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Reihe: Bridge-Trilogie, Band 3 Eine Besprechung / Rezension von Judith Gor |
Mit „Futurematic“ gelangt die „Bridge-Trilogie“ zu ihrem Höhepunkt. In diesem Roman laufen die Handlungsstränge aus den Vorgängern "Virtuelles Licht" und "Idoru" zusammen und ermöglichen eine neue Sicht auf die Geschehnisse beider Romane.
Hat Ex-Polizist Rydell im Vorgängeroman Laney, der die Fähigkeit besitzt, Knotenpunkte im Netz zu erkennen, noch einen Job besorgt, ist es hier umgekehrt: Laney hat einen wichtigen Auftrag für seinen alten Freund. Rydell soll eine wertvolle Fracht zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort bringen - um was es sich handelt, weiß Rydell zunächst selbst nicht. Dieser Job führt ihn schließlich zurück zur Oakland Bridge, wo der Leser unter anderem auf Chevette, die wir ebenfalls noch aus „Virtuelles Licht“ kennen, trifft. Und neben dem Stress mit der geheimnisvollen Fracht - denn Rydell wird verfolgt - hat der Arme auch noch mit Beziehungsproblemen zu kämpfen
Daneben gibt es auf den ersten Blick weniger interessant erscheinende Nebenfiguren mit kleinen Szenen, die nicht recht in das Gesamtbild passen wollen - doch Gibson schafft es auch dieses Mal diese kleinen Nebengeschichten in die Geschichte einzufügen und ihnen eine angemessene Bedeutung zukommen zu lassen.
Auch der Handlungsstrang um die „Ummauerte Stadt“ wird weitergeführt. Diese virtuelle Realität ist sicherlich eine der gelungensten Ideen in Gibsons Trilogie - hier brennt sich dem Leser die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts und deren Konsequenzen tief in die Gedanken ein. Leider spielen wenige Szenen im Cyberspace selbst, dennoch bleibt die „Ummauerte Stadt“ lebendig. Auch in „Futurematic“ erwarten den Leser technische Neuerungen, bei denen man nicht recht weiß, ob sie faszinierend oder erschreckend sind, und eine düstere, spannungsgeladene Atmosphäre. Der Text reißt den Leser bis zur letzten Seite mit sich - der Roman ist dermaßen dicht und ungebremst geschrieben, dass man es kaum schafft, das Buch nicht in einem Rutsch zu verschlingen.
Die „Bridge-Trilogie“ als Ganzes betrachtet kann man durchaus als Meisterwerk des Cyberpunk bezeichnen, wobei man jeden Roman gut einzeln lesen kann, da die Geschichten eher lose miteinander verwoben sind und nicht zwingend aufeinander aufbauen.
Auch wenn manches (aus heutiger Sicht) etwas abwegig erscheint, so kommt die Welt aus „Virtuelles Licht“, „Idoru“ und „Futurematic“ verdammt realistisch daher. Zu diesem Eindruck tragen die Charaktere einen wesentlichen Teil bei, denn es sind ganz normale Menschen ihrer Zeit, die mehr durch Zufall als gewollt in diese durchaus krasse Story hineingezogen werden - und so bleiben die Hintergründe auch dem Leser teilweise verschlossen, was nicht weiter stört: „Futurematic“ ist wie seine Vorgänger ein stilistischer Hochgenuss und besticht durch die Nähe zu jenen Menschen, die wir morgen sein könnten.
Fazit:
In „Futurematic“ erlebt der Leser William Gibson in absoluter Höchstform - die Story packt einen von Anfang an und zerrt den Leser durch eine dunkelbunte Welt von Morgen, bei deren Betrachtung einen abwechselnd Abscheu und Faszination überkommen.
Insgesamt ist die "Bridge-Trilogie" weniger actionslastig als die "Neuromancer-Trilogie", ist dafür aber näher an einer vorstellbaren Wirklichkeit dran. Für Gibson-Fans ein absolutes Muss und für andere Leser eine durchweg empfehleswerte Lektüre.