Titel: Gefährten des Zwielichts |
Einstmals stürzte der finstere Herrscher Leuchmadan in einem feurigen Stern auf die Erde und machte sich zum Herrn über die Finstervölker, mit denen er versuchte, die Welt zu unterwerfen. Doch eine Allianz, die sich aus den Menschen von Bitan, den Elfen, den Zwergen und den anderen im Licht wandelnden Völkern zusammen schloss, konnte den Finsteren zurückwerfen – und einem tapferen Wichtel gelang es gar, ein mächtiges Artefakt, genannt Leuchmadans Herz, zu erbeuten, aus welchem der Finstere angeblich seine Lebensessenz gewann. Doch das Herz verschwand, ohne dass auch nur einer der Verbündeten hätte herausfinden können, was damit geschehen war, und im Verlauf von tausend Jahren geriet die Angelegenheit in Vergessenheit.
Bis zu jenem Tag, an dem Leuchmadans Geist neu beschworen und das Herz gefunden wird – und auf beiden Seiten, der Lichten wie auch der Dunklen, werden unerschrockene Abenteurergruppen zusammengestellt, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Auf lichter Seite möchte man das Herz natürlich zerstören, um die Bedrohung durch Leuchmadan ein für allemal abzuwenden, auf dunkler Seite versucht man das Artefakt zu retten: Die Nachtalbe Daugrula, der Goblin Werzaz, Baskon der Wardu, der Troll Gibrax und die Gnome Wito, Skerna und Darnamur müssen versuchen, trotz aller Gegensätze und Animositäten zwischen ihren sehr unterschiedlichen Völkern den Auftrag zu erfüllen. Dass diese Aufgabe alles andere als leicht ist, erweist sich schon darin, dass nicht nur die Abenteurer der anderen Seite jede Gelegenheit nutzen, den Vertretern der Finstervölker Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sondern auch andere, mächtige Wesenheiten der Welt keineswegs gewillt sind, dem Aufstieg Leuchmadans ein zweites Mal tatenlos zuzusehen …
Wer die „Herr der Ringe“-Trilogie gelesen hat, dürfte die klaren Parallelen ohne Schwierigkeiten erkennen – Alexander Lohmann versucht sich an einer eigenen Interpretation dieser weltbekannten Erzählung, die er aus dem Blickwinkel der gegnerischen Völker beleuchtet und dies mit einem großen Augenzwinkern und viel hintergründigem Humor verbindet. Zwar folgt die Hauptgeschichte den bekannten Mustern, auch bei den 'Gefährten' gibt es eine Ratsversammlung der alliierten Völker, die Abenteurergruppe besteht aus drei Wichteln (Hobbits), einem Menschenfürsten, einem Elfenfürsten, einer Zwergin und dem unvermeidlichen Magier, und doch schimmert bei allen Szenen und Charakterbeschreibungen genug eigenes durch, dass die Erzählung unterhaltsam bleibt und man schon aus reiner Neugierde auf die Interpretation der bekannten Tolkien-Charaktere weiter liest.
Doch auch die Finstervölker-Gruppe weiß mit interessanten und abwechslungsreichen Szenen aufzuwarten – allein schon die recht heftig auftretenden Streitgespräche zwischen den einzelnen Volksmitgliedern und die Neigung der Gnome, ihren Mitreisenden durch Schabernack kräftig auf die Nerven zu gehen, sorgen für genügend Kurzweil. Manchmal möchte man die Gruppenanführerin Daugrula regelrecht für die Aufgabe bedauern, den Sack Flöhe in Form ihrer streitlustigen und eigensinnigen Gruppe zusammenhalten zu müssen, ganz zu schweigen von den Ambitionen des Wardu Baskon, der sich grundsätzlich nicht mit seinen Mitreisenden abgeben will und zumeist auf eigene Faust handelt.
Dass die Mission von Anfang an unter keinem besonders guten Stern steht, wird recht schnell deutlich – die Gruppe begegnet auf ihrer Reise einer so großen Menge an Herausforderungen, dass die legendäre Zähigkeit der Goblins teilweise auch sehr überdimensioniert erscheint, die Schwachstellen der einzelnen Völker sorgt zwar für Schwierigkeiten, doch scheinen diese nie so überdeutlich ins Gewicht zu fallen, dass sie ein deutliches Gefühl von Gefahr hinterlassen. Selbst als Gibrax bei Tageslicht versteinert und seinen Widersachern in die Hände fällt, fehlt ein wirkliches Bedrohungsszenario – hier hätte an einigen Stellen etwas weniger 'Übermenschlichkeit' gut getan, um den Spannungsbogen besser aufrecht zu erhalten. So plätschert der Haupterzählstrang vor sich hin und wird stetig weitergeführt, ohne wirkliche Höhen und Tiefen zu generieren. Durch den immer wieder durchscheinenden Humor und die gelungenen Charakterbeschreibungen bleibt die Lust am Lesen jedoch vorhanden, und einige der Wendungen können überraschen, sobald sie vom vorgefertigten Schema der 'Herr der Ringe' Anleihe abweichen.
Ob die 'Gefährten des Zwielichts' nun eine Hommage an Tolkien darstellen oder ob es eine eigene Interpretation darstellt, die versucht, eine vorhandene Lücke zu schließen, wird bei der Lektüre freilich nicht beantwortet. Dass hier ein unterhaltsamer Fantasyroman entstanden ist, steht außer Frage, doch hätte der Autor sicherlich auch eine eigenständige Welt erschaffen können, die ohne so offensichtliche Bezüge auf ein anderes Werk funktioniert – Ideen scheint Alexander Lohmann genug zu haben, ebenso ein schreiberisches Talent, das sich besonders im Wortwitz von Streitsituationen äußert. Ohne die Vorhersehbarkeit des Haupterzählstrangs, der durch Tolkiens Werk vorgegeben war, wären die 'Gefährten' sicherlich spannender gewesen.
Fazit: Eine unterhaltsame Fantasystory mit deutlichen Anleihen zu Tolkiens 'Herr der Ringe' – doch mit genug eigenen Elementen, um interessant und amüsant zu bleiben. Sieben von zehn möglichen Sternen.