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Titel: Du oder Ich Eine Rezension von Christel Scheja |
Die kanadische Autorin Elsie Chapman studierte englische Literatur an der Universität of Britsh Columbia und lebt heute mit Mann und zwei Kindern in Vancouver. Ihr erster Roman „Du oder ich“ ist nun auch auf Deutsch erschienen.
In einer nicht all zu fernen Zukunft ist die Erde so angeschlagen, dass nur noch an wenigen Orten Leben möglich ist. Um möglichst starke, gesunde und skrupellose Bürger heranzuzüchten, hat sich das von Computern gelenkte Regime ein perfides System ausgedacht. Jeder hat einen Doppelgänger mit dem gleichen genetischen Code, der oder die allerdings bei ganz anderen Eltern aufwächst.
Irgendwann im Alter zwischen zehn und zwanzig Jahren haben diese Doppelgänger-Paare die Aufgabe einander umzubringen. Nur einer überlebt. Nach der Aktivierung haben sie einen Monat Zeit, um ihr Überleben zu kämpfen. Ist der eine nicht fähig, den anderen zu töten, dann sterben beide. Manchmal kommt es auch vor, dass ein Mensch Killer anheuert, die den Doppelgänger erledigen, diese werden dann auch Striker genannt.
West ist fünfzehn und wartet auf die Aktivierung, die jederzeit kommen kann. Und sie macht sich keine Illusionen, hat sie doch bereits mehrere ihrer Geschwister sterben sehen, wodurch auch die Eltern nicht mehr leben. Nun muss sie auch noch mit ansehen, wie ein guter Freund sein leben verliert. Der einzige, der ihr jetzt noch bleibt, ist Chord.
Um sich zu schützen und ihre Fähigkeiten auszuprägen, lässt sie sich zudem auf einen gefährlichen Deal ein. Doch als ihre Zeit gekommen ist, merkt sie schon, dass sie nichts und niemand auf das vorbereiten konnte, was sie nun im Zweikampf mit ihrem anderen Ich erwartet...
Noch immer beschäftigen sich viele Jugendbücher mit einer nicht all zu netten Zukunft, in der es gerade für die jüngere Generation hart werden könnte. Selbstbestimmung und Hoffnung auf ein gutes Leben sind zunächst Fehlanzeige, denn immer schweben Todesdrohungen über ihnen. Das ist auch in „Du oder Ich“ der Fall.
Die junge Heldin ist gefangen in einem System, in dem sie selbst zur Mörderin werden muss, wenn sie nicht das Opfer sein will. Aus diesem Grund lernen wir hier auch ein Mädchen kennen, das weit davon entfernt ist, Glück und Spaß genossen zu haben, da sie die letzte ihrer Familie ist. Zynisch und verbittert wartet sie auf ihre Aktivierung – und merkt dann doch, dass sie viel zu verlieren hat. Die Autorin nimmt zwar die Liebe zwischen West und ihrem Freund Chord ernst, gibt aber auch den anderen Themen genügend Raum. So lernt man einiges über das hinterhältige System, dass gerade die jungen Leute schlecht behandelt – so stehen ihn nicht unbedingt echte Lebensmittel zur Verfügung, sie müssen oft nur mit synthetisierten Produkten auskommen. Die Tötung von anderen Menschen wird hier hingenommen – und in dieser Hinsicht bleibt die Autorin überraschend realistisch. Sie schildert die guten und schlechten Seiten, überlässt es dem Leser zu entscheiden, wie er sich damit fühlt. Aus diesem Grund verzichtet sie auch darauf, die Figuren all zu sympathisch zu schildern, Chord wie auch West haben ihre hellen und dunklen Seiten. Letztendlich bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück, wenn man genauer über die Konsequenzen des Plots nachdenkt.
Alles in allem liest sich das Buch jedenfalls sehr flüssig, es geschieht genug, um die Spannung zu bewahren. Viel Action und unerwartete Wendungen verhindern, das Längen auftreten. Zudem ist die Geschichte weitestgehend in sich geschlossen, auch wenn natürlich ein paar Anknüpfungspunkte eine Fortsetzung möglich machen könnten.
Insgesamt gehört „Du oder Ich“ zu den dunkleren und zynischeren dystopischen Büchern für junge Erwachsene, die durch ihren Stil auch erfahrene Leser ansprechen können. Die Autorin zeichnet ein sehr ambivalentes Bild einer Zukunft, in der Jugendliche zu Killern werden müssen und fesselt mit einer actionreichen Handlung, die man nicht unbedingt vorhersehen kann. Auch die Liebe ist ein wichtiger Teil der Geschichte, spielt aber keine dominierende Rolle, die alles andere überschattet.