Reihe: Farlander, Band 1 Eine Rezension von Ida Eisele |
Der junge Nico lebt als Straßenjunge in der belagerten Stadt Bar-Khos und ist dem Hungertod nah, als er durch einen Zufall mit dem alten Farlander Asch zusammentrifft. Eigentlich will er ihn bestehlen, doch Asch gibt ihm die Gelegenheit, sein Lehrling zu werden, und nimmt ihn mit auf die Pirateninsel Cheem. Denn dort in den Bergen in einem Kloster leben Aschs Brüder, die Roschun, Mörder, die gegen Bezahlung Rache für einen Ermordeten nehmen.
Kirkus, der Sohn der Matriarchin von Mhann, ermordet während einem Ritual eine Frau, die unter dem Schutz der Roschun stand. Als die drei zunächst ausgesandten Roschun scheitern, machen sich Asch, sein Konkurrent Baracha und ihre Lehrlinge Nico und Aléas auf den Weg, um den Sohn der mächtigsten Frau des Midères zu ermorden. In Q'os, der Hauptstadt des sich ausdehnenden Reiches von Mhann, treffen sie auf Barachas schöne Tochter Serèse, die es Nico sofort angetan hat. Gemeinsam schmieden sie einen waghalsigen Plan, um in den Tempel des Wisperns einzudringen und Kirkus zu bestrafen...
Mit diesem Buch hat man ein absolut ungewöhnliches Werk in der Hand.
Magie ist in diesem Fantasyroman kaum anzutreffen, nur ganz dezent schimmert hier und da etwas Übernatürliches durch. Etwas völlig alltägliches sind dafür Gewehre, Kanonen, Luftschiffe, Aufzüge und weitere Elemente, die man im Genre Fantasy eher selten antrifft. (Mit Steampunk hat das Buch allerdings auch nicht wirklich viel zu tun, dafür fehlt ganz eindeutig die Dampfkraft)
Die Welt, in der alles spielt, erinnert stark an den Mittelmeerraum, jedenfalls geographisch. Die vorherrschende Religion ist eher etwas Asiatisches, heißt auch ganz offen Daoismus. Schon diese Kombination fand ich höchst interessant. Das von Kriegen und Konflikten geschüttelte Staatengefüge rund um dieses 'Midères', dessen aktuelle Lage und Geschichte während der Erzählung immer wieder durchschimmert, ohne übertrieben viel Raum einzunehmen, hat es mir ebenso angetan.
Die Charaktere selbst sind genauso detailgenau und vielschichtig dargestellt wie die Welt, in der sie agieren. Mit jedem einzelnen, selbst mit den grausamen, egoistischen Kirkus, kann man mitfühlen und verstehen, warum er so geworden ist, wie er nun mal ist. Nico, der nach dem Verschwinden seines Vaters von daheim weggelaufen ist, weil er die wechselnden Liebhaber seiner Mutter nicht mehr ertrug, der eigentlich kein Mörder werden möchte, aber keine Wahl hat und auch den alten und kranken Asch nicht allein lassen möchte, ist mir schnell ans Herz gewachsen. Als Hauptperson ist er kein Held, kein überragender Kämpfer, sondern einfach ein vom Pech verfolgter Junge, dem man eigentlich nur ein bisschen Glück wünscht.
Doch die Geschichte und vor allem ihr Ende ist geprägt von unerwarteten Wendungen, Überraschungen und einer schmerzhaften Aussichtslosigkeit, die eine angenehme Abwechslung zu den meist märchenhaften Siegen in der Fantasy sind. Es geht eben nicht alles glatt, das, was man vielleicht bitter einen Sieg nennen könnte, wird mit Blut und großen Verlusten erkämpft. Auch die Andeutungen auf den möglichen weiteren Verlauf der noch offenen Handlungsstränge zeichnet kein besonders fröhliches Bild. Im Gegenteil, die bisher angenommenen Machtstrukturen scheinen so gar nicht zu existieren, ein Krieg mit möglicherweise schrecklichen Folgen steht bevor und es fällt schwer sich vorzustellen, wie auch nur eine der Haupt- oder Nebenpersonen das alles unbeschadet überstehen könnte.
Von der Sprache und auch von den immer wieder einfließenden, jedoch nicht zu langen Landschaftsbeschreibungen her, konnte mich 'Farlander' ebenfalls überzeugen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass dieses erfreulich unkonventionelle Buch mit Abstand zu den besten zählt, die ich in letzter Zeit gelesen habe.