Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von RealS |
Inhalt: Aliens haben sich auf der Erde niedergelassen, nachdem die Menschen gegangen sind. Sie versuchen sich den Menschen physisch anzugleichen, insbesondere auch, was die Fortpflanzung anbetrifft. Doch aufgrund von Mutationen werden kaum noch Kinder geboren, die in ihrem Äußeren den früheren Menschen gleichen. Das Resultat ist eine große Bandbreite von Personen: Am einen Ende finden sich Nonfunktionale, also "Menschen", die allein nicht überlebensfähig sind und deswegen in Käfige gesperrt werden. Dann gibt es noch solche, die immerhin so "funktional" sind, dass sie für die Gemeinschaft nützlich sein können, aber nicht so, dass sie als vollwertige Mitglieder ein "Lo" (männlich) oder ein "La" (weiblich) als Titel bekommen. Am anderen Ende gibt es solche, die anders sind, die eine bestimmte geistige Gabe haben, wie die Hauptperson des Romans, Lo Lobey, und seine Liebe, Friza, die zunächst sorgenlos in einem kleinen Dorf leben, wo Lobey mit seinen Freunden Ziegen hütet. Als Friza stirbt, geht Lobey auf eine Wanderung, um sie wiederzuholen und den zu finden, der sie getötet hat: Kid Death. Dabei reitet er mit Drachencowboys und erreicht schließlich die Großstadt Branning-at-Sea. Dort werden die Mythen, denen die Hauptpersonen folgen, vorerst ein Ende haben, in der einen oder anderen Richtung. Denn die Aliens werden von den jahrhundertealten Legenden der Menschen "heimgesucht", angefangen bei Orpheus bis zu Billy the Kid und Ringo Starr. Sie werden von diesen Mythen beeinflusst und sehen sich z.T. als "Reinkarnation" dieser legendären Personen.
Bewertung: Schon die Inhaltsbeschreibung zeigt, dass es sich vorliegend um keinen einfach gestrickten Roman handelt. Der Rahmen der Handlung ist an die Orpheus-Sage angelegt, in der Orpheus versucht, mit seiner Musik die Götter der Unterwelt zu betören, sodass sie seine (tote) Liebe Eurydike mit ihm kommen lassen. Nur was macht Billy the Kid dabei? Der Leser wird hier mit einem Flickwerk an Mythologie im weiteren Sinne konfrontiert, ohne dass erklärt wird, warum die Aliens von diesen Legenden "heimgesucht" werden oder wie sie wissen, welche Figuren sie "sind". Es wird auch nicht einmal angedeutet, warum die Aliens die Gestalten der Menschen übernommen haben oder wie sie überhaupt auf die Erde gekommen sind - wo sie sich jetzt in einer elektrifizierten, aber ansonsten ziemlich rückständigen Welt eingerichtet haben.
Fazit: Die Idee des Romans ist interessant, und wenn man den Roman aufmerksam liest, macht es Spaß, den Anspielungen zu folgen. Der Schreibstil ist flüssig, Lobey als Ich-Erzähler ist z.T. auch amüsant, aber die ganzen Hintergründe bleiben doch so sehr im Dunkeln. Hoffte man während des Lesens noch, eine Erklärung für alle Merkwürdigkeiten zu erhalten, steht man am Ende deshalb ziemlich unbefriedigt da, und man fragt sich, was das Ganze soll. Dieses Problem benennt auch Neil Gaiman in seinem Vorwort, wenn er angibt, dass er den Roman auch beim erneuten Lesen als Erwachsener "still as beautiful; still as strange" finde. Ob einem The Einstein Intersection gefällt oder nicht, liegt also daran, wie gut man mit der Unklarheit in Bezug auf den Hintergrund der Geschichte leben kann.
The Einstein Intersection gewann 1967 den Nebula-Award.
[Die Besprechung beruht auf der englischen Originalfassung.]