Titel: Götterdämmerung Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Berühmt wurde Tanja Kinkel durch ihre historischen Romane, die in mindestens einem Dutzend Sprachen übersetzt wurden. Mit "Götterdämmerung" legt sie nun ihren ersten Wissenschafts-Thriller vor, der über eine gehörige Portion Science Fiction verfügt, obwohl dieser Begriff selbstredend nicht auftaucht.
Der Held ihres Romanes ist Neil LaHaye, der vor Jahren mit einem Sachbuch über die Verstrickung der USA-Regierung in den im eigenen Land durchgeführten Atombombentest zusammen mit einem Freund berühmt und berüchtigt wurde. Sein letztes Buch über die Behandlung der Gefangenen "Terrorristen" des Militärstützpunktes auf Kuba brachte ihm dagegen den Ruf eines Vaterlandsverräters, Morddrohungen und eine überaus schlechte Publicity ein. Ein Lehrauftrag in Cambridge rettet ihm vor den finanziellen und beruflichen Ruin.
Privat hat er seine zwei Jahr zurückliegende Scheidung immer noch nicht verwunden. Seine Kinder liebt er weiterhin abgöttisch mit seiner Ex-Ehefrau führt er dagegen eine persönlichen Kleinkrieg aus.
Als Journalist würde er erst wieder wahrgenommen werden, wenn er sein letztes Buch und seinen daraus resultierenden Ruf vergessen machen könnte. Ein neuer Bestseller muss also her.
Mehr durch Zufall beschäftigt er sich mit der Thematik AIDS und den Anfängen dieser Krankheit. Bei seinen Recherchen über die allerersten Opfer dieser Imunschwäche stößt er mehrmals auf dem Namen Dr. Sanchez, der ein überaus fähiger Wissenschaftlicher gewesen sein soll, nun aber seit den knapp 20 Jahren von der Bildfläche verschwunden ist.
Bei seinen Bemühungen mehr über Dr. Sanchez und den ersten AIDS-Opfern herauszufinden nutzt er verschiedene Chatroums. Mit einem der anonymen Nutzern schließt er mehr oder weniger soetwas wie Freundschaft. Was er zuerst nicht weiß: es handelt sich um die Tochter von Dr. Sanchez, die zusammen mit ihrem Vater und weiterer Forscher in der Abgeschiedenheit von Alaska seit Jahren im Auftrag einer der größten Pharmakonzerne forscht.
Beatrice, die ebenfalls mehr über die Vergangenheit ihres Vaters erfahren möchte und mit den neuesten Entwicklungen ihrer Forschungseinrichtung nicht mehr ganz einverstanden ist, arangiert ein Treffen zwischen den beiden. Obwohl Dr. Sanchez eine Zusammenarbeit mit Neil ablehnt, bleiben Beatrice und Neil in Kontakt.
Während Neil außerhalb der Forschungseinrichtung seine Kontakte spielen läst, versucht Beatrice innerhalb mehr über gewisse Forschungsprogramme zu erfahren. Dabei stören sie nicht nur die Sicherheitsbedürfnisse eines Pharmakonzerns, sondern auch die des Militärs. Sehr bald spüren sie die Allmacht solch einer Organisation am eigenen Leibe.
Tanja Kinkel hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sie sehr viel Zeit auf die Recherche für "Götterdämmerung" verbracht hat. Sie war in den Vereinigten Staaten und hat sogar mit ehemaligen Regierungsmitgliedern und dem Ex-Präsidenten Bill Clinton gesprochen. Sie muss ganze Ordner von Hintergrundmaterial beim Verfassen des Romans zur Verfügung gehabt haben. Benutzt hat sie es jedenfalls nur in Ansätzen. Der Roman ist keineswegs weitschweifig oder zu ausladend verfaßt. Sie konzentriert sich auf die wesentlichen wissenschaftlichen Aussagen und bringt diese komplizierte Materie vereinfacht und für den Durchschnittsbildungsbürger verständlich zu Papier. Die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse stehen nicht im Vordergrund, sondern die Thriller-Handlung. Sie vermag über den gesamten Roman hinweg die Spannung zu halten, selbst als sie einige ruhigere Abschnitte am Ende hin einschiebt. Dem Leser ist aber bewußt, dass dies die Ruhe vor dem großen Finale ist, einem letzten Durchatmen gleich, bevor der Roman rasant an Fahrt gewinnt.
Ein männlicher Held und eine weibliche Heldin, die sich ineinander verlieben und von mächten Gegner gejagt werden, stellt wahrlich kein neues Szenario dar. Auch die Möglichkeiten der Biotechnologie in der modernen Kriegsführung wurden bereits von anderen Autoren aufgegriffen. Für Tanja Kinkel stellt ihr erste Ausflug in das Thriller-Genre sicherlich etwas besonderes dar, für viele Leser dagegen nicht.
Die Erzählstruktur und der Romanaufbau haben mir, der ich hin und wieder mal einen Krimi oder Thriller lese, zugesagt. Die Handlung schreitet rasant voran und weist ein so nicht vermutetes Ende auf. Es dürfte jedenfalls nicht den Lesegewohnheiten von Thriller-Fans entsprechen.
Die Recherchearbeit macht sich durchgehend positiv bemerkbar. Tanja Kinkel hat einen in sich stimmigen Roman verfaßt, der aufzeigt, was bereits heute oder in der nahen Zukunft wissenschaftlich möglich sein wird. Glaubhaft sind auch die Spekulationen hinsichtlich der Bereitschaft von Wissenschaftlern und Militärs die moderne Biotechnik für ihre Zwecke zu nutzen.
Obwohl der Roman in der Gegenwart spielt, ist vieles Science und Fiction. Es fragt sie nur wie lange noch?
Götterdämmerung - Rezension von Ulrich Blode