Reihe: Die Königsmörder-Chronik, Band 2 (Teil 1) Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Wenn ich ein Buch mit dem Untertitel Fantasy vom Feinsten bezeichne, dann ist das sicherlich eine kleine Auszeichnung, denn ich habe wahrlich viel gelesen. Allerdings würde ich nicht so weit gehen zu sagen: »Für mich ist Der Name des Windes die überzeugendste Fantasy seit Tolkiens Der Herr der Ringe ...«, wie Denis Scheck (ARD, druckfrisch) zitiert wird. Diese Aussage würde voraussetzen, J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe wäre das absolute Großwerk der High-Fantasy und unvergleichlich, während sich jedes weitere Werk an ihm messen müsste.
Zunächst findet sich der Leser in Kvothes Wirtshaus Zum Wegstein wieder. Jeder Bewohner der kleinen Ortschaft, die Einheimischen wie zugereiste Gäste, kennt die Geschichten um den legendären Zauberer Kvothe. Jedoch bringt niemand den zuvorkommenden und netten, rothaarigen Wirt mit diesen Abenteuern auch nur annähernd in Verbindung. Das Gegenteil ist der Fall. Er will einen jungen Dörfler davon abhalten, sich als Soldat in der Armee zu verdingen. Fast gibt er das Geheimnis seiner Persönlichkeit preis.
Lediglich einer kennt das Geheimnis um Kvothe: der Erzähler, dem Kvothe seine Lebensgeschichte von Anfang an erzählt. So finden wir uns recht schnell an der Universität wieder, an der der Zauberer in spe studierte. Die Szenen im Wirtshaus sind daher aus der Sicht des Erzählers verfasst. Neben Kvote findet sich in der Gastwirtschaft ein alter Bekannter wieder, der auf Eisen empfindlich reagierende und dem Alkohol zugeneigte Gehilfe Bast. Kaum haben die Gäste das Gasthaus verlassen, um sich ihrem Tagwerk zuzuwenden, wird der Chronist aktiv und Kvothe beginnt wieder mit seiner Erzählung:
Der hochbegabte junge Mann muss sich an der Universität gerade ernsthaft Sorgen machen, wie er seine Studiengebühren für das nächste Trimester zusammenbekommt. Als ob er es nicht schon schwer genug hätte, hat sich sein alter Feind Ambrose wieder einmal eine böse Gemeinheit einfallen lassen, die es Kvothe unmöglich macht, seinen regulären Termin vor der Zulassungskommission wahrzunehmen. Kvothe besitzt jedoch einige gute Freunde. Mit ihrer Hilfe übersteht er Ambroses und erhält darüber hinaus einen neuen Prüfungstermin. Allerdings ist er etwas eigen, wenn es darum geht, sich helfen zu lassen. In finanziellen Dingen sieht er Hilfe nicht gern, sein Stolz verhindert dies. So leiht er sich erneut von Devi den ihm noch fehlenden Betrag, um die Kosten der Ausbildung bezahlen zu können. Ein paar Tropfen Blut als Pfand erscheinen erst einmal nicht sonderlich teuer. Aber es kann noch teuer werden. Kvothe gibt sich weiterhin seinen Studien hin und verfolgt zudem die eigenen musikalischen Interessen. Gleichzeitig versucht er, Denna näher zu kommen. Dabei sollte das Schicksal ihrer ehemaligen Liebhaber eher davon abraten. Wider besseres Wissen legt sich Kvothe erneut mit Ambrose an. Er kann es nicht lassen und muss dessen Gemeinheiten rächen. Das geht so lange gut, bis er eine Auszeit an der Universität nehmen muss und sich Richtung Vintas aufmacht, einen bisher unbekannten Gönner aufzusuchen. Während die Erzählung in der Kneipe sehr ruhig gehalten ist, stellt der Teil der Reise nach Vintas eine klassische Abenteuergeschichte dar, die einer der vielen Reiseerzählungen gleicht, nur abenteuerlicher und phantastischer. Gleichzeitig erfährt der Leser mehr über die Welt, in der sich Kvothe zurechtfinden muss, etwa über Kriegerkultur eines neuen Freundes und wie Kvothe an seinen Aufgaben wächst und reift.
Die Fantasyerzählung ist in einen Prolog und 92 relativ kurze Kapitel eingeteilt. Die Kapitel verleiten den Leser immer wieder zu dem Gedanken Eins schaffe ich noch. So war es auch kein Wunder, dass es dem Rezensenten dieser Zeilen in einer kurzweiligen Nacht-ohne-Nebel-Aktion gelang, das Buch durchzulesen. Leider muss man sich nun etwas in Geduld üben, denn der zweite Teil des zweiten Bandes ist noch nicht erschienen. Im Original ist das Buch mit fast 1.000 Seiten zu veranschlagen, was in der deutschen Übersetzung zu einem weiteren Seitenzuwachs führt. Aber man kann beruhigt sein, Die Furcht des Weisen 2 erscheint bereits im Februar 2012. Aber genau über die Teilung werden sich viele Leser nicht freuen und darüber lamentieren, ohne zu wissen, dass eine Übersetzung in die deutsche Sprache immer umfangreicher wird als das Original. Dabei ist genau dies im Buch bereits erwähnt.
Das Buch in die Hand zu nehmen war wie alte Freunde zu treffen. Kaum hatte man es aufgeschlagen, traf man die Helden und Nichthelden des ersten Bandes. Mit ihnen kam der Alltag der erdachten Welt ins Haus und schnell war man in der Erzählung gefangen. Der Schreibstil ist flüssig und ich fühlte mich miteinbezogen. Weniger der außenstehende Leser, mehr der Mitfühlende, der die Geschichte in der Kneipe erzählt bekommt. Die Bildersprache, die Patrick Rothfuss verwendet, gefällt mir sehr und die Übersetzer Jochen Schwarzer und Wolfram Ströle haben sehr gute Arbeit geleistet. Natürlich erschienen auch neue Personen, etwa der junge Ademer Tempi oder der eher zwielichtige Maer Alveron. Mit neuen Personen entstehen neue Probleme. Dabei wurden noch nicht einmal alle Probleme und Fragen aus dem ersten Band ausreichend geklärt. Dennoch fand ich mich durch den wunderbar poetischen Schreibstil gut unterhalten. Und die offenen Fragen finden sicher im nächsten Band eine Erklärung. Die Handlung schreitet langsam, aber stetig voran. Bei der Suche nach den mörderischen Chandrian gibt es jedoch nur einen kleinen Fortschritt. Diesen literarischen Genuss sollte man sich als Leser phantastischer (im Doppelsinn) epischer Fantasy nicht entgehen lassen.