Reihe: Götterdämmerung, Band 2
Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Kommandant Raymond Farr macht sich mit dem Raumschiff Hemera auf die Suche nach dem Kreuzer Nemesis. Von der dort vermuteten Miriam erhofft er sich Aufklärung über den Untergang einer großen Föderationsstation - und die Fortsetzung einer unerfüllten Liebe. Während im Vordergrund Farr seine beschwerliche Reise mit der Hemera beginnt, bilden sich im Hintergrund neue Allianzen und ergeben sich neue Gefahren - eine Bedrohung nicht nur für die Föderation, sondern darüber hinaus. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Freund und Feind und bislang gepflegte Beziehungen müssen neu hinterfragt werden...
Der erste Band der "Götterdämmerung"-Reihe von Frank W. Haubold ist mir als Glanzstück deutschsprachiger Space Opera in Erinnerung geblieben. Trotzdem habe ich mir bei der Lektüre des vorliegenden, zweiten Bandes etwas schwer getan. Haubold fasst zwar auf zwei Seiten die Vorgeschichte, also den Inhalt von "Die Gänse des Kapitols", gut zusammen - allerdings hat man auf den ersten Seiten immer das fragende Gefühl im Hinterkopf, ob dieses oder jenes Ereignis wirklich im Vorläuferband behandelt wurde? Es lohnt sich definitiv, Band eins vorab nochmals zu lesen, um die ganze Breite von Haubolds Theaterstück erfassen zu können.
Denn in Götterdämmerung wird trotz des plakativen Etiketts "Space Opera" nicht all zu sehr auf Action und Raumschlachten gesetzt, im Vordergrund stehen bei Haubold die Charaktere und deren deutlich sichtbare Entwicklung. Allerlei Handlungsebenen, nebenher eingeflochtene historische Hintergründe und komplexe Beziehungen der Protagonisten untereinander lassen den Roman sehr vielschichtig wirken. Die eingängigeren Handlungsstränge, wie beispielsweise die Suche nach dem Raumschiff "Nemesis", werden durch fast schon lyrisch wirkende Episoden Ebenen aufgebrochen, in der ein hauboldscher Rainer Maria Rilke seine Sicht der Dinge kund gibt. Dies ist aber keineswegs kitschig oder dick aufgetragen, sondern stattdessen immer stimmig und passend.
Nur, als Haubold diese Idee weiterspinnt und einen Klon von Jim Morrison auftreten lässt, beginnt dieser Kunstgriff übertrieben zu wirken.
Worauf man sich in Haubolds Roman definitiv einstellen sollte, ist das Lesen mit Bedacht. Die Art und Weise, wie die einzelnen Handlungsstränge sich gegenseitig ablösen, kann positiv oder negativ gesehen werden. Positiv - ein Aufbruch klassischer (und ausgetretener) Pfade einer Space Opera mit den Hilfsmitteln eines bedächtigen und sehr emotionalen Stils. Negativ - heutige Leser, vor allem pauschal von großen Publikumsverlagen als soche abgestempelte, moderner Space Opera erwarten wesentlich mehr Tempo, mehr Action, mehr Raumschlachten. Stattdessen muss sich Kommandant Farr nach einer kurzen, kritischen Begegnung mit einem Raumschiff fast genauso lange vor seiner Schiffsintelligenz rechtfertigen, wie die eigentliche Actionsequenz Raum einnahm. Ob man das mag oder nicht, ist dem Geschmack des Lesers überlassen - oberflächliches und nicht hinterfragtes Getue wird man hier nicht finden. Ähnlichkeiten mit einem Rollenspiel drängen sich auf - eine klassische Fantasyquest, in der die Helden von einem Ort zum nächsten Reisen und immer ein für die weitere Reise praktisches und nützliches Artefakt geschenkt bekommen.
Aber - ja, jetzt kommt das "aber" in der jubelnden Rezension - trotz aller Aufgeschlossenheit hat man es mit Band 2 erheblich schwerer als mit dem Erstling. Das liegt nicht unbedingt an der Melancholie, die den ganzen Roman etwas überzieht, vielmehr erhofft man sich ein paar Lösungen der Rätsel, die in "Gänse des Kapitols" aufgestellt wurden und konsequent in "Das Todes-Labyrinth" weiter unangetastet bleiben. Ein paar zarte Hinweise auf die künftige Handlung kann man erkennen, allerdings überfrachtet Haubold die Erzählung - zusätzlich zu den weiter offen bleibenden Fragen - mit neuen Begebenheiten und neuen rätselhaften Protagonisten. Teilweise bemüht er sehr das Element des "Sense of Wonder", was grundsätzlich in meinen Augen immer zu großer Begeisterung führt. Allerdings bleiben am Ende des Buches doppelt so viele Erklärungen offen, als die Zahl derer, mit denen man die Lektüre begonnen hat. Kann frustrieren, zumal mit dem Nachfolgeband auch erst in etwa einem Jahr gerechnet werden kann. Hier wäre weniger vielleicht nützlich gewesen, um neue Leser zu finden und alte zu halten.
P.S. Andere Rezensenten bemängeln die "ausufernde Erotik" in Haubolds Roman. Ich habe aber schon schlimmeres und unpassenderes gelesen ;-)