Reihe: Gruselkabinett, 34. Band Eine Besprechung / Rezension von Max Pechmann |
„Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön “ Das hatte sich sicherlich auch der Protagonist Aldous Brisbane gedacht, bevor er an Bord der Kamtschatka ging. Die Koje 105, die er trotz aller Warnungen in Beschlag nimmt, belehrt ihn jedoch eines Besseren.
Zum zweiten Mal wagen sich die beiden Hörspielmeister Marc Gruppe und Stephan Bosenius hinaus aufs offene Meer. Brachten sie uns in Folge 22 Heinrich Heines Fliegenden Holländer näher, so vertonen sie in „Die obere Koje“ eine Erzählung des amerikanischen Romanciers Francis Marion Crawford (1854-1909). Galt er zu seiner Zeit als einer der meist gelesenen Autoren realistisch-romantischer Romane, hielt ihn das nicht davon ab, auch ein paar Erzählungen zum Genre der Schauerliteratur beizutragen. Zu seinen bekanntesten Kurzgeschichten in dieser Hinsicht dürfte sicherlich „The Screaming Scull“ (1908) zählen, die auch in deutschsprachigen Anthologien immer wieder abgedruckt wird. Seine Begabung für das Unheimliche macht sich nicht weniger in „The Upper Berth“ (Die obere Koje, 1894) bemerkbar, die für viele zu den unheimlichsten Geschichten zählt, die jemals geschrieben wurden.
Schon seit Jahren existieren schreckliche Gerüchte über die Koje 105 des Passagierschiffes Kamtschatka. Niemand weiß genau, was eigentlich so unheimlich daran sein soll. Da Aldous Brisbane nicht an Gespenster glaubt, bucht er die Kabine, in der sich Koje 105 befindet. Diese befindet sich direkt über seiner eigenen. Das einzig Sonderbare, das Brisbane auffällt, ist die Unverschämtheit des Passagiers, der hinter vorgezogenen Gardinen in der oberen Koje liegt und ihn nicht einmal begrüßt. Doch die erste Nacht bringt gleich weitere eigenartige Zwischenfälle. Merkwürdige Laute, ein sich wie von selbst öffnendes Fenster sowie ein zunehmendes Gefühl von Bedrohung. Von Nacht zu Nacht werden die Zwischenfälle schlimmer. Brisbane möchte die Koje dennoch nicht wechseln. Vielmehr beschließt er, hinter das Geheimnis des Spuks zu kommen
Mit „Die obere Koje“ gelang Marc Gruppe und Stephan Bosenius ein Hörspiel, das die Bezeichnung „Grusel“ zu hundert Prozent verdient. Selbst mir als erprobtem Horrorfan lief so manches Mal eine Gänsehaut über den Rücken. Die gespenstischen Geräusche sind beiden diesmal sehr überzeugend gelungen. Die unheimlichen Geschehnisse sind überaus plastisch dargestellt. Die wie immer hervorragenden Dialoge erzeugen zusätzliche Spannung und Dichte, die das Hörspiel in keiner Minute langweilig erscheinen lassen. Hinzu kommen natürlich auch noch die Stimmen der überaus professionellen Sprecher, die das gesamte Stück sehr lebendig werden lassen. Wie auch in den übrigen Folgen der Reihe Gruselkabinett gelingt es Marc Gruppe und Stephan Bosenius, anspruchsvolle Schauerliteratur auf konsequente Weise zu vertonen. Liebhaber klassischer Gruselgeschichten kommen hier erneut voll auf ihre Kosten.