Titel: Der Nebelkönig Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
In Sallies Welt geht alles seinen scheinbar gewohnten Gang: Sie ist Küchenmädchen in einem Herrenhaus, so groß, verwinkelt und weitläufig, dass Sallie nur einen winzigen Bruchteil davon kennt. Am liebsten hält sie sich ohnedies in der Bibliothek auf, um zu lesen. Denn die Geschichte vom ewigen Kampf des Nebelkönigs gegen die Katzenkönigin lässt sie nicht mehr los. Doch schon bald wird Sallie herausfinden, dass weder in der Geschichte noch in dem Haus die Dinge so sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.
Als ich diesen Klappentext las, hatte ich von Anfang an das Gefühl, dieses Buch bereits zu kennen. Und dieses Gefühl ließ mich nicht los, was mich ein wenig verdross, weil es den Lesegenuss schmälerte. Ständig hatte ich Déjà -vu-Erlebnisse. Allerdings grübele ich heute noch nach, woher ich den Stoff kenne.
Aber betrachten wir doch mal das Mädchen Sallie. Es lebt in einem Haus, in dem es scheinbar keinen Ausgang gibt. Ihr Lieblingsaufenthaltsort ist die Bibliothek, weil es da immer viel zu lesen gibt. Die Bibliothek ist das Refugium des Bibliothekars Uhl. Anscheinend gelingt es Susanne Gerdom immer wieder, in ihren Büchern Bibliothekare unterzubringen. Dieser Beruf scheint einen besonderen Reiz auf sie auszuüben und läuft wie ein roter Faden durch ihre Bücher. Vielleicht ist der zerstreute Mann eine Inkarnation von ihr und es gibt einen geheimen Über-Plot, der all ihre Bücher miteinander verbindet? Und eine Weisheit, die Uhl von sich gibt, kann ich nur bestätigen: "Die Bücher unterhalten sich miteinander, in der Nacht, ..."
Wer schon einmal in einem dunklen Zimmer gesessen hat, in dem sich Regalmeter mit Büchern befinden, wird Uhl zustimmen. Das Mädchen, das sonst immer in der Küche steht, Rote Beete putzt, Geschirr spült und anderes mehr, wird durch die Wirtschafterin plötzlich zu eine Servierhilfe. So muss sie den Kammerherrn Krikor und dessen Gäste bedienen. Das geht fast 50 Seiten so. Die Geschichte zieht sich etwas. Die Handlung ist aber nicht so langweilig, dass das Buch gleich wieder auf dem Stapel der ungelesenen Bücher landet. Und was hat das alles mit dem Nebelkönig zu tun?
Interessant wird es, als Sallie einen freien Tag erhält und in den Keller verschwindet, um dort weitere Gänge und Räume zu erkunden. Dort unten lernt sie den Jungen Redzep kennen. Doch hier ist die Spannung nach sechs Seiten schon wieder vorbei. Damit haben wir die wichtigsten Personen kennen gelernt. Aber im Mittelpunkt steht weiterhin Sallie, ein vierzehnjähriges Mädchen, das sich bald in Ereignisse verwickelt sieht, die ihr Leben als Küchenmädchen nicht vorgesehen hat.
Susanne Gerdom ist eine gute Autorin, die selbst über lange Strecken, in denen nichts geschieht außer einem gewöhnlichen Tagesablauf, den Leser bei der Stange hält. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die in der heutigen, schnelllebigen Zeit schnell abgelenkt werden, ist dies wichtig. Dazwischen schiebt die Autorin immer wieder rasantere Teile ein, die für Spannung und damit Abwechslung sorgen.
Der Nebelkönig - die Rezension von Jürgen Eglseer