Titel: Die gelöschte Welt Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Das Leben ist hart, eines der härtesten überhaupt. Das bemerken vor allem die Menschen, die einen nicht näher bezeichneten Krieg überlebten. Sie überleben entlang einer als Jorgmund Pipeline bezeichneten Röhrentrasse. Diese Pipeline verströmt das sogenannte FOX, einen Stoff, der die Menschen am Leben erhält. Die Personen, die sich alsbald in den Mittelpunkt einer phantastischen Handlung gerückt sehen, sind bis 21 Uhr guter Dinge. Sie spielen in der Namenlosen Bar Poolbillard. Das Spiel endet abrupt, als das Licht ausgeht. Der Wirt bemüht sich mittels seiner vier Schweine, einen Notstromgenerator anzuwerfen, damit der Fernseher wieder funktioniert und natürlich das Licht für seine mehr als heruntergekommene Kneipe. Der Viertakt-Schweine-Motor schafft das Unmögliche - und wie Hamster im Rad rennen die Schweine im Kreis, den Strom zu liefern. Kurz darauf erkennen die Mitglieder der Haulage & Hazmat Emergency Civil Freebooting Company of Exmoor County, dass sie plötzlich gefragte Leute sind. Dies merkt vor allem CEO und Einsatzleitung Sally J. Culpepper. Die Gruppe soll sich auf den Weg machen, um die durch einen Sabotageakt zerstörte Pumpstation zu retten, das Feuer zu löschen. Wie das vor sich gehen soll, erfährt der Leser auf Seite 33 in vier Punkten. Auf dieser Seite stellt der Icherzähler und Mitglied der Gruppe die wichtigste Frage:
"Wie, zum Teufel, konnte die Leitung, immerhin ein Teil dieses immer betriebsbereiten, unverwüstlichen und sichersten Bauwerks, das Menschen je geschaffen hatten, wie konnte ein Baustein in diesem dreifach redundanten, vielfach überprüften Werk der hingebungsvollsten Zusammenarbeit der Menschheitsgeschichte, wie konnte dieses unverwundbare Ding überhaupt Feuer fangen?"
Ja, es ist nur ein Satz. Solche Schachtelsätze sind nicht etwa Einzelfälle. Also das Buch durchaus langsam lesen, sonst geht der Sinn irgendwo verloren. Die Frage beantwortet man wie folgt: Man hat es angesteckt. Aber wer und warum, weiß erst einmal niemand. Also auf geht's, die Welt gerettet. Die besten Voraussetzungen dafür bietet die Jorgmund Company, vertreten durch einen als Bürotrottel bezeichneten Herrn mit Namen Dick Washburn. Allerdings nennt der Erzähler ihn auch Dickwasch, wenn es ihm mit Bürotrottel zu viel wird.
Nachdem die kleine Truppe mit supertollen Fahrzeugen ausgerüstet wurde, begibt sich der Erzähler auf eine etwas längere Vergangenheitsschau. Dabei erzählt er viel von seinem Kumpel Gonzo William Lubitsch. Man frage jetzt nicht, warum, aber bei diesem Namen muss ich immer an die Muppetshow denken.
Wie auch immer die Handlung weitergehen mag, dies herauszufinden muss der Leser herausfinden, indem er sich das Buch zulegt. Dabei erzählt der Erzähler, wer auch sonst, wie es vor der großen Auseinandersetzung auf der Welt aussah. Die bösen Buben aus dem seltsamen Himalaja-Land Addeh Kadir, dem kapitalistischen Wahnsinn und all das, was dazu führte, dass der seltsame Krieg und die noch seltsameren Stadtstaaten der Überlebenden entstanden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, was FOX macht. Und außerhalb der Schutzzone um die Pipeline erwächst Böses. Gerade aber daran ist FOX schuld. So dient das Zeug zum Überleben für die restlichen Bestandteile der Menschen und sorgt für Leben in den anderen Bereichen, die sich ganz gern mal mit Menschen beschäftigen.
Nachdem der Brand endlich gelöscht wurde, macht sich unser Erzähler jedoch auf - Selbstgespräche haltend und damit dem Leser erst erklärend, was er treibt -, die Welt zu erkunden und das Monopol der Jorgmund Gesellschaft zu ergründen. Denn eine Frage bleibt. Wer war's?
„Die gelöschte Welt“ von Nick Harkaway ist eine erfrischend neue Erzählung. Mir gefällt der Stil, den Jürgen Langowski als Übersetzer einsetzt, mir gefällt der erfundene Hintergrund, mir gefallen die Leute, die als Handlungsträger ge- und missbraucht werden, und vor allem der Icherzähler. Ich denke, der Autor hatte viel Spaß daran, diese Geschichte zu erzählen. Ich zumindest hatte viel Spaß daran, sie zu lesen. Wer immer bei Piper dafür verantwortlich war, diese Geschichte einzukaufen, er hat es gut gemacht. Super unterhaltend.