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Serie / Zyklus: Scheibenwelt
Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Das Buch beginnt furios, wie man es von Pratchett gewohnt ist. Das scheinbar banale Bild einer Schildkröte, die von einem Adler emporgetragen wird, mit dem Zweck, die Schildkröte an einem Felsen zerschellen zu lassen, scheint mit der Geschichte im ersten Moment nichts zu tun zu haben. Allerdings entpuppt sich die Schildkröte als der einst mächtige Gott Om. Nun fragt sich der Leser, warum ein Gott die Form einer Schildkröte hat und sich gegen einen Adler nicht wehren kann, aber Pratchett liefert zugleich eine logische Erklärung: Aufgrund starken Gläubigen-Schwundes hat der Gott an Macht verloren, denn Götter schöpfen ihre Kraft aus dem Glauben. Tatsächlich gibt es auf der Scheibenwelt weit mehr Götter als Menschen, doch dem Großteil von ihnen fehlt es nicht nur an Gläubigen, sondern auch an Bewusstsein. Sie „umschwirren“ die Menschen, sofern sie überhaupt mal einen treffen, und versuchen so, irgendwie Aufmerksamkeit, bzw. Glauben zu erwecken. Allerdings dürfte das ziemlich schwer sein, wenn man nur in unzusammenhängenden, wirren Gedankenfragmenten denken kann.
Om weiß dies und hat panische Angst davor, in diesen Zustand der namenlosen Götter zurückzufallen. Und er hat auch allen Grund, Angst zu haben, denn er hat nur noch einen Gläubigen und das ist seltsam, da die Kirche des Gottes Om eine der größten der Scheibenwelt ist. Doch leider glauben die Menschen an alles Mögliche, aber nur nicht an den Gott Om. Doch Om hat noch eine Chance, denn die omsche Kirche erwartet in regelmäßigen Intervallen einen Führer - ihre Propheten sind die pünktlichsten. Dies weiß auch Om, als er durch unwahrscheinliches Gluck nach dem Abwurf durch den Adler in einem Misthaufen landet, und das nur zwei Meter entfernt von seinem letzten Gläubigen, Burtha. Die Chance, dass Om so viel Glück hatte, stand bei eine Million zu eins, aber erstens ist Om immer noch ein Gott und zweitens tritt ein Ereignis, mit genau dieser Wahrscheinlichkeit auf der Scheibenwelt immer ein.
Burtha erweist sich für den Gott nicht gerade als Offenbarung, zumal er sich seit überdurchschnittlich langer Zeit als Novize verdingt. Burtha selbst geht es ähnlich, denn der Gott wurde in der Regel als mächtiger Stier mit gefährlichen Hörnern dargestellt, der die Ungläubigen unter sich zertrampelt. Om jedoch schafft es gerade, dem noch etwas ungläubigen Burtha eine Augenbraune zu versengen.
Doch Om ist nicht Burthas einziges Problem. Vorbis, sein oberster Chef und Leiter der Quisition, ist ein machtbesessener Irrer. Als solcher findet er natürlich keinen Gefallen an einem Gott, der eventuell seine Plane durchkreuzen konnte, seine Serie vor Eroberungsfeldzügen fortzusetzen, um dort den Leuten den Glauben an Om einzutrichtern. Vorbis bedient sich Burthas phänomenalen Gedächtnisses - laut seiner Aussage war die erste Erinnerung an die er sich erinnern kann, dass es sehr hell wurde und ihn jemand geschlagen hat - um das Volk der Ephebianer zu unterjochen. Ephebe ist die Stadt der Philosophen. An jeder Ecke gibt es Axiome zu kaufen und wenn man Glück hat, gibt es sogar das eine oder andere im Sonderangebot - mit voller Rücknahmegarantie bei Unzufriedenheit. Außerdem verfugt Ephebe über die zweitgrößte, nichtmagische Bibliothek der Scheibenwelt, zumindest bevor sie abbrannte…
Terry Pratchett spickt auch dieses Buch wieder mit vielen Anspielungen. Das Thema allein bietet sich ja direkt dafür an und es ist bestimmt keine Zufall, dass seine Hauptpersonen Burtha (Buddha) und Om (das wohl bekannteste Mantra) heißen. Auch liegt der Vergleich der ephrabianischen Bibliothek mit der von Alexandria nahe, zumal sich die ephrabianischen Phillosphen verhalten wie ihre griechischen und römischen Vorbilder. Einer von ihnen lebt in einem Fass und verkauft seine Axiome für einen Apfel und ein Ei.
Das Faszinierendste am Buch jedoch ist die Sache mit der Macht. Dieses Wechselspiel zwischen Gott und Gläubigen, das ziehen von Macht aus der Summe der Gefolgsleute ist ein so durchdachtes Konzept, dass man meinen möchte, es wäre in der Tat so. Interessant ist aber auch der Gegensatz zwischen dem Gott Om und der Religion Om. Der arme Gott, zu Leben als Schildkröte verdammt, ist Gott der mächtigsten Religion auf der Scheibenwelt, doch er selbst verfügt überhaupt keine macht, es sei denn, es gelingt ihm die Menschen zu überzeugen, an ihn und nicht an seine Religion zu glauben.
Dieses Buch ist noch eines der frühen Scheibenweltbücher, aber es eines der ersten, in dem der berühmte philosophische Humor des Autors ganz zu Tage tritt. Was Sprache, Stil und Spannungsbogen betrifft, so hat er im Vergleich zu den Vorgängerromanen stark zugelegt, aber das Buch quillt nicht mehr so über von aberwitzigen Ideen. Er greift teilweise auf Ideen vorheriger Bucher zurück und dies kann auch sehr witzig sein. Zum Beispiel die Figur des TOD wird überhaupt nicht mehr kommentiert. Irgendwann erscheint im Text eine Zeile mit beispielsweise folgendem Text: KÖNNEN WIR JETZT GEH? Der Scheibenwelt-Kenner weiß dann, dass die angesprochene Person soeben verstorben ist. Oder die Sache mit der Chance eins zu einer Million.
Einfach Göttlich zählt ohne Zweifel zu den besten Scheibenweltbüchern und Pratchetts Gedanken über Gott und Glauben sind auch bei mehrmaligen Lesen noch sehr unterhaltsam.