| Reihe: Das goldene Jahrhundert, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Moplai, der Mörder des Vaters und der Schwester Bernard Beaumonts, arrangiert für Alphonse und den Jungen die Überfahrt an Bord der „Lune de Mel“ zu den Antillen, um - wie er sagt - seine Schuld gegenüber Bernard abzutragen. Auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entspricht, so dürfen die beiden Flüchtlinge dennoch hoffen, in der Karibik vor den Nachstellungen der Auftraggeber Moplais sicher zu sein.
Doch als sie ihr Ziel erreichen, erweist sich die Hoffnung auf Sicherheit als trügerisch, denn der korrupte Kapitän der „Lune de Mel“, Libert, denunziert Alphonse und Bernard vor Ort als französische Deserteure und verkauft sie kurzerhand in die Sklaverei. Nach einem Jahr auf den Feldern entschließt sich der Junge, als sich die Gelegenheit bietet, auf Zureden eines alten Freibeuters zur Flucht und lässt trotz aller Skrupel seinen ehemaligen Retter, Alphonse, zurück, denn Bernard fürchtet, dass er selbst keine weiteren 12 Monate überleben wird.
In den folgenden zwei Jahren mausert sich der Junge in der Gesellschaft der Freibeuter zu einem mutigen Jäger und Kämpfer und kehrt schließlich auf die Felder zurück, von denen er einst floh, um Alphonse zu holen. Doch diesen haben die drei Jahre der Sklaverei in ein vollkommen gebrochenes seelisches Wrack verwandelt, so dass sich Bernard alleine ihrem Peiniger stellen muss.
Während im ersten Album der Tagelöhner Alphonse im Mittelpunkt der Geschichte stand, liegt der Schwerpunkt nun von Beginn an auf Bernard, der zunächst das Geschehen durch Tagebucheinträge kommentiert und es später aktiv forciert. Doch nicht nur der Fokus hat sich verändert: verglichen mit Band eins ist die Geschichte merklich düsterer, Hintergrund und Atmosphäre sind exotischer, intensiver und die Figuren - in erster Linie Moplai - gewinnen an Ambivalenz bzw. werden vielschichtiger. Die Handlungsbögen selbst stellen spannende, gefällig inszenierte Variationen hinlänglich bekannter, klassischer „Mantel & Degen“- bzw. „Piraten“-Abenteuer dar.
Das wirklich Herausragende dieses Albums ist jedoch das Artwork Andriveaus. Sind seine Figuren nach wie vor grafisch markante, eigenständige Objekte, so zeugen die Bilder, in denen die Schiffe und das Bordleben, aber auch die urbane Umgebung auf den Antillen im Mittelpunkt stehen, mit ihrem Detailreichtum, dem Sinn für Perspektiven und Proportionen von einer Meisterschaft, wie man sie nur selten findet. Einzelne Panels sind künstlerisch so grandios gestaltet, dass man sich zuweilen in den Details und der durch die Koloration perfekt unterstützten Atmosphäre verliert. Und ist es nicht diese Selbstvergessenheit, die man als Leser auf die eine oder andere Weise auch in Comics sucht?!
Fazit: Grandiose Zeichnungen erwecken eine klassische Abenteuer-Geschichte zum Leben, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen nimmt und ihn dem dritten Band regelrecht entgegenfiebern lässt.