Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
„...Diese Anthologie soll zeigen, dass die kurze Erzählform der SF in vielfältiger Weise noch immer von den Autoren im deutschen Sprachraum gepflegt wird....“
Dieser Satz findet sich in dem von Udo Mörsch verfassten kurzem Vorwort zu der in seinem Verlag erschienen SF-Anthologie und der Grundaussage ist nichts hinzuzufügen. Der Leser schlägt erwartungsvoll eine der wenigen reinen SF-Anthologiebände der letzten Jahre auf und schließt den Band nach ein paar Stunden nicht wirklich überzeugt zu.
Den Reigen eröffnet der Herausgeber selbst mit „Maschinengeschöpf“. In dieser kurzen Story ist das künstlich hergestellte Wesen Tech auf der Suche nach dem wahrem Leben und findet nirgends welches. Aus Verzweiflung und der Befürchtung heraus, dass er selbst künstlich ist, leitet er selbst seine Vernichtung ein. Während seiner letzten Sekunden findet er Leben in Gestalt von einem kleinen Insekt, welches aufgrund seines Lebensraums von den Maschinen nicht wahrgenommen wird. Die Story soll wohl eine positive Aussage transportieren, scheitert damit aber in meinen Augen wegen ihres sehr gewöhnungsbedürftigen Stils. Mir hat sie nicht zugesagt und als Opener halte ich diese Story schlicht weg für fehlplatziert.
In „Die letzten BIOFORM“ begleiten wird Mario Moritz in eine nicht all zu ferne Zukunft, in der biologisch hergestellte Kunstwesen machbar sind. Tao Haag ist einer der letzten dieser Wesen, die für die Menschen gefährlichen Arbeitsplätzen wie z.B. an einem Atommeiler tätig sind. Taos Leben neigt sich dem Ende zu und ist gerade dabei seine Nachfolgerin Nora Lee einzuarbeiten, für die er immer mehr Gefühle entwickelt. Dies ist den BIOFORM normalerweise kaum möglich, aber auch Nora Lee führt ihren letzten Einsatz aus, der darin besteht Tao ein paar schöne letzte Stunden zu bereiten, indem sie ihm in die Geheimnisse des Sexlebens einweiht. Die Story hat kein Happy-End, sondern die beiden BIOFORM kommen den Willen ihrer Erschaffer nach. Vom Stil und auch vom Inhalt her hat mir diese Story wesentlich mehr zugesagt. Sie ist stringent erzählt, nicht mit Handlungsfäden überlastet und konzentriert sich auf eine zentrale Aussage, die zudem nachvollziehbar ausgearbeitet wurde.
Barbara Jung machte in „Happy Birthday“ aus meiner Sicht den Fehler, zuviel Handlung in eine Kurzgeschichte reinzupacken. Zu Beginn schildert sie eine Geburtstagsparty, die in einem Apartment in einem riesigen Wohn- und Arbeitshochhaus stattfindet. Drei Freunde unterhalten sich über eine Tod bringende Seuche, die kurz zuvor in einem Nachbarturm ausgebrochen war. Da es kein Heilmittel gab, haben die Behörden den Turm hermetisch verriegelt und tödliches Gas eingeleitet. Um solch einen Tod zu entgehen, hat einer der drei Gasanzüge besorgt, die diese auch umgehend nutzen müssen. Bis dahin wird die Story in einem leicht rasanten Erzähltempo präsentiert. Dann aber überschlagen sich die Informationen, die der Leser erhält. Das Geburtstagskind kann nicht mehr selbst erleben, sondern bekommt die Informationen erzählt. Dadurch wirkt die Handlung sehr gerafft und spaltet sich vom ersten Teil der Geschichte ab. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Die Autorin hätte nicht einen so informationshaltigen Schluss einbauen sollen, sondern diesen „kleiner“ dimensionieren, dann wäre möglicherweise eine runde Story draus geworden. So ist sie von Stil her zwar lesenswert verfasst, schwächelt aber inhaltlich stark.
Titus Müller, der bereits zwei Romanveröffentlichungen beim Aufbau Taschenbuch Verlag vorweisen kann, setzt den Reigen mit „Wasser“ fort. Wie der Titel bereits impliziert geht es um das wichtigste Gut des Menschen, ohne dem er nicht überleben kann. In Müllers Kurzgeschichte sind die Wasservorräte der Welt in der Hand eines skrupellosen Konzerns. Einer der wichtigsten Wissenschaftler setzt sich mit seiner kleinen Tochter ab, flieht in die Wüste und bekommt beim Anblick eines Käfers, der die feinen Nebeltröpfen sammelt und dann davon trinkt, die Erleuchtung wie er die Menschheit retten kann. Gut geschrieben, aber nicht mehr als ein kurzer Appetithappen. Die Pointe ist zu einfach.
In einer genauso düsteren Zukunft spielt „Die Soldatin“ von Udo Mörsch. Hier ist es eine ausgebildete Kämpferin, die irgendwann begreift, dass die Welt durch die ständigen Kriege keine Zukunft besitzen kann. Lediglich die Kinder bieten Anlass zur Hoffnung und so zieht sie die Konsequenz als eine Repräsentantin einer überholten Vergangenheit. Warum die Kinder zu Hoffnungsträgern werden, bleibt mir dagegen verschlossen. Die vom Autor gewünschte Aussage ist schon klar, aber mir fehlt eine schlüssigere Begründung. Kinder in den momentanen Kriegsgebieten leiden am meisten und eine bessere Zukunft dürfte ihnen auf Jahre verwehrt bleiben.
Torsten Rybkas „Gesammelte Short Cuts“ sind schnell gelesen und laden auch nicht länger zum Verbleiben ein.
„Menschenjäger“ von Armin Rößler entführt den Leser in eine Welt, die er bereits in „Wasser“ kennen lernte und die ebenso zu „Die Soldatin“ passen würde. Ein Menschenjäger kommt bei einem Jagdauftrag durch ein völlig verwahrlostes Dorf. Hier vegetieren Menschen, deren Vorfahren aus der Zivilisation ausgestoßen wurden oder flohen, denen er ihr letztes Hab und Gut abnimmt, um selbst in der Einöde überleben zu können. Am Ende drehen die Dorfbewohner den Spieß dann um. Die Geschichte ist gut geschrieben und die Darstellung der Skrupel des Menschenjägers sind durchaus glaubhaft. Ohne diese wäre die Story wesentlich kürzer geraten und der Leser hätte am Ende nicht einen Anflug von Bedauern gehabt. Eine der lesenswerteren Kurzgeschichten.
Jeannot Bildgen dürfte dem einen oder anderem aus dem Perry Rhodan-Umfeld oder von dessen SF-Serie DER KORSAIR her bekannt sein. Seine Story trägt den Titel „Winterplanet“ und wirkt wie zu einer umfangreicheren Story gehörig. Darauf deutet vor allem der etwas komplexere Handlungshintergrund. Als „freistehende“ würde ich dieses Werk nicht bezeichnen. „Winterplanet“ wirkt wie ein Puzzelteilchen.
Die letzte Story stammt wieder von Udo Mörsch. In „Eiswelt“ vollzieht ein Raumschiff auf einem Eisplaneten eine Notlandung. Durch Zufall überlebt der Kommandant und verlässt das Wrack auf der Suche nach Leben, wohl wissend, dass seine Vorräte begrenzt sind und dieser Planet sein Grab wird. Für ihn und alle anderen Besatzungsmitglieder gibt es aber ein Leben nach dem Tod. Ein Geisteswesen nimmt sie auf ins Kollektiv. Diese Story ist etwas intensiver erzählt, da der Autor sehr umfangreich die Gedankenwelt des Kommandanten ausarbeitete.
„Future World“ vereint sehr unterschiedliche Geschichten und dies sowohl von der Themenwahl als auch vom Stil her. Auffallend ist die Häufung düsterer Zukunftsutopien, in der die Protagonisten zumeist den Tod finden. Teilweise ähneln diese sich sehr und man könnte meinen die Autoren hätten die gleichen Hintergrund für ihre Geschichten benutzt. Ein wenig mehr Abwechslung hätte dieser Sammlung gut zu Gesicht gestanden.
Wobei ich aber nicht sagen kann, dass eine oder mehrere Stories wirklich sehr gut waren. Erfrischend neue Ideen bieten sie allesamt nicht. Einige haben mir vom Stil her mehr zugesagt als andere. Insgesamt gesehen stellt diese Anthologie für mich nichts herausragendes dar, sondern bietet durchschnittliche SF-Stories.