Titel: Eine Frage von Leben und Tod Eine Besprechung / Rezension von Ida Eisele |
Es handelt sich um einen Fantasykrimi, der in der etwas chaotischen und mittelalterlich schmutzigen Stadt Garbath spielt, die bis vor einigen Jahrzehnten die Hauptstadt Belgarias war. Nach dem Ende der Monarchie wird die Stadt jedoch von einem korrupten Magistrat und einer ebenso korrupten wie fanatischen Priesterschar regiert. Die Bewohner sind mehrheitlich Menschen, die ein gewöhnliches Leben führen, ihrem Tagwerk nachgehen, sich über die vom Magistrat angeheuerten Orksöldner beschweren oder sich in den zahlreichen Schänken tummeln.
Inmitten dieser quicklebendigen, bunten Stadt muss Lupina, eine junge Halblingsdame, um ihr tägliches Überleben kämpfen. Es ist schwer für sie, Arbeit zu finden, und so hat sie keine Wahl, als ihr Wirt ihr eine Stellenanzeige für diskrete Nachforschungen weitergibt.
Mit einem Trick überzeugt sie den Auftraggeber, den schrulligen Bestatter Dasal, dass sie trotz ihrer geringen Körpergröße genau die Richtige für sein Anliegen ist, das darin besteht, einen Dieb zu finden. Allerdings handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Dieb, denn er hat Dasal kein Geld und keinen Schmuck, sondern Leichen gestohlen.
Unter einem Vorwand stellt Lupina Nachforschungen bei allen an, die in Garbath auch nur im Entferntesten etwas mit Toten zu tun haben. So führt ihr Weg sie zu den priesterlichen Heilern, einem aus seiner Heimat geflohenen Arzt, Leichenwäschern, Bestattern, Friedhofswärtern – allen, die in einem gewöhnlichen Fantasyroman gar nicht erwähnt werden würden, die jedoch für das Funktionieren einer Stadt unerlässlich sind.
In dem südländischen Kapitän Al da Rion findet Lupina sowohl einen Helfer als auch einen Liebhaber, dessen Motivation in einer Mischung aus Langeweile und ihren weiblichen Reizen besteht. Gemeinsam kommen sie dem Dieb mit halblegalen bis vollständig illegalen Methoden wie Übernachtungen auf dem Friedhof, Beschattungen und Einbrüchen immer näher. Lupina entgeht nur knapp einem Mordanschlag und sieht sich mit der beständigen Bedrohung durch den immer verdächtiger werdenden Arzt konfrontiert, bis sie sich dem Dieb gemeinsam mit Dasal und Al da Rion im verlassenen Gerberviertel der Stadt schließlich stellt. Das Motiv des Diebes ist sowohl verständlich als auch wahnsinnig, will er doch eine Zombiearmee zur Befreiung seiner von dem Seefahrervolk der Milwinger besetzten Heimat erschaffen.
Letzten Endes geht natürlich alles gut aus, der Bösewicht stirbt, Dasal zahlt Lupina und Al da Rion aus, der daraufhin in den Süden zurücksegeln kann – allerdings erst, nachdem er Lupina einige Stempel geschenkt hat, mit denen sie Drucke seiner Liebesgöttin Lambaghi anfertigen und gewinnbringend verkaufen kann, wodurch ihre Geldsorgen erst einmal vergessen sind.
Erzählt wird von Lupina als Ich-Erzählerin, was für einen Fan der personalen Erzählweise – wie mich selbst – meistens ein erster Minuspunkt sein mag, in diesem Fall allerdings durch die lockere, selbstironische Art der Erzählerin sehr, sehr erträglich gemacht wird.
Insgesamt kann man, auch durch diese große Nähe zu Lupina, gar nicht anders, als mit der selbstbewussten Halblingsdame mitzufühlen, wenn sie über die unsensiblen „Trampelfüße“ und deren Unverständnis gegenüber Kleinergeratenen schimpft oder sich selbst mit Worten wie „Ich hatte nicht mehr Hirn als ein stockzähniger Oger!“ schilt.
Ihre auf Selbstbestimmung bedachte Eigenwilligkeit, ihr Einfallsreichtum und auch ihre Gutmütigkeit machen sie zu einer sehr sympathischen Hauptperson, über die man gerne liest und die einem nahezu fehlt, wenn das Buch schließlich zu Ende ist.
Die Nebenfiguren sind allesamt in sich schlüssig und einzigartig charakterisiert, von Dasals morbid anmutender Begeisterung für sein Bestatterhandwerk, über Al da Rion, der verzweifelt versucht, genug Geld für die Befreiung seines im Hafen auf Grund gelaufenes Schiff zusammen zu bekommen, in dem er allerhand exotischen Krimskrams verkauft, bis hin zu Lupinas freundlichem Wirt Karal mit und seinen jungen Liebhaber Spirek.
Der Schauplatz ist, wie eingangs geschildert, eine überzeugende, detailreiche, aus der etwas außenstehenden Perspektive Lupinas betrachtete Fantasystadt, die der Erzählerin wie dem Leser selbst trotz ihrer zeitweiligen Feindseligkeit ans Herz wächst.
Die Handlung ist spannend aufgebaut. Der Leser ahnt zu Beginn ebenso wenig wie Lupina selbst, wer Interesse an Leichen haben könnte und zu welchem Zweck er sie braucht. Lange tappt man im Dunklen, erfährt viel über die tragischen Einzelschicksale der verschiedenen Verdächtigen und bekommt Garbath dabei in all seiner vollen Vielfalt zu sehen.
Das I-Tüpfelchen sind die im Anhang aufgeführten Hintergrundinformationen, Rezepte für im Buch erwähnte Gerichte und eine zur Anschaulichkeit recht nützliche Stadtkarte. Hier aber bin ich bei meinem größten weil einzigen Kritikpunkt angekommen:
Die Karte ist nicht schön und detailreich illustriert, wie es der Geschichte angemessen wäre, und ihre Aufteilung auf zwei Buchseiten mit dickem weißen Feld in der Mitte regelrecht lieblos. So ist auch die Qualität des Bucheinbandes (Taschenbuch) ausgesprochen schlecht. Nach dem ersten Lesen schon steht der Einband wild ab. Das Cover wäre für einen Horrorroman passender, wirkt nicht sonderlich ansprechend und hat mit dem Inhalt rein gar nichts zu tun.
Der Text ist sprachlich zwar auf üblichem Niveau, allerdings verärgern ständig wiederkehrende Wortwiederholungen und Grammatikfehler das lesende Auge. Dieses Manko ist allerdings weniger dem Autor als vielmehr dem Verlag anzukreiden, bei dem mir die genannten Schwächen bereits zum wiederholten Male aufgefallen sind.
Da der Inhalt trotzdem vollständig überzeugen konnte, kann ich dieses Buch allen Freunden etwas skuriler Fantasy nur weiterempfehlen und hoffen, es eines Tages in neu aufgelegter, ansprechenderer Form noch einmal lesen zu dürfen.