| Titel: Fleisch (Sammelband) Sammelband enthält: Erstes Ritual - Die Verkörperung des Bösen / Zweites Ritual - Ausser Atem / Drittes Ritual - Fleisch Autor: Philip José Farmer Originaltitel: the image of the beast / blown / flesh Übersetzer: Ronald M. Hahn Titelbild: Boris Vallejo Verlag/Buchdaten: Area Verlag 512 Seiten Besprechung / Rezension von Christian Plötz |
1. Die Verkörperung des Bösen (Org. The Image of the Beast) © 1968
2. Außer Atem (Org. Blown) © 1969
3. Fleisch (Org. Flesh) © 1968
Trotz des irreführenden Titels handelt es sich nicht um eine Selbstdarstellungsbroschüre der Metzgerinnung, sondern um Literatur im engeren Sinn. In diesem Band hat der Heyne Verlag drei Erzählungen Farmers zusammengefaßt, von denen nur die ersten beiden in direktem inhaltlichen Zusammenhang miteinander stehen. Die dritte spielt in einer noch weiter entfernten, bizarren Zukunft mit völlig anderen Figuren und anderer Erzählweise. Was allen drei Geschichten jedoch zu eigen ist, sind die zahlreichen, sehr farbig geschilderten erotischen Szenen, die Farmer den Vorwurf der Pornographie eintrugen.
Nun denn, zum Inhalt:
Die ersten beiden Episoden schildern die Abenteuer des Privatdetektiv Herald Childe. Für alle, denen es noch nicht dämmerte, in welche Tradition sich Farmer stellt, sei gesagt daß dieser Herald Childe aussieht wie Lord Byron. (Der bedeutendste Vertreter der Spätromantik, ausführliche Infos in Metzlers Literaturgeschichte oder in jedem anständigen Autorenlexikon). Dieser Detektiv versucht, einer mysteriösen Gruppe von Personen auf die Spur zu kommen, die seinen Partner entführten und ihn während einer reichlich ausgefallenen Gruppensexparty mittels Biß in die Genitalien vom Leben zum Tode beförderten (Der Ärmste verblutete - aber vorher hatte er seinen Spaß).
Childe kommt dieser maskierten Gruppe tatsächlich auf die Spur, und muß zu seiner Überraschung feststellen, daß sie wohl gar nicht maskiert waren - Es scheint sich tatsächlich um Schauergestalten zu handeln, die nicht nur in der Phantasie Shelleys, Stokers und Meyerincks existierten, sondern in Wirklichkeit sind es Außerirdische, die auf der Erde strandeten. Um ihre Form aufrechtzuerhalten benötigen sie Energie, die normalerweise nicht aus der Steckdose kommt: Sex. Dagegen wäre eigentlich nichts zu sagen, wenn man nicht gerade im Vorstand von 'nem Energiekonzern sitzt.
Nun haben diese Leutchen die dumme Angewohnheit, den Begriff "One Night Stand" etwas zu wörtlich zu nehmen, was natürlich von den Ordnungsbehörden im apokalyptisch smogverseuchten L. A. nicht toleriert werden kann.
Im zweiten Roman stellt sich dann heraus, daß es eine weitere Gruppe Außerirdischer gibt; selbe Spezies, andere Weltanschauung. Sie sind nämlich die Guten, bzw. sie behaupten die Feen und guten Geister aus den Märchen zu sein, während die anderen Dracula und Co sind. Sie sind allerdings auch auf der Erde gestrandet, weil sie bei ihren Feindseligkeiten jeweils ihre Raumkapitäne abgemurkst haben und nur ganz bestimmte Individuen genetisch dazu in der Lage sind, sich und andere durch die Raumzeit zu transportieren. Nun ist allerdings ein Mischling geboren, der dazu in der Lage ist und jede Gruppe will sich seine Dienste sichern. Sein Name: Herald Childe, der uns wohlbekannte, byroneske Held.
Zuerst muß Childe allerdings in einer sogar für diese aufgeschlossenen Zeitgenossen und -genossinnen wilden Party das Raumzeitvehikel herstellen. (Wenn man das Buch so liest, könnte man den Knaben glatt beneiden.) Wie auch immer, für diese Art des Raumfluges würde wohl jeder Scotty's Warptriebwerke auf den Schrott schmeissen.
Im dritten Roman des Bandes wird's dann richtig skurril: Eine Raumschiffbesatzung kommt nach 800 Jahren im Kälteschlaf zurück zur Erde und glaubt, auf dem Plant der Affen gelandet zu sein. Die industrielle Zivilisation ist zerfallen, auf dem nordamerikanischen Kontinent leben die Leute wie im 19. Jahrhundert. Es gibt allerdings mehrere Staaten mit völlig unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, z. B. Nachfolger des "American Way", ein paar schwule Mormonen, die leben wie Indianer und eine matriarchalische Theokratie, die den Anführer der Raumfahrer, Peter Bock, wirklich zum Bock machen, indem sie ihm ein Geweih implantieren, das sowohl seine physische Stärke und seine Zeugungskraft potenziert. Leider auf Kosten seines freien Willens: Die 2 F's bestimmen ab jetzt sein Leben: fressen und ... na was wohl. Zum Glück wird er entführt, denn nach der Sommersonnenwende sollte er in einem Ritual geopfert werden. Seiner Crew gelingt es allerdings, den der Hälfte seines Geweihes verlustig gegangenen und somit wieder halbwegs zurechnungsfähigen Peter Bock zu finden und versuchen, mit ihm auf irgendeinen angenehmeren Planeten zu entkommen. Doch da sind ja noch ein paar Leute, die gar nicht begeistert darüber sind, daß ihr Super-Bock auf seiner Befruchtungstour unterbrochen wurde.
Anmerkung: Pornographie ist per definitionem sinnloses Rumficken ohne Anspruch. Das hier hingegen ist Literatur - Gewürzt mit sinnlosem Rumgeficke ohne Anpruch, zugegeben. Aber die Absicht des Buches ist es nicht, ein paar feuchte Flecken in ein paar Hosen zu machen, sondern eine Satire zu sein, eine respektlose Sprengung der Grenzen des Genres und des sogenannten "guten Geschmacks". Pflichtlektüre! (und Therapiematerial für Engstirnige).
Bewertung: 9 von 10 Punkten