Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Ein Junge wacht schwer verletzt im Krankenhaus auf, um ihn herum Schläuche und Apparaturen. Alles tut ihm weh. Ohne Erinnerung versucht er sich zu bewegen und muss nach Entfernen des Kopfverbandes erkennen, dass er - einen Arm und beide Beine eingegipst - in einem Krankenhaus liegt. Nur ganz langsam fallen ihm Begriffe und Namen ein. Am zweiten Tag lernt er den alten buckligen Mann Foster kennen. Der möchte den Jungen, der während der Besuchszeit ganz allein bleibt, ein wenig aufheitern. Am dritten Tag stellt ihm der Junge einige Fragen und erfährt Folgendes:
"Vor zwei Tagen bist Du mit vollem Karacho und schnell wie der Blitz in der U-Bahn-Station Baker Street die Rolltreppe hinunter- und auf den Bahnsteig der Bakerloo Linie in nördlicher Richtung gerannt, und zwar genau in dem Moment, als der Zug in den Bahnhof einfuhr."
Mit dieser Information wissen die Leser genauso viel wie der Junge, der unter Gedächtnisverlust leidet. Aber allein diese Information ist schon eine Sensation. Denn welcher Mensch überlebt einen Zusammenstoß mit einem Zug? Noch erstaunlicher ist es, dass seine schweren Verletzungen in rasantem Tempo abheilen.
Aus aller Welt melden sich Koryphäen, um den Jungen zu untersuchen. Professor Khan ist einer der Ersten, die sich an seinem Bett einfinden. Als der Junge später von der Psychiaterin Amelia Jansen befragt wird, ob er sich an die dramatischen Ereignisse erinnern kann, kann er sich noch nicht einmal an seinen Namen erinnern, geschweige denn an Eltern, Geschwister oder daran, dass er in London ist. Erst als er eine Nachrichtensendung im Fernsehen sieht, erfährt er , dass er Avi heißt.
Noch rätselhafter wird es für ihn wie auch den Leser, als ein völlig Fremder ihn im Krankenzimmer aufsucht. Kellen entpuppt sich als Goblin, der sich seiner zu bemächtigen sucht. Er, der sich Kellen nennt, bedroht ihn so vehement, dass er erst in allerletzter Minute fliehen kann. Auf seiner halsbrecherischen, kopflosen Flucht durch die Straßen Londons lernt er die etwa gleichaltrige Hannah kennen. Ihre Mutter liegt mit einem Gehirntumor im Krankenhaus, ihren Tod vor Augen. Als die beiden sie besuchen, geschieht ein Wunder. Avi nimmt ihre Hand und heilt die todkranke Frau auf magische Weise. Die beiden jungen Leute versuchen herauszufinden, was es mit ihm wirklich auf sich hat, und immer mehr wird ihnen klar, dass sie die Lösung des Problems nicht in dieser Welt finden werden.
Goblins wie Kellen mit nur drei Fingern an jeder Hand jagen junge Menschen mit seltsamen Gaben. Eine Romanze zwischen den beiden Teenagern Avi und Hannah, die sich äußerlich durch ihre Frisur und Kleidung von dem etablierten Elternhaus absetzen will. Verfolgungsjagden, Freunde und Feinde, dazu eine feine Charakterzeichnung der beiden Hauptpersonen. Mehr kann man für ein Jugendbuch, das sich durchaus an Erwachsenere richtet, nicht verlangen. Die Anderswelt der vor Jahrhunderten von London abgespaltenen Zauberwelt ist eine gelungene Erfindung der Autorin Melissa Fairchild. Geschickt verbindet die Autorin die Stadt an der Themse mit einer märchenhaft anmutenden heilen Welt. Jedoch nur auf den ersten Blick.