Hugo Awards 2008 - die nominierten Novellen Teil 4: Originaltitel: Fountain of Age Autorin: Nancy Kress Erstveröffentlichung: Novelle, erschienen Juli 2007 in Asimov's; 21503 Wörter Eine Besprechung / Rezension von Rainer Skupsch |
Gegen Ende des 21. Jahrhunderts verbringt der 86-jährige Milliardär Max Feder in einem Seniorenheim seinen Lebensabend und wartet nur noch auf den Tod. Seine (ungeliebte) Frau ist schon vor Jahrzehnten gestorben. Ab und zu bekommt er noch Besuch von seinem Sohn Geoffrey, den er deutlich seine Geringschätzung spüren lässt. Alles ändert sich aber, als eines Tages Max’ Enkelkinder beim Spiel aus Versehen einen Fingerring vernichten, in den das Wichtigste eingearbeitet wurde, was der alte Mann auf dieser Welt besaß: eine Haarlocke von Daria, der großen und einzigen Liebe seines Lebens.
Max lernte die blutjunge persische Prostituierte vor über sechzig Jahren als Soldat auf Zypern kennen. Die beiden verliebten sich Hals über Kopf ineinander, mussten sich aber trennen, als Max’ Landurlaub endete. Erst acht Jahre später kreuzen sich ihre Wege erneut. Max ist ein kleiner, verheirateter Angestellter, Daria die Gattin eines britischen Milliardärs und Tumorpatientin in einer New Yorker Klinik. Max dringt bis zu ihrem Krankenbett vor und beschwört sie, mit ihm fortzugehen. Sie jedoch gibt ihm nur viel Geld sowie den Rat, dieses in die Gentechnik-Firma ihres Gatten zu investieren. Max tut wie geheißen und wird innerhalb kurzer Zeit traumhaft reich: Es erweist sich, dass Darias Tumore genetisch mutierte Zellen enthalten, die bei jedem Menschen, der sie sich injiziert, für zwanzig Jahre den Alterungsprozess aufhalten. Darauf folgt in jedem Fall - außer bei Daria selbst - der schnelle Tod.
Max wird die für immer achtzehnjährige Perserin ein Leben lang wie eine Göttin idealisieren und sich selbst dafür hassen, dass er ihr "blood money" akzeptiert hat. Dies vergiftet nachhaltig seine Beziehungen zu seiner Frau und seinem einzigen Kind und macht ihn zu einem bitteren Zyniker.
Erst als er mit 86 sein einziges Andenken an Daria verloren hat, rafft er sich noch einmal auf. Er reist zu der Orbitalstation, auf der seine große Liebe lebt, um sie noch einmal um eine Locke zu bitten.
Diese Novelle wurde erst jüngst mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Unfassbar. Alles, aber auch wirklich alles an dieser Geschichte ist aus zweiter Hand: die billige Melodramatik, die Figuren, die Sprache. Nach den ersten 10000 Wörtern hätte ich gern die Lektüre eingestellt, weil die Story so unglaublich langweilig und ärgerlich war. Natürlich habe ich doch weitergelesen und wurde dafür mit einem letzten Drittel belohnt, das zwar mit einem konstruierten Finale aufwartete, aber doch auch ein bisschen Spannung entwickelte und in der allerletzten Szene zum ersten Mal eine originelle Idee präsentierte.
Aber kommen wir zu den ersten zwei Dritteln, bevor sich Max auf die Reise ins All macht. Die Erzählung wechselt hier hin und her zwischen melodramatischen Szenen aus Max’ verpfuschtem Privatleben und seinen jahrzehntelangen Geschäftsbeziehungen zu einer zwielichtigen Roma-Sippe, die ihm letztlich den Weg zurück zu Daria ebnen wird. Auf der emotionalen Ebene bleibt alles in dieser Geschichte pure Behauptung. Dass ein Mann es 63 Jahre lang nicht fertigbringt, Vergangenes vergangen sein zu lassen, ist schwer zu glauben und doch offenbar das zentrale Thema dieser Novelle. Dass er deshalb Ehefrau und Sohn verachtet, wird von Seiten der Autorin behauptet, aber nicht schriftstellerisch vorgeführt. Die Episoden mit Max’ Roma-Geschäftspartnern dienen, scheint mir, einzig dem Zweck, Zeilen zu schinden. Zwischendurch meint der Erzähler einmal, die Menschen hätten die Roma seit jeher romantisiert. Das hindert ihn (und Nancy Kress) aber nicht daran, genau dasselbe zu tun. Seine Adams-Sippe ließe sich (von den High-tech-Accessoires einmal abgesehen) eins zu eins ins ausgehende Mittelalter versetzen. Zum Beispiel wirken die Roma auf Max "rich and fierce and free", und den Blick der Sippen-Mutter Rosie empfindet er als so durchdringend wie den einer traditionellen Wahrsagerin. Also wirklich: Klischee über Klischee, und bevor ich dieses Thema beende, schnell noch zwei sprachliche Schmankerl:
"Shuttle security takes everything but your soul, and that it maybe nibbles at."
"She makes [Agent] Alcozer’s sidekick and Jennifer Kenyon both look like cuddly stuffed toys."
Ui, ist das cool - oder auch nur einfach billig. Nun könnte man natürlich einwenden, bei diesen Sätzen handele es sich eben um die Worte des Erzählers, nicht der Autorin, aber ich habe ähnliche Formulierungen zu oft gehört, um diese Möglichkeit noch ernsthaft erwägen zu wollen.
Normalerweise bemühe ich mich, in Buchbesprechungen nicht zu offen sarkastisch zu werden. Hier jedoch habe ich eine Ausnahme gemacht, weil Kress’ Novelle sich immerhin um den bekanntesten Genre-Preis der phantastischen Literatur bewirbt. Dieser Text ist für meinen Geschmack überflüssig. An manchen Tagen muss ich mich an Sturgeons Gesetz erinnern, um nicht den Glauben an die SF zu verlieren [schluchz].