Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Der exzentrische Selfmade Millionär Harry Gran ist ein genialer Visionär. Seine Elektroneger - preisgünstige Haushaltsroboter - sind ein unglaublicher Verkaufsschlager geworden, als eine Seuche fast alle Menschen mit farbiger Hautfarbe ausgelöscht hatte. Das Geld, das seine Erfindungen in die Kassen seiner Firma spülen, gibt er postwendend für neue Projekte aus, wie zuletzt den Babel Tower, das zukünftig höchste Gebäude der Welt.
Doch Gran ist nicht der einzige Protagonist auf Matt Ruffs Bühne des New Yorks im Jahre 2023. Da wäre z. B. Joan Gran, die Ex-Frau des Millionärs, die in den Abwässern New Yorks nach dem mutierten weißen Hai Meisterbrau jagt. Oder der Öko-Terrorist Philo Dufresne, der mit seinem U-Boot Yabba-Dabba-Doo die Umweltsünder auf den Weltmeeren verfolgt und diese in einem Medienspektakel versenkt und sich ansonsten ständig mit seinen palästinensischen Bordingenieuren herumschlägt. Oder die uralte Kite, die von ihren Erlebnissen im US Bürgerkrieg erzählt und sich ständig darüber beschwert, dass sie keinen Job angeboten bekommt.
Was sind die Verbindungen dieser Figuren zueinander? Was haben sie mit dem Tod des Unternehmers Amberson Teaneck und was war seine Verbindung zu Ayn Rands Werk: Altas wirft die Welt ab? Im Lauf des Romans wird sich das herauskristallisieren, bevor das Buch auf der Spitze des Babel Towers seinem finalen Höhepunkt entgegenstrebt.
Die ersten 50 Seiten des Buch sind ein wahrer Genuss. Matt Ruff beschreibt irrwitzigste Ereignisse, die bis zum Jahr 2023 noch passieren werden. Manches ist witzig wie die Erstürmung des Vatikans durch eine Feministenvereinigung, anderes ist entsetzlich wie die Entvölkerung Afrikas durch einen geheimnisvollen Virus, der nur Schwarze angreift. Man liest diese Seiten und ist geplättet angesichts eines solchen Feuerwerks an Ideen.
Leider stellt sich dann heraus, dass Matt Ruff sein Pulver zu schnell verschlossen hatte, als der Autor damit beginnt, all die Aspekte, die er zunächst nur schlaglichtartig beleuchtete und die sich der Leser inzwischen zusammengereimt hatte, genauer zu beleuchten beginnt. Für den Leser, der mit einem Anspruch an ein Buch herangeht, auch geistig gefordert zu werden, werden mache der nun folgenden Passagen zu Längen in einem insgesamt zu umfangreich geratenen Werks. Man will aufschreien: Ich habe es doch schon verstanden.
Und noch ein zweiter Kritikpunkt muss angebracht werden: Der Schluss mit der Auflösung der ganzen Geschehnisse kommt insgesamt ein wenig zu plötzlich. Auch wenn das sicherlich nicht der Fall war hat man den Eindruck, dass sich der Autor in der Mitte seines Buchs krampfhaft überlegt, wie er jetzt alles zuende bringen sollte. Die Weichen in Richtung Ende hätten aber früher gestellt werden müssen.
Doch es gibt natürlich auch Lob anzubringen. Matt Ruffs Stil ist fott und der Roman gleicht einer Fahrt durch eine Geisterbahn, die von der legendären Komikertrupp Monty Python gestaltet wurde.
Das im Roman erwähnte Werk: Atlas wirft die Welt ab der Autorin Ayn Rand gibt es tatsächlich. Scheinbar hinterließ der über 1000 Seiten umfassende Roman bei Autor Matt Ruff nachhaltigen Eindruck. Und noch etwas ist interessant: Der Roman erschien 1998, also gut 3 Jahre vor dem 09.11.2001. Insofern ist es sehr interessant, dass das Empire State Building in dem Buch zerstört wurde, als ein Flugzeug in den Turm krachte. Ich kann mir vorstellen, dass dies Matt Ruff Ende 2001 fast auf die Schwarze Liste brachte und seine bitterböse, sarkastische Zukunftsvision wie Blei in den Läden gelegen haben muss.
Fazit: G. A. S. ist ein aberwitziger Roman, der aber gelegentlich Längen aufweist, insgesamt ein wenig zu lang geraten ist und ein wenig unvorbereitet in das Ende mündet. 7 von 10 Punkten.