Reihe: Dune - Der Wüstenplanet Besprechung / Rezension von Arne Handt |
Nur wenige Wochen ist es her, da flimmerte zum zweiten Mal die unsägliche TV-Verfilmung von Frank Herberts Klassiker Der Wüstenplanet über die Mattscheibe. Da war mir meine Zusage an unsern Redax, ihn mit Kritiken zu Filmmusiken zu beliefern, ein gelegener Anlass, um an die Kinofassung von David Lynch aus dem Jahre 1984 und insbesondere den ausgezeichneten Soundtrack zu erinnern.
Man kann über den Film sicherlich geteilter Meinung sein, in verschiedener Hinsicht, aber der Soundtrack gehört nach meiner Auffassung immer noch zu den ganz großen im SF-Genre und ist auf jeden Fall einer meiner absoluten Favoriten.
Zunächst mal ist es ungewöhnlich, dass die Filmmusik nicht aus der Feder eines arrivierten Komponisten stammt - wie z. B. Jerry Goldsmith oder John Williams, die sich ja beide gerade im SF-Bereich einen Namen gemacht haben -, sondern von der Rockgruppe Toto geschrieben wurde, die sich damals gerade dem Zenit ihres Erfolges näherte - die Hits "Rosanna" und "Africa" kennt vermutlich jeder von uns.
Wer jetzt allerdings nur E-Gitarren, Synths und Half-Time-Shuffles erwartet, liegt falsch: Den Soundtrack zeichnet ein sehr gezielter Einsatz von symphonischen Orchesterklängen (eingespielt von den Wiener Symphonikern) Vokalarrangements, aber auch Elementen aus Rock-, Pop- und elektronischer Musik aus.
Der Soundtrack beginnt - wie der Film - mit dem Prolog von Prinzessin Irulan, unterlegt durch Streicher, didgeridoo-ähnliche Synthesizerklänge und das gelegentliche Zupfen eines Saiteninstrumentes; eine atmosphärische Mischung aus "abgespaced" und archaisch - was dem Buch ja recht nahe kommt. Während Irulan uns das Dune-Universum vorstellt, wird im Hintergrund zum ersten Mal das Arrakis-Thema angedeutet, das im anschließenden Main Title von Bläsern und Streichern aufgegriffen und zu einer dramatischen und düsteren Fanfare weiterentwickelt wird. Hier kann man praktisch schon die Stürme des Wüstenplaneten toben hören.
Nach einem mechanisch-gleichförmigen "Robot Fight" folgt das musikalische Thema von Herzog Leto Atreides, ein ebenso würdevolles wie unheilverheißendes Streicherarrangement, in das sich nach einer Weile fast unbemerkt das bereits bekannte Arrakis-Thema mischt und das bevorstehende Schicksal des Hauses Atreides quasi musikalisch prophezeit.
Das sich anschließende "The Box" greift die Sphärenklänge des Prologs auf und erzeugt eine geheimnisvolle Stimmung von solcher Dichte, dass man die magische Aura der Bene Gesserit schon fühlen kann. Nach einer Weile entwickelt sich eine gänsehauttreibende Dissonanz aus nadelfeinen Streich- und Zupfklängen, bevor sich die Spannung am Schluss in einem Schlag löst.
Als nächstes wird uns der Gegenspieler der Atreiden, Baron Vladimir Harkonnen, mit einer infernalischen Synthesizerkomposition musikalisch vorgestellt, die mich zum Ende hin an eine Tokkata von Bach erinnert.
Damit wären sozusagen die Hauptakteure vorgestellt und es folgt die Reise nach Arrakis, ausgedrückt durch sorgsam geschichtete Synthesizer- und Vokalklänge, die wie die Schwaden eines planetaren Nebels apathisch durch Zeit und Raum treiben.
Nachdem wir auf Arrakis gelandet sind, geht es gleich mit dem ersten Angriff los: Untermalt von wirbelnden Trommeln zeigt sich uns das Arrakis-Thema diesmal ganz unverhüllt, vorgetragen von Hörnern und Chorsängern, die von einem breiten Instrumentarium unterstützt werden. Doch der Angriff verläuft (zumindest musikalisch) im Sande von Arrakis und es folgt ein Stück das etwas aus der Reihe fällt, das "Prophecy Theme". Es handelt sich um eine Synthesizerkomposition von Brian Eno, die wie kein anderes Stück des Soundtracks die grenzenlose Weite der Wüsten von Arrakis vermitteln kann. Außerdem, so denke ich immer, geben die Trance-artigen Klanggebilde einen guten Eindruck von der bewußtseinserweiternden Kraft des Gewürzes.
Es schließt sich das "Desert Theme" an, ein neues musikalisches Motiv mit einer veränderten Grundstimmung, was dem Lauf der Geschichte entspricht. Dabei spielt sich immer wieder das Harkonnen-Thema in den Vordergrund, wie ein düsterer Schatten der Vergangenheit oder ein Vorgriff auf die ausstehende Konfrontation. Stilistisch kommt hier die Heimat von Toto, nämlich die Rock- und Popmusik, zum Vorschein.
Auch das nächste Stück, "Paul Meets Chani", wird durch das Wüstenthema eingeleitet, allerdings in verkürzter Form, so dass man es zunächst kaum erkennt. Es entwickelt sich dann auch in eine andere Richtung, warme Streicherklänge leiten über zu einem neuen, balladesk-tragischen Motiv, dem Liebesthema von Paul und Chani.
Nach einem kurzen Streicherintermezzo spitzen sich die Ereignisse zum dramatischen Finale des Filmes hin langsam zu: Paul trinkt vom Wasser des Lebens. Psychedelische Gong- und Synthesizerklänge vollziehen die endgültige Wandlung Pauls zum Übermenschen nach. Dann ist es soweit, in der großen Schlacht stehen sich die Fremen und die Truppen des Kaisers gegenüber, wieder einmal dargestellt durch eine Variation des Arrakis-Themas, das sich nach und nach durch die Reihen der Instrumentalisten ausbreitet, nur vorübergehend von einem kurzen Einwurf des Harkonnen-Themas aufhalten lässt, bevor es schließlich in einen jubelnden Triumphgesang mündet. Den Showdown bildet der Kampf zwischen Paul und Feyd. Hier tauchen die zermürbenden, mechanischen Trommelklänge des Roboterkampfes noch einmal auf, bis es endlich vorbei ist.
Schließlich folgt eine Reprise des Liebesthemas bevor die Jungs von Toto mit der Abspannmusik endgültig zu ihren poppigen Wurzeln zurückkehren.
Insgesamt ein wirklich gelungener Soundtrack, dessen atmosphärische Dichte einem zeitweilig eine Dauergänsehaut verpasst. Deshalb ist er auch als Untermalung zum Lesen wunderbar geeignet - am besten natürlich für die Wüstenplanet-Bücher von Frank Herbert.