Reihe: Die Eiserne See, Band 1 Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
Nach dem erfolgreichen Aufstand gegen die mongolischen Invasoren, die vor etwa zweihundert Jahren Europa eroberten, hat sich die Lage auf den britischen Inseln wieder normalisiert. Die einst reiche Oberschicht, die sich nach Amerika absetzen konnte, ist zurückgekehrt, protzt mit ihrem Reichtum und sorgt auch sonst dafür, dass sich die daheim Gebliebenen, Bugger genannt, immer noch wie Menschen zweiter Klasse fühlen. Von den mongolischen Eroberern sind wenige technische Errungenschaften geblieben. Etwa Eisenmänner, Luftschiffe und die Naniten, die in der Lage sind, Krankheiten zu bekämpfen oder Körperteile nachwachsen zu lassen. Der Nachteil ist jedoch, dass sie gleichzeitig die Gefühle der Menschen vernichten. Doch die beste Technik nutzt nichts, wenn sich Heimkehrer wieder als neue Herren aufspielen und den Buggern kaum das Nötigste zum Überleben bleibt. Ein weiterer Nachteil der Gefühlslosigkeit ist die Zerstörung der Familie und der Ehe. Kinder wachsen in Krippen auf, Frauen gelten als billige Arbeitskräfte.
Lady Mina Wentworth lebt ein schweres Leben. Auf der einen Seite wird sie als Halbmongolin von allen Seiten gemoppt, auf der anderen Seite schützt sie ihre Stellung als Kriminalkommissarin. Gerade Letzteres erlaubt ihr, sich relativ sicher durch die Straßen Londons zu bewegen. Die wenige Freizeit, die ihr als Kommissarin gegönnt wird, nutzt sie zu kulturellen und gesellschaftlichen Besuchen. Während eines Balls wird sie von diesem fort zur Pflicht gerufen. Eine recht seltsame Art, Tote zu entsorgen, ruft sie auf den Plan. Auf das Anwesen von Herzog Rhys Trahaerans wird aus einem Luftschiff heraus eine tiefgefrorene Leiche geworfen. Der Befreier Londons ist darüber nicht sehr amüsiert. Lady Mina nimmt die Ermittlungen auf dem Anwesen des ehemaligen Piraten auf. Ihr ist bald klar, dass dieser Mann bereit ist, das Verbrechen selbst zu lösen. Er würde die Legislative außer Acht lassen, die Exekutive in die Hand nehmen und die Judikative selbst durchführen. Dennoch funkt es zwischen den beiden und gemeinsam forschen sie nach den Verbrechern. Je tiefer sie in der Geschichte bohren, umso gigantischer wird das Problem, auf das sie stoßen. Ganz England wird bedroht, eine Verschwörung langsam, aber sicher aufgedeckt.
Während die ganzen Liebesschnulzen mit Vampiren sich ihrem Ende nähern, zwischenzeitlich Werwölfe und sogar Zombies als Liebespartner auftraten, scheint nun die neuere SF-Subreihe für die Liebesromane gekürt zu werden. Sex mit Tieren und Leichen ist eine Sache, aber unbedingt jedes Genre mit Liebesschnulzen zu assimilieren muss nicht sein. Sicherlich ist die Neuordnung Europas seit und nach der Eroberung durch die Mongolen ein netter neuer Hintergrund. Vor der „Gelben Gefahr“ wurde schon in den 1970er Jahren gewarnt und Witze wie: Ich wünschte, die Chinesen würden dreimal in der DDR einmarschieren, weil sie dann sechsmal durch Russland müssten, sind lange passé. Den Niedergang Europas und den Ausverkauf Afrikas durch China erleben wir tagtäglich. Nur nicht durch Waffengewalt, sondern mit den Mitteln des Kapitalismus. Aber ich schweife ab.
Dennoch ist die Welt recht faszinierend. Lady Mina Wentworth als Vertreterin der Krone ist sehr sympathisch beschrieben, ebenso der Befreier Britanniens. Beide sind Menschen mit den berühmten Ecken und Kanten, nicht die stromlinienförmigen Personen, die sonst in den Unterhaltungsromanen eine große Rolle spielen. Die Handlung ist es, die den großen Pluspunkt für den Roman holt. Abwechslungsreiche und abenteuerliche Luft- und Seegefechte, eine flüssig geschriebene Handlung, die nicht aufgesetzt wirkt, macht einiges aus. Lediglich der Sex - oder das Zuviel an solchem - störte mich dann doch etwas. Ich bin sicherlich nicht prüde. Wenn ich aber einen Roman mit dieser Handlung lesen will, würde ich bei Elysion einkaufen.
Mehrere von ihnen schüttelten den Kopf und legten ihre Waffen nieder. Mina nickte zufrieden, doch sah sie aus dem Augenwinkel einen Gewehrlauf.
Ein Mitglied der Schwarzen Gilde oder einfach nur jemand, der stets Befehle befolgte, egal, von was für einem Mann sie kamen.
Rhys sah es ebenfalls. Er wollte sich umdrehen.
Doch er war nicht so schnell wie sie.
Inhalt:
Pirat Rhys Trahaearn befreite England einst von einem grausamen Herrscher. Seitdem ist er gefeierter Volksheld und lebt das auch voll aus. Als eine Leiche vor seiner Tür von einem Luftschiff abgeworfen wird, macht sich Mina Wentworth daran, den Fall aufzuklären. Und kommt dabei Rhys viel näher als ihr lieb ist, denn sie weiß, das ist ein Spiel mit dem Feuer...
Buchaufmachung:
Das Cover des Softcovers ist meiner Meinung nach besonders im Hintergrund sehr gut gelungen - die Zahnräder vermitteln ein Gefühl davon, wie viel es im Roman um Apparaturen und ähnliches geht. Die gezeichnete Figur soll wohl Rhys darstellen, bei dem besonders die Kleidung absolut klasse ist. Nur das Gesicht ist zu wenig kantig - ansonsten aber sehr hübsch im Regal!
Meine Meinung:
Schon von dem Klappentext des Buches war ich total angetan - Steampunk as it's best, so klingt dieser jedenfalls. Nach einigen Rezensionen wurde ich etwas skeptischer und zögerte das Lesen daher hinaus. Aber das war vollkommen unbegründet, denn diese "Eiserne See" zog mich sofort in ihren Bann.
Mina Wentworth ist eine Hauptfigur, die mir sofort von der ersten Seite an sympathisch war. Sie ist mutig, gewitzt und schlau, aber sie hat auch Angst aus vielerlei Gründen, was sie verletzlich und menschlich macht. Sie ist prinzipientreu und weiß ihre eigene Meinung zu verteidigen, weshalb sie für so einige interessante Gespräche sorgt. Sie hat Sinn für Humor und lässt sich nicht alles vorschreiben - besonders nicht, wenn es darum geht, ihren Pflichten als Polizistin nachzukommen. Sie wirkt recht bedacht, außer in der Gegenwart des Piraten, was ich aber irgendwie verstehen kann.
Rhys Trahaearn ist ebenfalls ein sehr gelungener Charakter - gefürchtet, sarkastisch, cool. Sein Charme ist unverkennbar und auch ich konnte mich dem nicht entziehen. Was für ein Kerl! Diese starken Arme, ja nun, ich gebe zu, in die hätte ich mich auch gern mal geworfen. Rhys mag rau sein, harsch, aber er ist definitiv heiß. Und vor allem tut er alles für die, die er liebt und für die, die ihm treu sind, was ihn sehr sympathisch werden lässt.
Meljean Brook hat aber auch die Nebenfiguren so schraffiert, dass sie glaubwürdig und überzeugend wirken, selbst, wenn sie nur kurz vorkommen. Minas Konstabler Newberry ist ein prüder, jedoch liebenswürdiger junger Mann, den ich sofort gut leiden konnte, ebenso wie den oft betrunkenen, aber trotzdem sehr ausgefuchsten Scarsdale, Trahaearns Navigator. Nur der schlussendliche Bösewicht wirkte ein wenig zu konstruiert, zu aus dem Ärmel geschüttelt. Als wollte die Autorin hier noch einmal schnell eine überraschende Wende einbringen.
Von der Geschichte selbst war ich von Anfang an gefesselt. Die Steampunk-Elemente sind geschickt eingefädelt und machen alles noch interessanter - Luftschiffe, Roboter, mechanische Armbänder, und das alles angetrieben durch Kohle und weitere Hilfsmittel...Anfangs etwas ungewohnt für mich, wurde mir das alles schnell vertraut und ich freute mich jedes Mal, wenn eine weitere Gerätschaft Erwähnung fand. Schade ist nur, dass die Bugs, Naniten, Bugger und andere Worte, die oft Einzug halten in die Geschichte, sehr schwach oder erst spät erklärt werden, und auch dann meist nur, indem man es sich selbst zusammenreimt. So verursachen diese Dinge zumindest zu Anfang eine leichte Verwirrung.
Doch Spannung weiß Brook zu vermitteln. Der Kriminalfall ist sehr interessant, vor allem, weil er die meiste Zeit über schwer zu durchschauen ist. Immer wieder kommen neue Erkenntnisse hinzu, weswegen es nie langweilig wird, alldem zu folgen. Das Problem ist nur, dass - das muss auch ich anmerken - ab Seite 300 in etwa dieser Part stark in den Hintergrund tritt und stattdessen Minas und Rhys' Liebesleben hervorgehoben wird. Man verstehe mich nicht falsch, auch das hat auf seine Weise gefesselt, dennoch war ab da für mich zu wenig Ermittlung.
Die Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten war trotzdem jedenfalls für mich sehr intensiv, auch wenn es auch hier, wie in vielen solcher Romane, dabei hauptsächlich um Sex ging. Trahaearn will Mina und er bekommt sie, klar. Dennoch wird durch die Gespräche und auch seine Angst um sie immer wieder klar, dass mehr dahinter steckt, und das konnte ich fühlen. Die beiden als Paar waren für mich absolut wunderbar und manchmal auch zum Schießen, dramatisch, leidenschaftlich, zärtlich - was bitte will man mehr?
Die letzten 100 Seiten heizen dann noch einmal alles an, die Autorin zeigt ihr Können, hetzt den Leser durch die Seiten und fährt alle Geschütze auf, die sie zu bieten hat. Ich war vollkommen gebannt, hing an den Seiten, wollte zum erlösenden Ende kommen und gleichzeitig auch nicht. So viel kann ich verraten: Es wird hochdramatisch, ein bisschen blutig und herzzerreißend...in mehrerer Hinsicht. Und letztendlich war auf jeden Fall ich hoch zufrieden.
Fazit:
Meljean Brooks Debüt hat mich unerwarteter Weise sehr schnell gefesselt und nicht mehr losgelassen. Die Charaktere fand ich toll, in das Paar habe ich mich verliebt und auch die Geschichte lässt kaum zu wünschen übrig. Ein paar Kritikpunkte gibt es, aber die reichen nicht aus, um dem Werk weniger als 4,5 Punkte zu geben. Ich freue mich auf Band 2!