Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Die erste bemannte Marsmission der Menschheit scheiterte: Nach kurzer Zeit verloren die Menschen auf der Erde den Kontakt, und das Schicksal der Besatzung blieb 20 Jahre unaufgeklärt. Dann jedoch erreicht eine neue Mission den Mars und sie finden einen Überlebenden: Michael Valentine Smith. Der Mann wurde als Vollwaise von Marsianern aufgezogen, und seine ganze Weltsicht ist marsianisch. Als er auf die Erde kommt, versteht er zunächst gar nichts. Konzepte wie Handel, Geld oder Politik sind ihm fremd, und gleich einem Kind wird er zum Spielball der Mächtigen. Nur dank der verbissenen Nachforschungen von Ben Caxton und dem beherzten Eingreifen der Krankenschwester Gillian Boardman kann der Mann den Fängen der Regierung entrissen werden. Die drei fliehen zu Jubal Harshaw, einem Bekannten Bens, der als Schriftsteller über einigen Einfluss verfügt und in der Lage ist, Smith zu beschützen. Tatsächlich findet Jubal großes Vergnügen an dem gefährlichen Spiel, und es gelingt ihm, ein Abkommen mit der Regierung zu erreichen. Michael Valentine Smith selbst hat inzwischen damit begonnen, seinesgleichen zu entdecken, und nicht alles, was er sieht, gefällt ihm. Er zieht eine Zeit lang durch die Vereinigten Staaten und beschließt dann, den Menschen einen neuen Weg aufzuzeigen. Damit beginnt sein Opfergang.
Fremder in einer fremden Welt ist ein sehr umstrittenes Buch, bei dem sich die Geister scheiden. Es scheint kaum möglich, dass jemand dieses Buch als durchschnittlich bezeichnet. Entweder man ist von Heinleins Geschichte begeistert oder man tut sie als Nonsens ab. Dass dieser Roman so polarisiert, liegt an dem durchaus religiösen Inhalt. Der Lebensweg von Michael Valentine Smith hat sehr viele Parallelen zu Jesus Christus (und schon das alleine sorgt für genug Zündstoff). Doch da ist noch mehr: Die Handlungen und die geistige Grundhaltung des Protagonisten stehen für eine vollkommene Freiheit des Individuums, aber auch für eine Selbstverantwortung, wie sie heute kein Mensch hat. Heinlein schreibt also von einer Utopie, die Anfang der 60er Jahre genau den Nerv der Zeit traf. Hippies waren von dem Buch fasziniert und sahen in Michael Valentine Smith den ultimativen Guru. Der Idee von einem Mann, der vollkommen über dem menschlichen Kleingeisttum steht, war eine zu verlockende Vorstellung. So überrascht es keineswegs, dass der Roman zu einem der wichtigsten SF-Romane und ein absoluter Bestseller wurde.
Aber trotz all dieser kontroversen Elemente darf man nicht vergessen, dass dieses Buch auch ein SF-Roman ist. Dies tritt oft in den Hintergrund; nicht wenige behaupten, dass dies überhaupt kein Science-Fiction-Buch sei. Dies ist nicht korrekt. Der Roman beschreibt das Zusammenprallen zweier Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können. Obwohl die Marsianer nicht genauer beschrieben werden und man alles nur aus zweiter Hand von Michael Valentine Smith erfährt, gelang es Robert A. Heinlein, eine faszinierend fremdartige Kultur zu erschaffen, die das meiste in den Schatten stellt, was sonst so von SF-Autoren geboten wird. Smith selbst ist als Mensch besonders zu Beginn auf eine unglaubliche Weise fremdartig, und mit vielen wunderbaren Details beschreibt der Autor einen Menschen, der in einer unvorstellbaren Kultur aufgewachsen ist. Dass diese besondere Schulung ihm erlaubte, sein Gehirn vollständig zu nutzen und per Geisteskraft die erstaunlichsten Dinge zu vollbringen, kommt noch hinzu.
Trotz des deutlichen Zeitbezugs merkt man dem Roman sein Alter nur selten an. Robert A. Heinlein bediente sich eines zeitlosen Stils, der auch heute noch frisch wirkt. Ganz gleich, wie man zu dem Werk steht, an der Aussage, dass dies einer der wichtigsten SF-Romane ist, gibt es nichts zu rütteln, und man sollte ihn auf jeden Fall gelesen habe. Mir hat das Werk beim zweiten Lesen sogar noch besser gefallen als beim ersten Mal. Das lag vor allem daran, dass ich mehr auf die ironisch-sarkastischen Kommentare eines Jubal achten konnte, der irgendwie doch so eine Art Alter ego Heinleins zu sein schien. Aber auch die Smiths Sicht auf unsere Welt ist streckenweise unglaublich gut beschrieben. Die zweite Hälfte, die dann ins Religiöse abdriftet, konnte mich ebenso überzeugen wie der Rest des Buchs. Das Einzige, was mich gestört hat, waren die Unterhaltung zwischen dem verstorbenen Sektengründer Foster und seinem ebenfalls verschiedenen Erzbischof im "Himmel". Die Szenen waren irgendwie nur albern, aber zum Glück ebenso kurz wie selten. Deswegen nur 8 von 10 Punkten
Die vorliegende Ausgabe ist, ebenso wie die identische Ausgabe des Bastei Verlags aus den 1990ern, eine neue, ungekürzte Fassung des Roman. Damals, als Heinlein seinen Roman den Verlagen anbot, waren solche Wälzer, wie sie heute üblich sind, nur schwer verkäuflich. Und so musste Heinlein seine erste Fassung kürzen. Dann, in den 80ern brachte Heinlein die ursprüngliche Fassung heraus. Diese ist zwar ausfürhlicher, aber auch ironischer. Letzten Endes sind beide Fassungen auf ihre Art in Ordnung.