verschiedenen Sichtweisen erzählt. Da ist zum einen die von Tim, der zuerst seine Schwägerin beerdigen und dann einige Tage später nach Millhaven zurückgekehrt, um seinen verschwundenen Neffen zu suchen. Zum anderen die von Mark, der vor allem von dem Haus fasziniert ist und unbedingt mehr über seine ehemaligen Bewohner herausfinden möchte.
Beide Handlungsebenen laufen nicht zusammen, sondern bleiben getrennt. Während Tim auf die Spur eines Massenmörders stößt, von dem er ausgehen muss, dass Mark auch ein Opfer dieses wurde, ist Mark auf eine andere Ebene des Seins gestoßen. Sein Verschwinden stellt sich als wesentlich phantastischer heraus als Tim es sich zuerst vorstellen konnte.
Die Stärken von Peter Straub liegen eindeutig im erzählerischen. Seine Figuren sind überaus plastisch geschildert und agieren ebenso glaubwürdig. Sein Stil ist sehr ausgereift und nicht effekthascherisch. Er nimmt sich den Raum für ausführliche Schilderungen, die aber nichts überflüssiges beinhalten. Wo ein Stephen King viele Seiten benötigt, um ein umfassendes Handlungsbild zu kreieren, genügen Peter Straub einige Absätze. Dabei ist die Handlungsebene um den Massenmörder sehr geradlinieg und schnörkellos verfasst, was der Länge des Kurzromans geschuldet ist. Dass Peter Straub aus solch einem Gerüst einen weitaus umfangreicheren und wendungsreicheren Roman verfassen kann, hat er bereits durch vorhergehende Werke unter Beweis gestellt. Im Vordergrund steht auch mehr die Beziehung zwischen Mark und Tim, die sich erst nach und nach entwickelt und sich am Ende als sehr stark erweist.
Am Ende muss Tim akzeptieren, dass Mark sich für ein ganz anderes Leben entschieden hat, nie wieder in seine Welt zurückkehren wird und er der einzige ist, dem sich sein Neffe offenbart. Eine schwere Hinterlassenschaft.
Mit "Haus der blinden Fenster" hat Peter Straub sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er zu den besten Schriftstellern der amerikanischen Phantastikszene zu zählen ist.