Serie: Takeshi Kovacs, Band 2 |
Richard Morgen zählt zu den jungen britischen SF-Autoren, die nicht nur in ihrem Heimatland für ordentlich frischen Wind in der SF-Szene sorgen, sondern die momentan mit ihren Romanen und Kurzgeschichten auch den amerikanischen Markt zu beherrschen scheinen. Sieht man sich einmal die Nominierungslisten diverser Awards an, dann könnte man fast glauben, dass die amerikanischen Spitzenautoren sich durchweg eine Auszeit genommen haben.
Dies geht einher mit der Erneuerung der Space Opera, denn ein Großteil dieser Werke ist diesem Subgenre der SF zuzurechnen. Bereits im letzten Jahr widmete sich "Das SF-Jahr" des Heyne-Verlags mit seinem Schwerpunkt dem Wiedererstarken der britischen SF, und auch in diesem Jahr findet sich der ein oder andere Beitrag über diese Thematik. Explizit angesprochen werden dabei die Werke Richard Morgans, von denen mittlerweile drei in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen und ein weiterer Kovacs-Roman unter dem Titel "Heiliger Zorn" für Februar angekündigt ist.
"Gefallene Engel" versetzt den Leser zurück in die Welt des Soldaten Takeshi Kovacs, der bereits in "Das Unsterblichkeitsprogramm" die Hauptfigur darstellte.
Takeshi Kovacs ist Mitglied einer Spezialeinheit des Protektorats geworden, die auf der abgelegenen Kolonialwelt Sanction IV auf der Seite der Regierung gegen die Rebellen einer durchaus wehrhaften Unabhängigkeitsbewegung kämpft. Es ist ein schmutziger Krieg, in dem die menschliche Komponente dank der Weiterentwicklung im Bereich der Waffentechnik allzu oft ausfällt. So beginnt der Roman denn auch in einem Orbitalkrankenhaus, in das die Überreste von Kovacs Wedge-Einheit nach einem brutal geführten Angriff der Kempisten eingeliefert werden. Während viele seiner Kameraden starben bzw. schwer verwundet sind, ist Kovacs nur schwer verletzt.
Hier wird er von Jan Schneider für eine Mission angeheuert, die ihm nicht nur einen stolzen Geldbetrag einbringen wird, sondern auch einen Transfer heraus aus dem Sonnensystem Sanctions und damit weg von den Kämpfen.
Als Erstes befreien sie eine Archäologin aus einem der Konzentrationslager für politische Gefangene, um dann eine Expedition in die Nähe der Frontlinie auszurüsten. Ziel ist ein verschüttetes Portal der Marsianer, einer längst untergegangenen Rasse, die nicht vom Mars stammt, sondern deren Überreste auf diesem Planeten zuerst entdeckt wurden, zu öffnen und zu durchschreiten. Kovacs' Part besteht darin, die hierfür benötigten Spezialisten zu rekrutieren und diese dann zusammenzuhalten.
Bedroht wird der Erfolg der Mission durch innere und äußere Feinde, die durchweg eigene Interessen verfolgen und denen Kovacs und sein Team völlig egal sind. Da der Tod viel von seiner Endgültigkeit verloren hat, da man technisch in der Lage ist, Bewusstseinsuplinks in Klone zu transferieren, zählt lediglich das Sterben an sich zu den unangenehmsten Dingen, die ein Soldat wie Kovacs durchmacht.
In diesem Roman wird viel gestorben und gelitten. Von heroischen Military-SF-Romanen ist "Gefallene Engel" aber meilenweit entfernt, denn Heldentum spielt hier gar keine Rolle. Kovacs' Sicht der Dinge ist pragmatisch und häufig bar jeder Emotion, wobei er keineswegs als eiskalter Killer ins Szene gesetzt wird. Vielmehr berührt auch ihn der Tod einiger seiner Kameraden, sodass er durchaus auch Genugtuung beim Töten empfindet. Gleichzeitig ist ihm aber bewusst, dass er als Einzelner lediglich ein kleines Rädchen im Machtspiel großer Konzerne darstellt und sich nur auf sich allein verlassen kann. Vertrauen gegenüber anderen leistet er sich nur sehr selten, da er zu häufig enttäuscht wurde.
Der gesamte Roman ist geprägt von einer sehr fatalistischen Sichtweise der Dinge. Kovacs sieht in der Mission eine gute Möglichkeit, dem ganzen Irrsinn, der auf Sanction IV herrscht, und weiteren, menschenverachtenden Kampfeinsätzen zu entfliehen. Er hat die Schnauze gestrichen voll, will einfach niemanden aus seiner Einheit zerfetzt vor sich liegen sehen oder in seinen Armen sterbend.
Richard Morgan gelingt es, Kovacs' Wut und seinen teilweise unbändigen Hass auf die Verantwortlichen in den Führungsetagen der Konzerne, der immer latent vorhanden ist, von Kovacs zumeist unterdrückt wird, aufs Papier zu bringen. Im Verein mit brutalen, emotionslos geschilderten Kampfszenen und intelligent durchdachter Technik lohnt sich die Lektüre jeder Seite des Romans. Längen oder Hänger finden sich nicht, denn wo Richard Morgen ruhigere Passagen eingebaut hat, lässt er seine Figuren über ihr Tun und die gesamte, für sie beschissene Situation philosophieren. Letztlich sind alle nur Befehlsempfänger, ohne jeden Einfluss auf die Gesamtumstände.
"Gefallene Engel" überzeugt einfach durch seine kraftvolle Sprache, einige guten Handlungsideen und die Sichtweise, aus der die Romanhandlung geschildert wird. Zurecht wird Richard Morgan als Autor allseits gelobt.