Titel: Glacial Period (Louvre) Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Viele tausend Jahre in der Zukunft erforscht eine Gruppe Archäologen, angeführt von einigen Hunden, eine unwirkliche Eiswüste, unter der sie eine sagenumwobene Metropole vermuten, die ihnen das Vorhandensein einer menschlichen Kultur vor ihrer Zeit beweisen soll. Erst stoßen die Wissenschafter und ihre genetisch aufgebesserten Führer auf ein verfallenes Gebäude, welches über und über mit Graffiti bedeckt ist. Sogleich vermuten sie einen kultischen Tempel vergangener Zeiten und können mit den Hinterlassenschaften unserer Zivilisation nichts anfangen. Einige Zeit später jedoch entdeckt Hulk, einer der Hunde, den Eingang zu einem weitaus besser unter dem Schnee erhaltenen Gebäude und beginnt es zu erforschen. Es stellt sich als eine Institution namens Louvre heraus und birgt eine unübersichtliche Menge an Kulturgütern und Kunstgegenständen. Für Hulk beginnen all diese Statuen, Bilder und Zeugnisse einer weit entfernten Vergangenheit zu leben und sie alle berichten ihm von der Schönheit, der Größe, aber auch von den Fehlern der untergegangenen Zivilisation. Schlussendlich vereinigen sich die Kunstgegenstände in ein einziges, machtvolles phantastisches Wesen und nimmt Hulk mit auf eine Reise ins Ungewisse.
Die Zusammenarbeit des Verlages mit dem Louvre macht sich bezahlt, der Leser des Graphic Novel bekommt nicht nur eine interessante SF-/Fantasy-Geschichte geliefert, gewürzt mit allerlei aus unserem Blickwinkel humorvollen Ereignissen. Die Begegnung mit den Kunstgegenständen steht hier im Vordergrund. Mehrere hundert dieser Artefakte lernt der Leser im Laufe des Bandes kennen - wobei ein Verzeichnis am Ende etwas Übersicht in Bezug auf die aufgetretenen Bilder und Statuen gibt. All diese Kunst, all diese Schöpfung unserer Gesellschaft, wird konfrontiert mit einer wissenschaftlichen Expedition aus einer Zeit, in der Paris längst vergessen und Europa seit mehreren tausend Jahren unter einer dicken Eisschicht begraben liegt. Ausgehend von den Erfahrungen dieser Wissenschaftler, ihrem Blickwinkel und ihrem Verständnis, geraten die Interpretationen der gefundenen Bildnisse völlig aus dem Zusammengang. Teils wirkt es komisch, manchmal absurd oder skurril, wie man aufgrund einzelner Gemälde unsere jetzige Gesellschaft völlig falsch erklärt. Aber - würde es uns nicht anders gehen, wenn wir auf einem weit entfernten Planeten auf die Hinterlassenschaften einer vergangegen außerirdischen Kultur träfen? Wie, wenn nicht aus unserem eigenen Blickwinkel, würden wir diese Artefakte interpretieren, ihnen eine Funktion zuweisen und daraus auf die Lebensweise ihrer Schöpfer Rückschlüsse ziehen? Denselben Fehler begeht die Expedition in diesem Graphic Novel - und gerät so zum hinterfragenden Part in dieser Geschichte, während der Hund Hulk - im Übrigen benannt nach einer Gottheit aus der Vergangenheit - sich nach und nach einlässt auf die korrekte Erzählung unserer Geschichte.
Neben beeindruckenden, gleichsam gemäldeartigen Panels fügt Nicolas De Crecy wunderbar die verschiedenen Kunstwerke des Louvre teils in Ausschnitten, teils komplett abgebildet in den Comic ein. Seine ergebnisoffene Geschichte - es waren wohl noch mehr Bände aus dieser Reihe geplant - macht neugierig und zugleich lehrt uns der Band einiges über Geschichte und Kunst. Für mich ein sehr angenehmes erstes Treffen mit De Crecy, das dazu führen wird, dass ich mir noch andere Werke aus seiner Feder ansehen werde.